Wissenschaftler der Uni Hohenheim haben Wahlprogramme auf Verständlichkeit hin untersucht. Sie sind so kompliziert wie eine Doktorarbeit.
Hand auf’s Herz: Wer hat schon mal ein Wahlprogramm komplett gelesen und verstanden? Nur die wenigsten. In den Parteien wird sehr viel Arbeit in diese Programme gesteckt, aber bei den meisten Wählern kommen sie nicht an. Das kann auch daran liegen, dass die Wahlprogramme oft genug völlig unverständlich sind. Wie unverständlich? Das hat eine Studie der Universität Hohenheim ermittelt.
Die Kommunikationswissenschaftler nutzten die Software Textlab um die Wahlprogramme zu analysieren. Auf den Prüfstand kamen CDU, SPD, FDP, Bündnis ’90 Die Grünen, Die Linke, AfD und die Piratenpartei mit ihren Programmen zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Wahlprogramme: Brutstätten für Wortungetüme
In allen drei Bundesländern verstoßen die Wahlprogramme gegen Verständlichkeits-Regeln. „Neben den Fremdwörtern, Anglizismen und Fachbegriffen sind es auch die Bandwurmsätze, die die Wahlprogramme so unverständlich machen“, sagt der Kommunikationsexperte Prof. Dr. Frank Brettschneider. „Wir haben in allen Wahlprogrammen solche Satz-Ungetüme ab 30 Wörtern und mehr gefunden.“
Einen Gewinner gibt es bei der formalen Verständlichkeit der Wahlprogramme nicht wirklich. „Zwar hat die Linke in Baden-Württemberg bei diesen Landtagswahlen das formal verständlichste Wahlprogramm von allen abgeliefert“, sagt Prof. Dr. Frank Brettschneider, Kommunikationsexperte der Universität Hohenheim und Leiter der Studie. „In Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt belegen ihre Wahlprogramme aber den letzten Platz.“
Als Beispiele für unverständliche Formulierungen führt Brettschneider an:
- „Frühsexualisierung“ (AfD, Baden-Württemberg)
- „Wolfsmanagementplan“, „SchwulLesbischBiTrans-Aufklärung“ (Grüne, Rheinland-Pfalz)
- „Schwangerschaftskonfliktberatung“ (AfD, Baden-Württemberg)
- „Seniorensicherheitsberaterinnen“ (SPD, Rheinland-Pfalz)
- „Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung“ (Die Linke, Sachsen-Anhalt)
„Neben den Fremdwörtern, Anglizismen und Fachbegriffen sind es auch die Bandwurmsätze, die die Wahlprogramme so unverständlich machen“, so Brettschneider weiter. „Wir haben in allen Wahlprogrammen solche Satz-Ungetüme ab 30 Wörtern und mehr gefunden.“
Der Durchschnitt der Wahlprogramme liegt im „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ bei
- 7,9 (Baden-Württemberg),
- 7,8 (Sachsen-Anhalt)
- und 7,6 (Rheinland-Pfalz).
Zum Vergleich: Besonders komplexe Texte wie Doktorarbeiten in Politikwissenschaft kommen in diesem Index auf eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3 Punkten. Die besonders auf Verständlichkeit ausgelegten Politik-Beiträge in der Bild-Zeitung erreichen im Schnitt 16,8 Punkte.
„Die Menschen da draußen im Lande“
Nach 17 analysierten Landtagswahlen seit 2010 belegten CDU, SPD und Die Grüne die ersten drei Plätze in Bezug auf die durchschnittliche Verständlichkeit, berichten die Wissenschaftler. Auf dem letzten Platz landen die Piratenpartei, die AfD und die FDP. „Zwischen der erstplatzierten und der letztplatzierten Partei liegen aber gerade einmal 1,8 Punkte“, betont Claudia Thomas von der Universität Hohenheim.
Bei den Begriffen, die häufig in den Wahlprogrammen genannt werden, ähneln sich die meisten Wahlprogramme, so Claudia Thomas weiter. „Begriffe wie „Menschen“ und „Land“ sind besonders häufig zu finden.