Essen: Diejenigen, die Endruschat aus der SPD gedrängt haben, werden bald von den Bürgern abgewählt

Karlheinz Endruschat

Der Essener Kommunalpolitiker Karlheinz Endruschat hat die SPD verlassen. Der pensionierte Sozialarbeiter war, obwohl er früher bei den Grünen war, ein klassischer, eher konservativer Sozialdemokrat. Ging man mit ihm durch Altenessen, seinen Stadtteil, wusste er fast über jedes Haus etwas zu sagen. Hier wohnte eine alte Frau, die wegen Jugendbanden Angst hatte, auf die Straße zu gehen, dort hatten seine Partei und er dafür gesorgt, dass etwas mehr grün ins Viertel kam.  Er war bei der Zeche Carl engagiert, einmal eines der größten Soziokulturellen Zentren des Landes, und war kein Vereinfacher. Dass seine Tochter Altenessen verlassen hatte, weil sie in dem Viertel keine Zukunft für ihre Familie sah, ging ihm nahe. Als 2015 immer mehr Flüchtlinge nach Essen kamen und ein großer Teil im armen Norden angesiedelt werden sollten, sah er Probleme auf das Viertel zukommen. Endruschat wollte, dass die Menschen gleichmäßig auf die Stadt verteilt werden, dass es mehr Geld für Schulen und Integration gibt. Klassische Sozialdemokratische Positionen, weit weg von jeder Ausländerfeindlichkeit und weit weg von seinem damaligen Parteigenossen Guido Reil, der die SPD verließ und zur AfD wechselte. In einem Portrait über Endruschat für die Welt schrieb ich vor zwei Jahren:

„Endruschat will nicht, dass Altenessen kippt. Es soll nicht so werden wie in Marxloh oder in der Dortmunder Nordstadt – Stadtteile, die durch Kriminalität und Verfall bundesweit in Verruf geraten sind. Und er will, dass in der Partei offen diskutiert wird. Guido Reil – heute bei der AfD – habe die Partei auch verlassen, weil es ein Redeverbot gab, sagte Endruschat der „WAZ“. Als die SPD im Norden der Stadt vor zwei Jahren darüber reden wollte, dass die Stadtteile nicht mehr Flüchtlinge vertragen, beendete die damalige Landesvorsitzende der SPD, Hannelore Kraft, die Diskussion mit einem Machtwort. Reil ging und wurde zu einem Aushängeschild der AfD, ihr Alibimann, um bei Arbeitern um Stimmen zu werben. Mit Erfolg.“

Damals war Endruschat optimistisch, dass sich die SPD der Debatte stellt und Altenessen, seit der Landtags- und Bundestagswahl 2017 eine Hochburg der AfD, nicht endgültig an die Rechtsradikalen fällt:

„In der SPD gibt es mittlerweile eine Bereitschaft, über die Probleme zu reden. Ich leite eine Arbeitsgruppe, und wir wollen bald Ergebnisse vorlegen.“ Endruschat weiß, was er will: Mehr Eigenheime sollen zum Beispiel die Bevölkerungsstruktur im Norden ändern. Niemand soll weggehen, aber andere sollen kommen. Er will einen bunten Stadtteil, und dazu gehören auch Menschen, die sich ein kleines Haus leisten können.

Endruschats Optimismus hat sich nicht bestätigt. Von der Arbeitsgruppe gingen bislang keine wahrnehmbaren Impulse auf. Die SPD stellte für den Rat nicht ihn, sondern ein ehemaliges Mitglied der Linkspartei auf. Linker und grüner, dass will die SPD, angeführt vom Vorsitzenden der Landtagsfraktion, Thomas Kutschaty, auch in ganz Essen sein. Das passt zu ihrer Mitgliederstruktur. Weit weg von der Linkspartei und den Grünen sind da nicht mehr viele. Nur warum man eine Partei wählen soll, die wie eine dümmliche Kopie ihrer Wettbewerber wirkt, diese Frage können sie in der SPD noch nicht schlüssig beantworten. Die SPD war immer dort erfolgreich, wo eher konservative Kümmerer das Sagen hatten, nicht die ökobürgerlichen Ideologen. Darüber können die Sozialdemokraten, die im September in den Räten ihre Mandate verlieren werden, bald lange nachdenken. Denn viele Derjenigen, die Endruschat aus der SPD gedrängt haben, werden bald von den Bürgern abgewählt.

