Essen: Kein Campus auf Zeche-Zollverein

Zeche Zollverein FotoLizenz © Jochen Tack/Stiftung Zollverein


Ein Berliner Investor wollte auf dem Weltkulturerbe Zollverein in Essen einen Campus errichten. 2000 Jobs sollten geschaffen werden. Nun ist das Projekt gescheitert.

Spaziergänger durchstreifen das Gelände, Schulklassen fahren mit der langen, orangenen Rolltreppe hoch ins Ruhr-Museum und Touristen fotografieren, den Kopf in den Nacken gelegt, den Förderturm mit seinen beiden Seilscheiben: Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein ist mit 1,5 Millionen Gästen im Jahr 2017 ein Besuchermagnet.

Aber Zollverein soll mehr sein: Der Auftrag der Stiftung, die das Gelände mit seinen zahlreichen Hallen und Anlagen verwaltet, lautet auch, das ehemalige Zechen- und Kokereigelände im Essener Stadtteil Stoppenberg zu einem „Zukunftsstandort“ zu entwickeln.

Keine leichte Aufgabe, denn als Gewerbegebiet ist Zollverein eher drittklassig: Stoppenberg ist ein Problemviertel, das Gelände mit dem Auto nur schwer zu erreichen und auch die Fahrt mit der Stadtbahn dauert vom Bahnhof aus gut 20 Minuten. Da war die Freude groß, als 2017 der Berliner Projektentwickler Reinhard Müller begann, sich für Zollverein zu interessieren. Er wollte auf dem Gelände einen Campus errichten, ein Quartier, in dem sich Unternehmen ansiedeln und erst 500, später dann sogar 2000 Jobs schaffen sollten. Müller hat mit solchen Projekten Erfahrung: In Berlin betreibt sein Unternehmen Euref bereits einen Campus. Im Stadtteil Schöneberg wurden auf dem Gelände eines ehemaligen Gaskraftwerks Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Gastronomie angesiedelt. Heute arbeiten dort rund 2500 Menschen.

Das Gaskraftwerk in Berlin war das Vorbild für Zollverein, nachhaltig und modern sollte alles werden und mit dem französischen Elektronik Unternehmen Schneider Electric konnte Müller auch schon einen Ankermieter vorweisen.

Nun ist das Projekt nach Informationen der Welt am Sonntag endgültig gescheitert. Euref und die Stiftung Zollverein werden das Projekt nicht weiterverfolgen. In der Zeit in der Euref und ihr Ankermieter Schneider Electric das Gelände benötigen, seien die nötigen Umbauten nicht zu machen, wenn nicht der Status des UNESCO-Weltkulturerbes gefährdet werden soll. Müller und Euref planten groß: Der ehemalige Gasometer, die Gasfackel, der Ventilatorenkühler und die Hochdruck-Anlage sollten Teil des Campus werden. Weitere Büroflächen sollten in Neubauten entstehen. Schon im vergangenen Jahr machte die Stadt Essen klar, dass die Pläne mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar waren. In Schreiben der Bezirksregierung Düsseldorf und der Essener Bauaufsicht, steht: „…eine Bescheidung Ihrer Bauvoranfrage (wäre) beim derzeitigen Sachstand nur negativ möglich.“ Beide Behörden sahen durch die Pläne Eurefs den Status Zollvereins als Weltkulturerbe gefährdet. Und so sehr die Stiftung auch ein Interesse an der Ansiedlung von Arbeitsplätzen hat, ist ihr wichtigster Auftrag der Erhalt und die Sicherung des Weltkulturerbes Zollverein.

Im Hintergrund bemühen sich nun Wirtschaftsförderer aus dem Ruhrgebiet, das Euref-Projekt in der Region oder wenigstens in NRW zu halten. Attraktive Standorte mit industriekulturellem Charme gibt mehr als genug, ob sie für den Berliner Projektentwickler ohne das Weltkulturerbe-Siegel attraktiv sind, ist offen.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
5 Jahre zuvor

"Das Gaskraftwerk in Berlin war das Vorbild für Zollverein" – Naja, allein schon die Lage fast direkt im Zentrum Berlins und die daraus resultierende 1A-Anbindung an die restliche Infrastruktur (S-Bahn, ICE-Bahnhof, Stadtautobahn) bildet zu Zollverein einen ziemlich krassen SchwarzWeiß-Vergleich. Und auch der Verkauf des Gasometer-Geländes durch die Berliner GASAG an die Euref unterscheidet sich von der Nutzung eines Weltkulturerbes wohl erheblich. Vorbild? Eher Träumerei.

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