Essen: SPD hat das Rezept wiedergefunden, wie man im Ruhrgebiet eine Stadt verliert

Reinhard Paß. Foto: SPD NRW
Reinhard Paß. Foto: SPD NRW

Lange war es verloren, nun hat die SPD-Essen es wiedergefunden: Das Rezept, wie man als sozialdemokratische Partei eine Ruhrgebietsstadt verliert.

Trotz seit Jahrzehnten sinkender Wählerstimmen ist das Ruhrgebiet noch immer eine SPD-Hochburg. Am deutlichsten wird das bei den Oberbürgermeisterwahlen: Der alte Satz, dass im Ruhrgebiet auch ein Besenstiel gewählt werden würde, solange er rot angestrichen wäre, hat an Richtigkeit nie verloren. Bis auf wenige Ausnahmen wie Hamm oder Hagen haben längst wieder fast alle Oberbürgermeister  ein SPD-Parteibuch. Das war nicht immer so: In den 90er Jahren und knapp darüber hinaus gelang es der CDU in vielen Städten nicht nur Stimmen bei den Ratswahlen zu gewinnen, sondern auch Oberbürgermeister in viele Großstädten des Ruhrgebiets zu stellen: In Gelsenkirchen, Essen, Duisburg und Hamm hatten  Christdemokraten das Sagen. Auch in vielen kleineren Städten wie Gladbeck, Recklinghausen oder Marl wurde die SPD auf die Plätze verwiesen. In Städte wie Gladbeck oder Gelsenkirchen ging dem Sieg der Union ein Machtkampf in der SPD voraus. Wo die SPD zusammenhielt, wie in Dortmund, gelang es ihr auch einen Anfangs eher unpopulären Kandidaten wie Gerhard Langemeyer durchzusetzen.

Intrigen in aller Öffentlichkeit, die  bewusste Demontage des eigenen Oberbürgermeisters, wurden von Wähler abgestraft. Die SPD in Essen scheint das vergessen zu haben. Sicher, Oberbürgermeister Paß steht für Filz, aber das ist der Markenkern der SPD im Ruhrgebiet:   Sie ist weniger eine politische Kraft, als eine Versorgungsorganisation für die eigenen Mitglieder.

Und in Essen scheint sich die SPD ihrer Sache so sicher zu sein, dass sie nun ihren eigenen OB demontiert. Es gab eine wochenlange Suche nach einem Gegenkandidaten zum eigenen OB, nun wurde man in Westfalen fündig: Angelika Kordfelder, die Bürgermeisterin von Rheine, wird innerparteilich gegen Paß antreten.  Viele in der SPD in Essen scheinen zu glauben, sie würden das Amt des OB vergeben. Sicher, der Schrecken des Machtverlustes in den 90er gerät bei vielen Sozialdemokraten im Ruhrgebiet und in NRW in Vergessenheit geraten. Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet erscheint ihnen wieder als roter Erbhof, über den man nach Belieben verfügen kann. Das könnte sich bei den OB-Wahlen im kommenden Jahr rächen: Mit Thomas Kufen hat die CDU einen aussichtsreichen Kandidaten aufgestellt. Wenn die SPD in Essen sich weiterhin mit sich selbst und nicht mit den Problemen der Stadt beschäftigt, können genug Wähler der Ansicht sein, dass es eine gute Idee sein könnte, die Sozialdemokraten dabei nicht zu stören und Kufen zu wählen.

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

Naja, in Dortmund wurde ja auch bei der „Lügen-Neuwahl“ Sierau als Kronprinz gegen Schlangemeyer angesetzt, was innerparteilich für derart viel Streit sorgte, dass sich Hanni Kraft extra aus D’dorf hierhin begeben musste, um Sierau hinter verschlossenen Türen das Zepter in die Hand zu drücken.

Jens Schmidt
Jens Schmidt
10 Jahre zuvor

Na toll, wenigstens haben wir in Duisburg unsern Jägermeister, der bedingungslos hinter seinem Oberbürgerlehrling steht.

WALTER Stach
WALTER Stach
10 Jahre zuvor

Stefan,
zunächst muß unbedingt in jeder einschlägigen Diskussion immer wieder betont werden, daß es hier um die Direktwahl des OB ( in Essen) geht, nicht um die Wahl der Ratsmitglieder. Und dem kommt dann besondere Bedeutung zu, wenn die Wahl des OB zeitlich getrennt von der Wahl des Rates stattfindet – 2o15 in Essen , in BO…..-! Das ist bekanntlich auch der entscheidende Grund dafür, daß in rd.6 Jahren nach dem Willen von SPD/Grüne beide Wahlen überall in NRW wieder an einem Tag stattfinden.

