Der Stadtrat, der sich in der vergangenen Legislatur gerne mal als Plenum der persönlichen Eitelkeiten und Peinlichkeiten präsentierte, wird zwar bunter, aber an den Mehrheitsverhältnissen ändert sich nicht viel. Zwar verliert die SPD gut drei Prozentpunkte, aber eigentliche Verlierer sind die CDU vom blassen MdL Thomas Kufen, weil sie nicht zulegen konnte, die überflüssig erscheinende und innerlich zerstrittene FDP und die Demokratie vor Ort – denn AfD, ProNRW und NPD werden ihre Sitze im Rat und in den Bezirksvertretungen haben. Eine launische Wahlnachlese von unserem Gast-Autor Willi Meier.
Die Voraussetzungen für Thomas Markus Kufen waren eigentlich bestens: der CDU-Fraktionschef im Rat und Landtagsabgeordneter trat mit seinem Team gegen eine SPD an, die zuletzt eher mit sich selbst kämpfte: Und zwar erstens: mit ihrer Hass-Liebe zum eigenen Oberbürgermeister Reinhard Paß. Zweitens: den Skandalen bei den Essener Entsorgungsbetrieben. Der Stadttochter, die nicht erst seit dem System Nowack eine SPD-Domäne ist. Und den dubiosen Beraterverträgen für den ehemaligen Bergerhauser SPD-Ratsherrn Harald Hoppensack (der natürlich nicht wieder antrat) bei den EBE. Drittens: mit einer SPD-Basis, besonders im Essener Westen, die gegen die Erweiterung der Messe Essen und ihre horrenden Kosten im Februar 2014 beim Bürgerentscheid gestimmt hat – obwohl die sozialdemokratische Stadtführung und der SPD-OB sich blind für das teure Projekt ausgesprochen hatten. Doch der blasse Christdemokrat, der mit seiner angenehmen, aber viel zu selten wahrnehmbaren Persönlichkeit eine moderne Großstadt-CDU verkörpern könnte, nutzte seine Chance nicht.
Vielmehr hat man bei ihm stets das Gefühl, das er unter dem Pantoffel der grauen CDU-Eminenzen in der Stadt steht, die im Hintergrund das Sagen haben. Zwar haben die Konservativen ihre Hochburgen im Essener Süden gut gehalten. Viel mehr aber nicht. Im Nordwesten ging man bei den Direktmandaten bis auf Schönebeck leer aus.
Das Ergebnis in Essen verdeutlicht weiter die soziale Spaltung der Stadt, die sich eher noch verfestigt. Keine der beiden großen Volksparteien vermag die Stadtgesellschaft zu einigen: Auf der einen Seite der CDU-dominierte Süden, südlich der A 40, und der SPD-dominierte Osten, Westen und vor allem Norden. Der kaum bevölkerte Stadtkern ist da mit seinem bunten Politik-Mix nicht der Rede wert. Auch die im bisherigen Bündnis mit CDU, FDP und Essener Bürger-Bündnis verbandelten Grünen konnten sich nicht verbessern – und stagnieren eher. Sie dürften, wie in der Vergangenheit, weiter das Zünglein an der Waage sein – man kann nur hoffen, dass die Sozialdemokraten sich geschickter als vor fünf Jahren anstellen, die Grünen auf ihre Seite zu ziehen. 3,3 Prozent weniger sind für die Sozialdemokraten zwar kein tolles Ergebnis, aber: 31 Direktmandate wurden geholt, mit der Stimme des OB kommt man wie zuletzt auf 32 Stimmen im Stadtrat und bleibt damit stärkste Fraktion.