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Helmut Junge
Helmut Junge
4 Jahre zuvor

Merkwürdig, daß die den rausekeln. Es gibt doch gar nicht mehr so vieleLeute, die noch über die SPD sprechen. Und diejenigen, die an der Spitze sind, werden doch gar nicht mehr wahrgenommen.

ke
ke
4 Jahre zuvor

Naja, damit Altenessen mit der Dortmunder Nordstadt vergleichbar wird, ist aber noch viel Arbeit in Essen zu tun. Altenessen hat einfach viele Baustellen. Die größte ist der fehlende A52 Tunnel, der zu enormen Verkehrsbelastung führt.

Schade, dass die Champagner SPD die Bedürfnisse ihrer Ex-Wähler so ignoriert.
Aber noch sind wohl genügend Posten zu vergeben.

Gerd
Gerd
4 Jahre zuvor

#1:

Filterblase. Wer dort den Ton angibt, bewegt sich wohl derart innerhalb der bürgerlich-universitären Kreise der Partei, dass nichts anderes wahrgenommen wird.

Helmut Junge
Helmut Junge
4 Jahre zuvor

@3, Natürlich hören und sehen potentielle Wähler durch Filterblasen.
Was denn sonst?
Und diejenigen, die zu den "derart innerhalb der bürgerlich-universitären Kreisen" gehören, hören und sehen sie zwar, wählen aber trotzdem lieber das jeweilige Original. Und ich auch.
Aber sobald ein Sozi etwas sagt, was ich erkenne, werde ich aufmerksam. Aber wie häufig geschieht das denn?
Und @Ke, Posten zu vergeben? Für die immer weniger werdenden Anhänger reichen die immer weniger werdenden Posten vermutlich noch aus. Erst wenn es dann doch zu eng werden sollte, muß man umschwenken. Einen Versuch ist es wert.

Robert Müser
Robert Müser
4 Jahre zuvor

Kommt diese Entwicklung wirkliche so überraschend, ich denke nicht.

Nach meinen Beobachtungen hat sich in manchen SPD_Führungsgremien eine Sicht der Dinge entwickelt, die ich mit "Unsere Wahrheiten schaffen wir uns selber, die böse Realität stört da nur" umschreiben würde.
Die Entkopplung zwischen mittleren und höherer Funktionärsebene oberhalb der Ortsvereinsebene und dem "blöden" Wähler schreitet fort und im Zweifelsfall sind es alles Nazis, die nicht die Traumbilder eines Multi-Kulti-Wunderlandes vor Ort in ihrem Viertel erkennen wollen.

Kein Wunder, dass die AfD da leichtes Spiel hat …

Werner Meys
Werner Meys
4 Jahre zuvor

Die Ruhrbarone müssten eigentlich wissen, wenn sie rufen, Rassisten aller Arten! Lade ebenfalls zu einem Spaziergang ein, in Altenessen groß geworden, seit 30 Jahren wohnhaft in Laternberg-Beisen! Zum KD13, zum KonTakt, zum Spatzennest, zur Maria-Kunigunda-Schule, zu einem Gespräch mit Ali Can und Turgay Tathabas…..

Gerd
Gerd
4 Jahre zuvor

"Natürlich hören und sehen potentielle Wähler durch Filterblasen. Was denn sonst?"

Funktionäre, nicht Wähler.

EinLipper
EinLipper
4 Jahre zuvor

Die SPD wird an der Struktur ihrer Funktionärsebene kaputtgehen, da sind inzwischen Politologen und Soziologen aus dem Uni-Milieu unter sich, Akademiker aus MINT-Berufen oder Facharbeiter und Selbständige sucht man vergebens, der Versuch, die Grünen zu imitieren (Doppelspitze) und sich an Die Linke ranzumachen wird dann doch eher den Originalen die linken SPD-Wähler zutreiben, alle anderen werden sich was andres suchen oder resignieren, es ist zum Heulen.

jens Stelzer
jens Stelzer
4 Jahre zuvor

Die Entfremdung der SPD zur Realität ist überall spürbar. Parteien deren Führungspersonal sich nur noch aus Politologen und Sozialwissenschaftlern zusammen setzen haben jeglichen Bezug zum Leben des normalen Arbeitnehmers verloren. Die eigenen Überzeugenungen dieser "Macher" werden dann auch noch mit einer penetranten Überheblichkeit vorgebracht, das einem nur noch das Lachen im Halse stecken bleibt. Kühnert , Stegner, Borjan Eskens u. Co werden die SPD dahin führen wo sie hingehört, auf den Schrotthaufen der Geschichte! Eigentlich Schade, aber leider wohl nicht mehr aufzuhalten.