Auch in „meiner SPD“ z.B. in Essen, sollte sich herumgesprochen haben, daß „langsam, aber sicher“ selbst in einer ehe konservativ an der klassichen Parteiendemokratie ausgerichteten Bürgerschaft im Ruhrgebiet die Bereitschaft wächst, sich bei der OB/BM Wahl, vor allem wenn sie zeitlich getrennt von deer Ratswahl stattfindet, ehe an der Persönlikchkeit der Kandidaten zu orientieren und nicht mehr – nur noch- nach deren Parteizugehörigkeit. „Man“ ist zunehmend bereit, eine geeignet erscheindende Persönlichkeit zu wählen, die nicht der Partei zugehört, nicht von der Partei nominiert wird, die man bei der Wahl des Rates regelmäßig wählt. Insofern ist also kein Verlaß mehr auf „strukturelle Mehrheiten“, über die z.B. „meine SPD“ im Ruhrgebiet, u.a. im Esssen, nach wie vor zu verfügen scheint.
-Ist hier nur „der Wunsch Vater des Gedankens“, nicht die politsche Realität im Revierf?-

(Ich finde es jedenfalls wünschenswert, wenn auch bei uns im Ruhrgebiet „langsam, aber sicher“ wie in Bayern, wie in Baden-W.bei der OB/der BM Wahl mehr und mehr die Frage der Qualifikation der Kandidaten als Führungsperönlichkeiten fürdas Wählervotum bestimmend sein würde, und nicht primär deeren parteipolitische Orientierung. Foglich ärgere ich mich darüber, daß in NRW beide Wahlen -OB/Rat- zukünftig wieder überall zeitgleich stattfinden, was die Wichtigkeit der „Parteiorientierung der Kandidaten“ befördert.)

Ich bin unfähig zu beurteilen, wer in Essen als (Führungs-) Persönlichkeit (!!) ehe Chancen hat, in der Bürgerschaft ene Mehrheit für sich gewinnen zu können -Paß, Kornfelder, Kufen ……- und ob “ meine Genossen“ inEssen sich nach diesem Kriterium richten -Qualität als Führungsersönlichkeit-, wenn sie ihre Kandidatin, ihren Kandidaten nominieren oder ehe danach, wer am besten gewährleistet, sich unbedingt als OB nach den Vorgaben vonr Parteivorstand und Fraktion zu richten.
Ich kann also, wenn das „Besenstil-prinzip“ angesprochen wird, das auf keinen Fall auf Konrfelder/Paß beziehen, dafür kenne ich sie zuwenig. Zunächst habe ich sie beide als repektable Kandidaten zur Kenntnis zu nehmen.

Es mag ja so sein, daß im gesamten Ruhrgebiet -Essen eingeschlossen- das „Besenstil“ noch nicht untergegangen und es insofern wider meine Auffassung -entgegen meinem Wunsch- egal ist, wen die Mehrheitspartei SPD in Essen nominiert.
Wer sich allerdings aujf dieses Prinzip verläßt, geht zumindest ein großes Risiko ein ; „gut so, daß das so ist!“

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@#2 Stefan: Selbst wenn Dir das Kraft höchstpersönlich so erzählt hat – ich persönlich würde davon kein einziges Wort glauben, so heftig wie es nach der ganzen Lügerei in der Fraktion, also zwischen Prüsse, Langemeyer und dem Unterbezirk gewitterte. Und Sierau wollte eigentlich Niemand haben…

Erdgeruch
Erdgeruch
10 Jahre zuvor

Der liebe Herr Laurin ist zu sehr Westfale um Essen zu kapieren 😛

Zudem ist der Vergleich mit Dortmund Humbug. Ich sage auch mal warum:

1. Allgemein ist Essen aus Sicht der Statistiker noch nie ganz mit dem Ruhrgebiet in Bezug auf die Wähler zu vergleichen gewesen, da der Essener Süden für die SPD immer schon kein immer sicherer Wahlkreis – als einziger im ganzen Kernruhrgebiet für die SPD – war beispielsweise (aktuell CDU, 1983 verloren, erst 1969 gewonnen). Bei Landtagswahlen war es für die SPD sogar noch schwieriger.

