Ete Zabel, Doping und die Moral der Moralisten…

Autogramm Ete Zabel, stilecht auf Intershop Bierdeckel, dat. ca. 2000
Autogramm Ete Zabel, stilecht auf Intershop Bierdeckel, dat. ca. 2000

Seit ein paar Tagen geistert durch die Medien das, womit die „Süddeutsche“ heute ihren Sportteil aufmachen würde, Erik Zabel hat gedopt, nicht nur einmalig 1996, sondern auch 1998 und dann darüber hinaus, bis ca. 2003, vielleicht auch bis 2005. Schlimmer als die Tatsache der Verwendung unerlaubter Methoden an sich scheint es für viele zu sein, dass er im Jahr 2007, bei seiner gemeinsamen Beichte mit Rolf Aldag, nicht ganz aufrichtig gewesen ist. Eine Gegenmeinung.

Seit ein paar Tagen teasern Medien wie SPON oder Zeit, dass Erik Zabel heute in der Süddeutschen, exklusiv, gestehen würde, länger und umfassender verbotene Methoden verwendet zu haben, als 2007 unter Tränen eingeräumt. Hat er, also gestanden, ich bin extra zum Kiosk gelaufen und habe mir ein Exemplar gekauft und es, exklusiv, nachgelesen: Erik Zabel hat von 1996 bis etwa 2003 gedopt! Cortison, Epo, Eigenblut, vielleicht auch Persantin und Alupent. Die gesamte Thematik des Einsatzes von unerlaubten Methoden, von Doping, ist zu komplex, um sie hier in einem kleinen Meinungsartikel auseinanderzuklamüsern, dazu wird, wenn andere nicht sowieso eher dazu berufen sind, an anderer Stelle Zeit sein, hier geht’s mir heute nur um einen kleinen Aspekt.

Erik Zabel wird vorgeworfen, immer nur das eingestanden zu haben, was er eh nicht mehr hätte leugnen können. 2007, nach der Veröffentlichung des Buches von Jef D’hont, die kurzzeitige und einmalige Verwendung von Epo im Jahr 1996 und heute, kurz bevor die Kommission des französischen Senats zum Thema Anti Doping die Ergebnisse der nachträglich getesteten Tour-Proben von ’98 endgültig veröffentlichen würde, dass er auch dort positiv gewesen ist. Hier bei uns, da ist Robin enttäuscht, das ist noch halbwegs in Ordnung.

Woanders, da werden Zeigefinger erhoben, so von wegen Vorbildfunktion und so, signierte Trikots wahlweise zurückgeschickt oder gleich in den Müll geworfen. Man denkt sich Strafen aus, was man mit „so einem“ am liebsten machen würde, wenn man denn dürfte… leider darf man nicht. 1000 Jahre Arbeitsdienst stehen da noch am unteren Ende der Skala… Ich hingegen sage: Ja und? Erik Zabel hat das getan, was so ziemlich jeder von uns tun würde, wenn der Arsch mit Grundeis geht.

Doping ist im Sport, im Radsport, verboten. Wird man erwischt, ist man dran, wird angeklagt und verknackt. Alkohol und überhöhte Geschwindigkeit im Straßenverkehr sind ebenfalls verboten, wird man erwischt, ist man ebenfalls dran und wird ebenfalls verknackt. Beides ist sowohl akzeptiert als auch richtig und in Ordnung. Von einem Sportler zu verlangen, bei einem Geständnis über Regelverstöße mehr einzuräumen als zum jeweiligen Zeitpunkt nachweisbar ist in etwa damit vergleichbar, von einem Autofahrer zu verlangen, vor dem Verkehrsrichter einzugestehen, die rote Ampel nicht nur überfahren zu haben, wie auf dem Blitzer Bild zweifelsfrei nachweisbar, sondern bei Begehung dieser Tat auch noch besoffen gewesen zu sein, was bislang anhand eines Bildes noch nicht zwingend nachweisbar ist… kommt vielleicht noch.

