Eurokrise: „Ja, aber ich will doch nur wissen, wer der Erste ist.“

Filmszene aus "Rainman" (USA 1988)

„Ja, aber wer ist der Erste? Wer der Erste ist, will ich wissen!“ Immer wenn Raymond Babbitt nervös wurde – und der Rainman wurde schnell und leicht nervös – flüchtete sich der von Dustin Hoffman so großartig dargestellte Autist in den schon unzählige Male immer wieder von ihm aufgesagten Fernsehsketch zweier US-Komiker. „Wer war der Erste, wer war der Zweite. Ich will doch nur wissen, wer der Erste war.“
„Hör jetzt auf mit dem Scheiß, Raimond!“ stoppte ihn sein jüngerer Bruder Charlie Babbitt. Tom Cruise als smarter Raffzahn, der es auf das Geld seines schwerstbehinderten Bruders absieht. „Der Erste, der Zweite, … – Ich habe Dir das doch schon tausendmal gesagt. Das ist ein Witz, Raymond. Das ist zum Lachen, So, und jetzt hör auf damit!“ – „Ja witzig. Zum Lachen.“ Die Erinnerung an ein bekanntes Signal. Dustin Hoffman spielt wieder die dösige Ruhe fernab dieser Welt. Raymond Babbitt war wegen einer Veränderung plötzlich stark überfordert und sehr nervös geworden. Irgendetwas hatte das extrem ritualisierte Alltagsritual aus dem Takt gebracht. Ersatzkonstruktion: das Auswendigaufsagen des von ihm ohnehin nicht verstandenen Sketches. „Wer ist der Erste, wer ist der Zweite. Ich will doch nur wissen, wer der Erste ist.“

Mit der wirklichen Welt überfordert bietet Autisten die Selbstkonstruktion des Immer Gleichen eine Scheinsicherheit, die völlig absurd ist; doch die ritualisierten Handlungen schützen vor dem Zusammenbruch auf der Stelle. „Menschen mit Asperger“ – so Wikipedia, die definitorische Trennung zu „Autismus“ bleibt etwas unklar – „sind oft darauf fixiert, ihre äußere Umgebung und Tagesabläufe möglichst gleichbleibend zu gestalten … Dies liegt daran, dass Veränderungen einen höheren Grad an Aufmerksamkeit erfordern, was bei der angenommenen Schwäche von Menschen mit ASS, Informationen auszublenden, zu einer erhöhten Gehirnaktivität führen muss. Zu den ritualisierten Handlungen können neben motorischen Schematismen, Stereotypien und repetitiven Sprechhandlungen auch die repetitiven und stereotypen Handlungen des Denkens und der Wahrnehmung gezählt werden.“
„Wer ist der Erste, wer ist der Zweite. Ich will doch nur wissen, wer der Erste ist.“ Raymond konnte Charlie Babbitt mit dieser Nummer gehörig auf den Nerv gehen. „Der Erste, der Zweite, …“ Tom Cruise alias Charlie fährt aus der Haut und brüllt: „Das ist ein Witz, Raymond! Der Erste ist doch der Zweite. Oder der Zweite der Erste. Ach, was weiß ich!!! Die beiden sind Clowns. Lachen! Ende.“

Wer ist der Erste, wer ist der Zweite. Ich will doch nur wissen, wer der Erste ist. Also in Deutschland ist das so. Der erste Mann im Staat, das ist der … – nein, nicht der Bundeskanzler. Erst einmal zuhören! Ruhig jetzt. Also, der erste Mann im Staat, das ist der Bundespräsident. Der Bundespräsident ist also die Nummer Eins. So. Und der zweite Mann im Staat, das ist der … – Psst! Zuhören! – das ist der Bundes- – Achtung: TAGS Präsident. Bundestagspräsident. Also, der Erste ist der Bundespräsident. Und der Zweite, das ist der BundesTAGSpräsident. So, und jetzt hören wir das mal ab! Haben wir das verstanden? Wer ist der Erste? Wer ist der Zweite? Herrgott nochmal! Ich will doch nur wissen, wer der Erste ist.
Richtig. Erst der Bundes-, dann der Bundestagspräsident. Merken wir uns! Eigentlich nicht zu verwechseln, also nicht vertauschen. Wie bitte? Ob der Erste auch mehr zu sagen hat als der Zweite? Ja, ääh … – Nun, so viel zu sagen hat der eigentlich nicht. Also, der Erste. Dafür ist er ja der erste Mann im Staat. Okay, der Zweite im Grunde auch nicht. Oder? Lass mal überlegen … – tja .. Das ist doch jetzt auch egal. „Der Erste, der Zweite, …“ – Merkt Euch das mal! Das geht überhaupt gar nicht darum, wer von denen mehr zu sagen hat. Das ist für das Protokoll. Jawohl, für das Protokoll. Das Protokoll eben. Hört jetzt auf mit dem Scheiß!
„Wer ist der Erste, wer ist der Zweite. Wir wollen doch nur wissen, wer der Erste ist.“ – So, Leute. Jetzt hört auf damit! Ich habe keine Lust, Euch das noch tausendmal zu erzählen. „Der Erste, der Zweite, …“ – Herrgott nochmal, Leute, das nervt. Für das Protokoll, Leute! Das ist zum Lachen, So, und jetzt hört auf damit! Der Erste ist doch der Zweite. Oder der Zweite der Erste. Ach, was weiß ich!!! Die beiden sind Clowns. Lachen! Ende.

Entschuldigung! Ich musste mich mal eben um die Patienten kümmern. Die sind momentan wegen dieser plötzlichen Eurogeschichte … – Ja ja: Rettungsschirme, Eurobonds völlig aus dem Takt. Ein Geschrei, eine Hysterie, sage ich Ihnen. Richtig, wir machen jetzt auf Alltagsritual. Scheinsicherheit simulieren und so. Die Eurokrise, die erfordert einen Grad an Aufmerksamkeit, den können die sogar packen. Aber das ist ja klar: wenn es bei denen zu einer erhöhten Gehirnaktivität kommen würde, …
Wir geben jetzt erst einmal zu den ritualisierten Handlungen motorische Schematismen, Stereotypien und repetitive Sprechhandlungen und versuchen, die die repetitiven und stereotypen Handlungen des Denkens und der Wahrnehmung einigermaßen reaktiviert zu bekommen. Erinnerungen an alt bekannte Signale. Bundespräsident, Bundestagspräsident und sowas machen wir gerade. Allerdings – muss ich zugeben – wir hatten diese Sachen jetzt ein wenig zu lange … – – Genau, wir sind so darauf fixiert, die äußere Umgebung und Tagesabläufe möglichst gleichbleibend zu gestalten, dass man sich für Wartungsarbeiten einfach nicht genug Zeit und Mühe macht. Kennen Sie auch, klar.
Trotzdem, es hilft ja nichts. Jetzt hantieren wir hier mit Gerät … das darf man überhaupt keinem erzählen! Wenn wir die Patienten nicht ziemlich zügig in diese dösige Ruhe fernab von dieser Welt zurückverfrachtet kriegen, weiß ich auch nicht, was die anstellen werden. Scheiße! Was ballert der denn da jetzt ständig mit seinem Kopf gegen die Wand?! Und welcher Heini hat dem, der da jetzt an sich herumschnitzt, denn das Messer gegeben?! Herrgott nochmal! Ich will Euch einmal sagen, was ich glaube. Ich glaube das schon mit Eurem Autismus und dass Ihr krank seid und so. Aber ich finde, Ihr nutzt das auch ganz schön aus.

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