2. In der Historie der Ruhr-SPD bewanderte wissen, dass Essen immer schon zum internen Hauen und Stechen neigten. Wer erinnert sich noch daran, wie Reuschenbach als OB verhindert wurde oder an das Absagen des Vorsitzenden Heinemann? Na? Dortmund hingegen war immer so geschlossen und Essen immer schon ein Streitladen. Wirklich tiefer betrachtet kann man auch mal analysieren, dass die Begründer des rechten Flügels der SPD und der des linken zufälligerweise aus essen kamen 🙂

3. Dortmund hatte die Wahl zwischen verwaltungsmenschen, in Essen kam jemand von außen zum Zug (Pass war ja Betriebsrat bei der DMT), was zu ständigen Problemen wohl führte in der internen Kommunikation zwischen ihm und der Partei. Generell hatte er wohl mehr das Denken eines Betriebsrats als das eines Politikers. Man soll also die Angelegenheit hier tatsächlich für sich betrachten. Was mich zu

4. führt. Keine SPD im Ruhrgebiet hatte so einen tiefen Sturz wie essen wegen willi Nowack. Im Prinzip ist es intern wie extern immer noch ein strukturelles Problem.

5. erzähl uns jetzt auch nicht, dass Thomas Kufen so toll ist. Der Lebenslauf ist der typische Funktionärslebenslauf. Der hat doch nicht einen Tag ernsthaft wirklich was leisten müssen, sorry. Aber kannst ja mal Familie Kufen, die KAS oder das Integrationsministerium Fragen 🙂
Sorry, Kufen ist keine Alternative – aber es ist dir zu verzeihen, essen ist halt kein Westfalen 😛

Also lieber Stefan, in Essen wird auch übrigens nicht „Spitzenpersonal“ gewählt, der Essener OB muss eher traditionell die Fähigkeit aufweisen keinen zu nerven und die Farbe der Hintergrundwand annehmen können, um nicht aufzufallen. Der Essener wählt keinen anderen.

Erdgeruch
Erdgeruch
10 Jahre zuvor

Ich wusste ja, dass das sitzt 😉

Aber in einem Punkt ist der Artikel ja wahr. Die Essener SPD hat sich nach meiner Beobachtung auch konsequent selbst mehrfach ins Knie geschossen, weil sie nie die ganzen Nummern um Willi Nowack wirklich aufgearbeitet hat. Dabei meine ich jetzt nichtmal, öffentliches bereuen, man kann brechen oder auch alles bewusst ignorieren wie in Duisburg, aber das was da ablief, scheint mir so ein Kurs des gewissen Nichts zu sein. Was aber auch – und das gehört zur Wahrheit – die ganze Essener Stadtpolitik kennzeichnet. Da ist schlicht keiner. Die was können bei den Parteien sind doch in Essen immer schon auf andere Ebenen weggerannt. Aber es gehört eben auch dazu, anzuerkennen, dass der Essener Wähler es so auch so will.

Jedenfalls wird sich die SPD dort jetzt durch einen langen Vorwahlkampf quälen müssen, den vielleicht Leute wie ich oder Du gut finden, aber der Essener Wähler eben nicht. Heißt aber eben nicht, dass er dann CDU wählt. Ich denke mal eher, dass es zu einem 2. Wahlgang kommt, den die SPD gewinnt bei einer Wahlbeteiligung von 15 bis 18 Prozent.

trackback

[…] Essen: Oberbürgermeister Paß: „Das verschlechtert unsere Wahlchancen“ (WAZ.de) – Zur geplanten Kandidatur von Angelika Kordfelder (SPD), bisher Bürgermeisterin in Rheine, hat der Amtsinhaber Reinhard Paß (ebenfalls SPD) eine klare Meinung. Die Ruhrbarone auch: Essen: SPD hat das Rezept wiedergefunden, wie man im Ruhrgebiet eine Stadt verliert. […]

Jens Schmidt
Jens Schmidt
10 Jahre zuvor

@Erdgeruch

Naja, der Wolfgang Reiniger ist gewählt worden, der war wirklich gut. Hat ja auch die Kulturhauptstadt 2010 nach Essen geholt. Insofern muss sich die SPD durchaus warm anziehen.

Der Reinhard Paß steht für eine bürgerferne Politik, die insbesondere in Rüttenscheid (Messe Erweiterung, Außengastronomie, Straßennamen) wiederholt unangenehm aufgefallen ist.

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