Ein Angeklagter hat, so weit ich weiss, ein paar Rechte und zu diesen Rechten gehört es, wenn man glaubt damit besser aus der Nummer rauszukommen, zu lügen oder zumindest kreativ mit der Wahrheit umzugehen. Im Gegensatz zu Zeugen ist er nicht zur Wahrheit verpflichtet. Die Halbwahrheiten von 2007 waren ein legitimer Versuch, glimpflich aus der Sache herauszukommen, dass er heute von der Geschichte eingeholt und in den Hintern gebissen wird ist zugleich ein anderes Thema und ein Treppenwitz, schließlich hat Zabel seine ersten Erfahrungen mit verbotenen Substanzen durch Sitzcreme gemacht, aber das soll jeder selbst im Interview der Süddeutschen nachlesen.

Ich jedenfalls werde mein Autogramm von Erik Zabel behalten, ich hab’s heute sogar extra noch abgestaubt!

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

Es ist seltsam, dass lt. Deiner Meinung jeder besoffene und angeklagte Autofahrer auch gleichzeitig in Auto-Medien allgegenwärtig, bei Benefiz-Veranstaltungen vorne weg, in der Nachwuchsförderung ein heldenhafter Verteidiger des sauberen Autofahrens und ein für Automarken beliebter Werbeträger mit nicht schlechten Einnahmen war. Nur so könnten wir ja Äpfel-Birnen-Vergleiche wieder zusammenrücken, oder?

Vielleicht solltest Du, lieber Michael Kolb, Dir nochmals das weinerliche Geheule über seinen Sohn aus 2007 parallel zu dem aktuellen Blabla Zabels über die Vater-Sohn-Beziehung reinziehen, um zumindest sozial auf einem vertretbaren Nenner zu landen. Falls Du überhaupt mal selbst Kinder haben möchtest…

Thorsten Stumm
11 Jahre zuvor

@Michael Kolb
Chapeau- ganz meiner Meinung….zudem kann ich den Geifer und die moralische Entrüstung nicht nachvollziehen. Wenn adipöse Herren einen „sauberen“ Sport fodern, wird dabei immer vergessen welche Entbehrung und Leistung trotz EPO jeder Radsportler noch bringen muss. Und sich dann mit Bier und Chips auf der Wampe über den Medaillienspiegel wundern…..

Achja, Du hast jetz auch den Lohmann an der Backe….willkommen im Club…..

Robin Patzwaldt
Robin Patzwaldt
11 Jahre zuvor

@Michael Kolb: Ich verstehe Deinen Ansatz. Aber hast Du noch die Pressekonferenz aus dem Jahre 2007 vor Augen? Seine angeblich geläuterte Haltung und die Art der Selbstdarstellung damals war mir zu eindeutig um da jetzt im Nachhinein schlicht zu sagen, upps, da war ja nicht nur der eine Verstoß, da waren ja noch etliche mehr, jahrelang, auch andere Methoden des Dopings usw..
Ich sehe mich keineswegs grundsätzlich als nörgeligen ‚Moralisten‘, wer mich persönlich kennt, der weiß das. Aber ich lasse mich ungern von Leuten anlügen!
Nun kenne ich Erik Zabel nicht wirklich persönlich, habe ihn nur einmal kurz getroffen, aber ich habe ihn als ‚Fan‘ über Jahre intensiv verfolgt, wie ich ja auch in meinem Text dazu darzustellen versucht habe. Entsprechend tief ist da auch bei mir die persönliche Enttäuschung. Diese wollte ich Gestern einmal ausdrücken.

Helmut Junge
Helmut Junge
11 Jahre zuvor

Die haben das wahrscheinlich aus einer Fernsehsendung für Kinder, wo persifliert wird, dass der kleine Georg Washington verbotenerweise immer wieder mal einen Kirschbaum in der Plantage seines Vaters gefällt hatte. Der Vater verzieh ihm das aber, weil klein-Georg jedesmal die Tat ehrlich gestanden hat. Übertragen auf den Radsport hieße das, dass E.Zabel als ehrlicher Dopingsünder große Anerkennung fände.
Klingt überzeugend.
Für mich ist Zabel wieder mal ein Beweis, dass die benutzten Dopingsubstanzen gar nicht schädlich sind, und dass diejenigen, die das immer wieder behaupten, einfach nur Unsinn reden, ohne das jemals zuzugeben. Das ist unehrlich.
Das Gesundheitsargument enfält also völlig, bleibt nur der Betrugsvorwurf.
Wenn ich dann so nebenbei erfahre, wer als gedopt hat, entfällt der auch.
Auch in anderen Sportarten wird sehr viel gedopt, ohne dass die Öffentlichkeit wirklich Interesse daran zeigt. Grund genug, die Dopingfrage neu zu regeln.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