Martin mahadevan
Martin mahadevan
4 Jahre zuvor

DIE SOZIS HABEN DOCH DEN GESAMTEN RUHRPOTT MIT SCHMACKES AN DIE WAND
GEFAHREN. ALLES, WAS EIN BISSCHEN SCHÖN
WAR, WURDE MUTWILLIG PLATTGEMACHT
ICH MÖCHTE NUR MAL ALS BEISPIEL EINE
HERRLICHE JUGENSTILVILLA DES BERÜHMTES
ARCHITEKTEN RICHARD RIEMERSCHMIED IN
DUISBURG ERINNERN. DIE SOZIS WOLLTEN
SIE PLATTMACHEN, EINE BÜRGERINITIATIVE
HATTE SIE FAST GERETTET, DANN BRANNTE
SIE "PLÖTZLICH", WEG WAR SIE DANN BAUTE
DIE GEWOBAG, EIN TYPISCHER SOZI
SELBSTVERSORGUNGSVEREIN, DIE
ÜBLICHEN BETONBUNKER. KOMMENTAR
EINES GENOSSEN :"WEG MIT DIE ALTE
BUDE." DIE KÖNNEN NICHT MAL RICHTIG
DEUTSCH, GESCHWEIGE DENN SONST WAS
EINFACH NUR UNTERIRDISCH. DAS EINZIGE ZIEL, DASS DIE SOZIS VERFOLGEN, IST DIE GENOSSENVERSORGUNG.

Goran Baranac
Goran Baranac
4 Jahre zuvor

Der Artikel ist ein Witz. Dass ausgerechnet die Ruhrbarone den Weggang Endruschats bedauern und ihn Reil gegenüberstellen der Klopper schlechthin. Beide sind SPD-Urgewächse aus dem Pott und bei sind/waren sozial stark engagiert und eingebunden. Der einzige Unterscheid ist, dass Endruschat nicht zur AfD gegangen ist sondern jetzt unabhängig seine Kritik äußert und deshalb auch gefahrlos zitiert werden darf. Aber auch nicht mehr lange.

Seit 2015 beobachte ich die politische Debatte um Migration und Integration in Deutschland und sehe immer dasselbe Muster: einer von rechts äußert sich und kann/darf nicht Recht haben, weil er ja wenn schon selber kein Nazi dann aber ganz nahe dran ist. Einer von Links äußert sich und bedauert das Kopf-in-den-Sand-stecken der eigenen progressiven Seite, man liest überall wie recht er doch hat und alles bleibt beim Alten, außer, dass derjenige den Mund aufmachte kaltgestellt wird. Heinz Buschkowsky aus Neukölln lässt grüßen, dem droht auch der Parteiausschluss.

Die einzigen Progressiven in Europa die diesen Widerspruch aufgelöst haben scheinen die dänischen Sozialdemokraten zu sein indem sie Teilhabe am Sozialstaat mit strengen Auflagen für Neuankömmlinge und konsequenten Durchsetzen von Sanktionen bei Regelverstößen kombiniert haben.

Und was haben die Genossen hier im Land daraus gemacht? Na? Richtig! Die Dänen sind zwar jetzt keine Naaaaazis aber ganz nah dran…

Ich wundere mich nicht mehr, dass sogar meine Verwandten aus Problemvierteln für die AfD stimmen.

Heinz Horstick
Heinz Horstick
4 Jahre zuvor

Es ist wohl sehr einfach, den selbstmitleidigen Weggang eines Funktionärs zum Anlass zu nehmen, wieder auf die SPD zu wettern. Diesen "Wendehals" als Urgestein der SPD zu bezeichnen ist schon ein Witz, wurde er doch damals von Willi zum Erhalt dessen ungezügeltem Machterhaltungstriebes gegen Urgesteine der SPD von den Grünen abgeworben, nachdem er dort auch nicht mehr weiterkam.
Haben die Ruhrbarone mal mit dem Anspruch begonnen Demokratie von unten zu fördern, so sind sie nur noch zum billigen Anhängsel der "hau auf die SPD" Riege geworden. So ist der Artikel eher ein schlecht recherchierter Nachruf, als ein vernüntiger Beitrag zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung.

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[…] ein SPD Ratsherr, der früher mal ein richtig guter Grüner war, schon vor Jahren davor warnte: Der Norden sei voll. […]

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