In der Essener Grugahalle fand heute die erste Wahlkampfveranstaltung der türkischen Partei CHP (Cumhuriyet Halk Partisi; Deutsch: Republikanische Volkspartei) in Deutschland statt. (Unser Vorbericht.) Bisher hatte die CHP keine Veranstaltungen in Deutschland durchgeführt. Seit kurzem baut die Partei auch in der Bundesrepublik Strukturen auf. Bei der Veranstaltung hielt der Vorsitzende der Partei Kemal Kilicdaroglu eine programmatische Rede zum anstehenen Präsidentschaftswahlkampf in der Türkei. Neben Kilicdaroglu waren Abgeordnete und Bürgermeister, die von der CHP gestellt werden, in Essen anwesend. Im deutschen Skript zur Rede des CHP-Vorsitzenden wird auf fünf Themen eingegangen. Das Bergewerksunglück in Soma, die gesellschaftlichen Ziele der regierenden AKP, dass Gesellschaftsbild der CHP, die Beziehungen zu Deutschland und die im August anstehenden Präsidentschaftswahlen.
Zu Beginn stellte Kilicdaroglu die wichtige Rolle der Industrieregion Ruhrgebiet in der europäischen Geschichte heraus, und verknüpfte das Ruhrgebiet mit der Region um das Bergwerk in Soma. Das Bergwerksunglück bezeichnete der CHP-Vorsitzende als Mord und wies daraufhin, dass die CHP schon Monate vor dem Unglück auf die Gefahren in Soma hingewiesen habe.
In seiner Kritik an der regierenden AKP nahm Kemal Kilicdaroglu kein Blatt vor den Mund, er bezichtigte Erdogans Partei ein „diktatorisches Regime zu installieren“ und nannte die Gefahren für kritische Journalisten in der Türkei als exemplarisches Beispiel. Auch auf die Kurdenpolitik der AKP ging er ein und behauptete, diese würden „systematisch belogen“. Als Kilicdaroglu über die Politik der AKP sprach, wurde seine Rede immer wieder von Sprechchören unterbrochen. „Schulter an Schulter gegen Faschismus!“ und „Taksim ist überall, überall ist Widerstand“ riefen die Anwesenden in der Grugahalle.
Die Türkei der CHP solle sich laut Kemal Kilicdaroglu weiter demokratisieren. Die CHP, die der Vorsitzende als 90-jährigen Baum bezeichnet, würde mit einer CHP-Regierung eine „vierte Revolution der Demokratie und Freiheit“ erleben. Außerdem betonte Kilicdaroglu, dass er eine Mtigliedschaft in der Europäischen Union anstrebe und dass diese zu den Kernzielen der CHP gehöre.
Im Punkt der Beziehungen der Türkei zu Deutschland blieb der CHP-Vorsitzende ein wenig schwammig. Einerseits betonte er die guten politischen Beziehungen der CHP zu Deutschland. Andererseits ging er auf die türkischen Migranten in der Bundesrepublik ein. Hier sparte der CHP-Chef nicht an freundlichen Worten über die Leistungen der Deutschtürken und betonte, dass seine Partei sich für deren Sorgen einsetzen wolle. Klare Aufforderungen, wie sie Recep Tayyip Erdogan an seine deutschtürkischen Zuhörer formulierte, vermied der Vorsitzende der CHP.
Zum Präsidentenwahlkampf in der Türkei wurde auf der Essener Veranstaltung einiges klar gestellt. Von einem gemeinsamen Kandidaten mit der faschistischen MHP war nicht die Rede. Der Vorsitzende der CHP beschrieb Anforderungen für einen Präsidenten, die aus seiner Sicht notwendig sind. Dabei nannte er unter anderem ein Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten, und den Willen die Türkei in die Europäische Union zu führen.
Die Veranstaltung endete in großem Jubel, der ca. 4000 Teilnehmer, für Kemal Kilicdaroglu, auch vor der Halle umringten Anhänger der CHP die Fahrzeugkolonne, mit der ihr Vorsitzender abreisen sollte, und jubelten ihm zu.