@#4 | Helmut Junge: „Wenn ich dann so nebenbei erfahre, wer als gedopt hat, entfällt der auch.“ Nee, is klar. Deswegen hat Zabel jetzt auch keine 2 Sportdirektor-Posten verloren und muss keine Rückzahlung der ARD-Sponsorengelder befürchten, weil ja die Anderen auch… Sind Sie bei Ihren Verträgen auch gerne so „halbwahrheitlich“ und setzen auf gnädige Amnesie des Vertragspartners??

Helmut Junge
Helmut Junge
11 Jahre zuvor

@Klaus Lohmann (5),
ich orientiere mich daran, was ich umsetzen kann und was nicht. Doping läßt sich nur selten kontrollieren. (Ist zu teuer, zu viele Substanzen, immer wieder neue Substanzen, usw.) Kurz: es geht nicht, oder ist zu teuer.
Das gilt auch für die gesamte Drogenpolitik. Meine Meinung ist: wenn ein Gesetz oder eine Regel mit einer bestimmten Strategie nicht umsetzbar ist, muß diese Strategie diskutiert, muß überdacht werden. Das zeugt dann von geistiger Flexibelität.
Wer dagegen solche Gesetze aufrecht erhalten will, steht dann aber in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen vorhanden sind, diese Gesetze auch zu überprüfen, und dass sie nicht, wie es geschieht, als allgemeine Empfehlung angesehen werden.
Ich bin in meiner negativen Einschätzung zur derzeitigen Drogenpolitik nicht
allein. Bei meiner Einschätzung zum Doping vielleicht schon. Aber lieber Herr Lohmann, einer muß doch den Anfang machen, dann, wenn ein Problem auftaucht, darüber zu diskutieren. Beim Doping und bei Wettskandalen ist das Problem die niedrige Aufklärungsrate. Ob die Lösung dann heißt, sofort zu sagen, dass der Teilnehmer grundsätzlich betrogen wird, oder ob es eine andere Lösung gibt, z.B. totschweigen, ist noch zu diskutieren. Totschweigen, wie beim Wettskandal ist nicht meine Idee.
Ach ja, Ihre rethorische, persönliche Frage an mich, ob ich bei meinen Verträgen „halbwahrheitlich“ auf die Amnesie meiner Vertragspartner setze, will ich nicht beantworten, denn ein „Nein“ wäre Ihnen doch sicher zweifelhaft, und ein „Ja“ wär ja wohl völlig bescheuert im Sinn der Anklage.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

#6 | Helmut Junge: Lassen wir doch mal das hier völlig fremde Thema Drogenpolitik außen vor – oder werden „normale“ Drogenabhängige jetzt schon per Pharmazie-, Biophysik-, Media- und LifeStyle-Trainerteam inkl. Top-Anwälten betreut??

Eine Aufklärungsrate ähnlich hoch wie die von Schwerstverbrechen ist im Sportdoping-Bereich solange *nicht* vonnöten, solange Leute wie Armstrong, Ullrich, Zabel, Pantani und Co. eben erwischt werden, und sei es erst 10 Jahre nach ihrem ersten Doping-„Gold“. Deshalb sind die wirtschaftlichen Sanktionen inkl. vollstreckbarer Rückzahlungs-Titel ja so wichtig – was allerdings auch verstärkt Aufklärungsarbeit bei den Jungen, den noch idealistischen Amateuren, bei dem noch „formbaren“ Nachwuchs erfordert. Da sind dann wiederum Eltern gefordert und zwar solche, die ihrem Nachwuchs auch in zehn Jahren noch in die Augen sehen wollen und können, aber keine unreifen Möchtegern-„Erwachsenen“ wie Ullrich oder Zabel.

Der unethisch deformierte Rest darf sich dann meinswegen in einer Pharma-Liga um die besten Dopingmethoden streiten, bis der Bizeps, der Lungenflügel, die Aorta und die Fontanelle platzt. Das kommt dann schön in Zeitlupe bei RTL2.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Zabel hat gelogen und Hoenes hat betrogen.

Das ist so.

Das wird weder von Zabel noch von Hoenes bestritten.

Hier greift deshalb logischerweise für Beide nicht die sog.Unschuldsvermutung.

Wer will, kann Zabel einen Lügener und Hoenes einen Betrüger nennen -jetzt und zukünftig, ohne damit einen Straftatsbestand zu erfüllen.

Ob das geschieht, hängt davon ab, was die Verantwortungsethik des Einzelnen diesem gestattet und hängt nicht ab von irgend welchen allgemein verbindlichen Prinzipien der Moral in unserer Gesellschaft.

Wer will, mag die Lüge von Zabel und den Betrug von Hoenes entschuldigen , ja sogar zu rechtfertigen versuchen.

(Und in der Causa Hoenes gibt es dafür bekanntlich eine Unzahl sehr unterschiedlicher, manchmal, wie ich meine, abenteuerlicher bis abstruser Begründungen. Ähnliches gilt für Zabel mit z.Teil verblüffenden Übereinstimmungen zu den in Sachen Hoenes vorgebrachten Gründen der Entschuldigung, der Rechtfergigung.)

Wer will und kann, mag gegenüber Zabel und Hoenes Mitleid empfinden;das ist dann so, und ein solches Gefühl des Mitleides entzieht sich rationalen Argumenten.

„Man“ mag es ferner hinbekommen, daß die Lüge und daß der Betrug weder straf-, noch zivilrechtliche noch sportrechtliche Konsuqenzen haben werden bzw. nur rechtliche Konsequenzen , die für Honess und Zabel erträglich sind.

Und wenn die Medien es schaffen, und sie schaffen das, wenn sie wollen, daß Zabel und Hoenes letztlich nach der Mehrheitsmeinung in unserer Gesellslchaft weiterhin als „die Guten“ unter uns gelten oder nur als genau so schlecht wie alle, dann registriere ich das;letztendlich bleibt mir ja nichts anderes übrig.

„Wir sind so wie wir sind, und unsere Gesellschaft ist so wie sie ist“.

Für Philosopohen ist ein neuer Ball ins Spiel gekommen bzw. nur ein alter in neuem Gewand-.
Für sie (und andere Denker, besser wohl für all die sattsam bekannten öffentlichen Laut- und Dauersprecher) gilt es nun, diesen Ball möglichst oft und möglichst vehement aufzunehmen, mit ihm immer wieder aufzuschlagen und vor allem, den Ball möglichst lange Zeit „im Spiel zu halten“. Bis, ja bis ein neuer Ball ins Spiel kommt!

Und meine Gefühle?

Ich empfinde Mitleid mit Zabel. Ich empfinde keine Spur von Mitleid mit Hoenes.

Ich sehe mir weiterhin gerne die großen Rad- Rundfahrten an, ohne dabei ständig an Zabel -und seine Lügen-zu denken.

Ich sehe mir weiterhin Spiele des FC Bayern an und denke dabei ständig und mit einiger Verachtung an den Betrüger Hoenes.

So ist das mit meinen Gefühlen, die mir stets, also auch jetzt Anlaß bieten, über ihre Gründe nachzudenken. Einige liegen mir sehr nahe .Ich lasse sie aber im Verborgenen meiner selbst.

-Und jetzt bin ich ‚mal weg -bis zum 31.8.-

Robin Patzwaldt
Robin Patzwaldt
11 Jahre zuvor

Einen schönen Urlaub, Walter! 🙂

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Robin, danke!

Und „hege und pflege“ Du weiterhin die Ruhrbarone.

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