Herauszuheben ist das Ergebnis im Kommunalwahlbezirk 2, dort siegte die Sozialdemokratin und Ehefrau des EVAG-Betriebsrates Wolfgang Hausmann, Julia Kahle-Hausmann, mit 37,5 Prozent. Die Ratsfrau wechselte während der vergangenen Ratsperiode von den Grünen zur SPD. Sie holte gegen den stadtweiten SPD-Trend 0,4 Prozentpunkte mehr als 2009. Auch in Bergerhausen (KWK 5) lässt sich das Ergebnis sehen: Dort verteidigte Kandidat Paul Coenen den SPD-Sitz – nach dem Skandal um den alten Nowack-Mann Harald Hoppensack bei den EBE (siehe oben). Minimale Gewinne von 0,2 Prozentpunkten holte die EBB um den verbalen Dampf-Plauderer und Ex-SPD-Dezernenten Udo Bayer, der seine Truppen inhaltsleer, aber fest an der Seite der CDU führt – und zuletzt eher mit den Beträgen der Sitzungsgelder auffiel – mehr aber auch nicht. Fast vollkommen in der Versenkung ist mit dieser Wahl die Essener FDP verschwunden, die ihr Ergebnis gegenüber 2009 fast halbiert. Auch hier hat die Teilnahme am Vierer-Bündnis, ohne eigene Akzente und Meinungen zu setzen, und der allgemeine Bundestrend nur Negatives beschert. Die Linkspartei konnte nach dem Kuriosum um die Nominierung ihrer Ratsliste ihr Ergebnis halten. Dennoch ist sie regierungsunfähiger denn je, denn die Sozialdemokraten werden wohl kaum mit einer Fraktion zusammenarbeiten, die von Alt-Kommunisten und linken Sektierern dominiert wird. Eine herbe Enttäuschung nach der Entmachtung der seriösen Vertreter HaPe Leymann-Kurtz, Janina Herff und Claudia Jetter sowie des scheidenden Fraktionsgeschäftsführers Jörg Bütefür.
Abzuwarten bleibt, wie sich das Ergebnis der Piraten in Essen auf die Ratspolitik auswirkt. Schaden dürfte diese neue Gruppierung dem Ratsgeschehen jedenfalls nicht. Anders im deutlich rechten Spektrum, wo die AfD durch den Bundes- und Europa-Trend beflügelt, deutlich in den Rat einzog. Hier sollten alle geschichtsbewussten Demokraten gewarnt sein, besonders wenn sie sich die Thesen der Nummer 2 der AfD-Ratsliste anschauen. Der aus Burgaltendorf stammende Rechtsanwalt Dr. Menno Aden sorgte schon bei Publikative für Schlagzeilen. Noch mehr zu denken geben, sollte den etablierten Parteien der stille und heimliche Einzug der vermeintlichen „Bürgerbewegung“ ProNRW, die ebenfalls im Essener Rat sitzen wird, wie wohl auch wieder die NPD, die bisher mit Marcel Haliti (ja, der mit der albernen Kondom-Aktion!) still in der Ecke saß.
Der Publikative-Link ist tot. Vielleicht ging es ja um den Artikel?
https://www.publikative.org/2014/01/21/afd-mit-geschichtsrevisionismus-ins-eu-parlament/
Da zieht ja ein schönes Früchtchen in den Rat ein. Geschichtsrevisionismus und ziemlich nah an der Holocaustleugnung („strafbare geringe Zahl“ von Opfern).
Da ist ein Tippfehler in meinem Kommentar: „strafbar“ muss es heißen, nicht „strafbare“
@#2 | SteLu: So schnell macht sich ein Rechtswissenschaftler(!) sicher nicht strafbar:
„Menno Aden. Der Rechtswissenschaftler ist Vorsitzender der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG)“
Ansonsten Anzeige erstatten, anstatt hier nur zu meckern.
@ Intro. Na ja, Horst Mahler ist ja auch mehrfach verurteilt worden. Ich habe aber auch nicht gesagt, dass sich Herr Aden strafbar macht. Das waren seine Worte: „Seriöse Historiker nennen heute ganz andere Zahlen, man traut sich nur nicht, sie entgegenzuhalten … denn sie sind geradezu strafbar gering“
Ansonsten vielen Dank für den netten Hinweis. Ich werde mich bemühen ihn zukünftig zu bedenken. 🙂
Es gibt in Kommunalparlamenten keine „Legislatur“ sondern nur eine Wahlperiode, da Kommunalpolitiker nicht die Legislative sind.
Wer die Essener CDU kennt weiß, dass die Einschätzung zu Thomas Kufen nicht stimmt. Er hat die Hosen an und die grauen Eminenzen sind eigentlich nur noch Aushängeschilder…
Das Wahlergebnis ist halt typisch für das Ruhrgebiet, obwohl die SPD in der vergangen Wahlperiode nur durch Uneinigkeit und Orientierungslosigkeit auffiel wird sie dort wo sie immer gewählt wurde weiterhin gewählt. Es ist scheint sicher übertrieben aber ich muss dann immer an meine Schulzeit und Kant denken, die Menschen scheinen nicht den Mut haben sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen….