Am 5. Februar ist Wahlsonntag für alle Mitglieder der evangelischen Kirchen im Ruhrgebiet, wobei vielerorts das Ergebnis schon vor dem Wahlsonntag feststeht und wo gewählt wird, wählt kaum noch jemand. So finden in der westfälischen Landeskirche nur in 27% der Gemeinden überhaupt Wahlen statt – ein Drittel weniger als bei der letzten Wahl 2008. Nicht ganz so dramatisch ist die Lage in der rheinischen Landeskirche. Genaue Zahlen hat die Landeskirche nicht, sie schätzt aber nach einer Umfrage, dass in etwa der Hälfte der 743 Gemeinden gewählt werden kann, so die Pressesprecherin Kornelia Roßkothen gegenüber Ruhrbarone. Von unserem Gastautor Norbert Paul.
Mitten durch das Ruhrgebiet geht die Grenze zweier evangelischer Landeskirchen. Der westliche Teil der Protestanten gehört qua Wohnsitz zur Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), der östliche Teil zur Evangelischen Kirche von Westfalen(EKvW). In beiden Landeskirchen ist am Sonntag wie in der dritten Landeskirche in NRW, der kleinen lippischen Landeskirche, Presbyteriumswahl. Wer bei dieser Gliederung an die politische Landschaft nach dem Wiener Kongress denkt, liegt nicht falsch.
Das gewählte Presbyterium ist das Leitungsgremium einer Kirchengemeinde. Wobei nicht alle Kandidaten nicht die gleiche Chance haben, da in der EKiR z. B. zusätzliche Mitarbeiterpresbyter über eine gesonderte Liste gewählt werden, die bis zu einem Viertel der Presbyter ausmachen dürfen ( Mitarbeitendenwahlgesetz § 3, Absatz 1). Wobei es sicherlich auch gute Gründe für diese Regelung gibt. Mitglieder des Presbyteriums sind nach Kirchenordnung Artikel 17 der EKiR „die Presbyterinnen und Presbyter, die Pfarrerinnen und Pfarrer, die Gemeindemissionarinnen und Gemeindemissionare, die Mitarbeitenden im Gemeinsamen Pastoralen Amt […] und die gewählten Mitarbeitenden.“ In der EKvW üben nach Kirchenordnung Artikel 55 „die Pfarrerinnen und Pfarrer und die Presbyterinnen und Presbyter den Dienst der Leitung der Kirchengemeinde in gemeinsamer Verantwortung aus“. Die Pfarrer sind, solange sie eine Pfarrstelle haben, Mitglied. Schlussendlich werden die Synoden dann auch von hauptamtlichen, verbeamteten Pfarrern dominiert.
Das Presbyterium entsendet zudem auch die Mitglieder zu den Kreissynoden der Kirchenkreise und die wiederum die Synodalen zur Synode der Landeskirche. Die Landessynode ist das höchste Gremium der einzelnen Landeskirche und wählt z. B. den obersten Repräsentanten der Landeskirche und ist oberstes Beschlussgremium. Das bedeutet, dass das einzelne Kirchenmitglied nur das Presbyterium wählt und bei der Wahl auf allen höheren Ebenen außen vor ist. Das ist so, also ob im politischen Bereich nur die Bezirksvertretung gewählt werden würde, die dann aus ihrem Kreis den Rat und der dann aus den Ratsmitgliedern den Landtag wählen würde. Und entsprechend zur EKD-Synode gäbe es auch keine Wahl des Bundestages durch alle Wahlberechtigte.
Vor diesem Hintergrund wird klar, wie bedeutsam die Wahl in dem presbyterial-synodalen System ist, als einzige direkte kirchenpolitische Beteiligungsmöglichkeit des normalen Kirchenmitgliedes. Das presbyterial-synodale System ist eins der großen Identitätsmerkmale in der öffentlichen Selbstbeschreibung der Evangelischen Kirchen in Deutschland und hat seine historischen Wurzeln in der Reformation. Sicherlich wurde damals keine Demokratie im heutigen Verständnis gefordert oder gar eingeführt. Aber dem einzelnen Christen wurde eine beschränke Unabhängigkeit gegenüber der Institution Kirche zugestanden und den Gemeinden eine gewisse Selbstständigkeit. Aus diesen zarten Wurzeln entstand das heutige protestantische Verständnis von der Kirche als eine von unten nach oben organisierten und aufgebauten Kirche im Gegensatz zur katholischen Kirche.
Trotz der in die Wiege gelegten Impulse Richtung Demokratie und weg vom autoritären Verständnis katholischer Prägung, haben sich die evangelischen Kirchen in Deutschland schwer getan mit der Demokratie, meint der Münchener Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf. In seinem Buch Kirchendämmerung aus dem letzten Jahr analysiert er im Kapitel zur „kirchlichen Untugend Demokratievergessenheit“ das ambivalente Verhältnis des deutschen Protestantismus zur Demokratie und sieht die Tendenz, dass sich die Kirchenoberen wieder von demokratischen Spielregeln entfernen. Eine grundsätzliche Akzeptanz habe die Demokratie erst weit nach dem zweiten Weltkrieg zögerlich erfahren. Auch vermisse er ein angemessenen Umgang mit antidemokratischen Altlasten des Christentums.
Durch eine in der Demokratie angekommene Kirche sollte – so könnte man denken – aber ein Aufschrei gehen in Anbetracht der Tatsache, dass die Wahlbeteiligung bei Presbyteriumswahlen weit unter der von politischen Wahlen liegen. In den Kirchengemeinden, in denen überhaupt gewählt wurde, lag die Wahlbeteiligung in der EKvW bei der Wahl 2008 bei gerade mal 8,1 % im Durchschnitt, wobei nur 35%, in einem Kirchenkreis gar nur 3,2%, aller wahlberechtigten Kirchenmitglieder überhaupt wählen durften. Damit haben gerade 2,8% der Wahlberechtigten das Ergebnis bestimmt.
Von dem zuständigen Oberkirchenrat Arne Kupke wird nicht von dem Problem einer schwachen demokratischen Legitimierung der Kirchleitung und damit ihres Handels gesprochen und schonungslos nach den Ursachen geforscht, sondern er bedauert nur, dass sich immer weniger Menschen ehrenamtlich für Leitungsämter engagieren wollen. Ähnliche Allgemeinplätze gibt es auch in der lippische Landeskirche zu hören, wo nur in 5 von 69 Gemeinden gewählt wird. Der Theologische Kirchenrat Tobias Treseler kennt die Ursache: „Die Bereitschaft, für das Amt zu kandidieren, ist eher gering und Ausdruck des allgemeinen Trends, dass Menschen angesichts der Arbeitsverdichtung weniger Zeit für ein Ehrenamt haben“. Das mag eine Rolle spielen, aber erklärt sicherlich nicht das Ganze Ausmaß. Für ihn ist aber ausreichend, dass arbeitsfähige Gremien gebildet werden. Ob diese demokratisch legitimiert sind, ist für ihn zweitrangig, so ein Bericht der Zeitung Unsere Kirche.
Konkret bedeutet das für das Ruhrgebiet, dass z. B. in Dortmund nur in sieben von 25 Gemeinden gewählt wird. Auch dort gibt es relativierende und beschwichtigende Worte von Seiten der Kirche. Uwe Bitzel, Sprecher der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund-Lünen, sieht laut den Ruhr Nachrichten die Ursache in der zeitlichen Belastung und den hohen inhaltlichen Anforderungen. Wer das Amt ernst nimmt, ist tatsächlich einigen Herausforderungen ausgesetzt, wie ein Blick in die Kirchenordnung der EKvW Artikel 56 zeigt.
Das Presbyterium hat folgende Aufgaben:
a. Das Presbyterium wacht darüber, dass in der Gemeinde das Evangelium rein und lauter verkündigt wird und die Sakramente recht verwaltet werden;
b. es achtet darauf, dass der Bekenntnisstand und die Ordnung der Gemeinde gewahrt werden;
c. es ist darauf bedacht, dass der missionarische, diakonische und ökumenische Auftrag der Kirchengemeinde erfüllt wird und die Gebote Gottes auch im öffentlichen Leben befolgt werden;
d. es sorgt für die evangelische Erziehung und Unterweisung der Jugend;
e. es tröstet, ermahnt und warnt die Gemeindeglieder und geht insbesondere denen nach, die der Wortverkündigung und den Abendmahlsfeiern fernbleiben;
f. es übt kirchliche Zucht;
g. es beachtet bei seiner gesamten Arbeit die soziale Gliederung der Gemeinde;
h. es nimmt sich der Armen und Hilfsbedürftigen an;
i. es leitet und verwaltet die Kirchengemeinde.
Ähnlich niedrig war die Wahlbeteiligung auch bei der letzten Wahl der EKiR mit ca. 12,6%, wobei die höchste Wahlbeteiligung in der Gemeinde Haldern mit 55,6 Prozent erreicht wurde. Über die niedrigste Quote schweigt sich die Pressemitteilung von damals leider aus.
Selbst im Vergleich zu anderen evangelischen Landeskirchen sind diese Werte sehr niedrig. 2008 lag die Wahlbeteiligung in der Evangelischen Kirche der Pfalz bei 33,1%, die damit eine Spitzenposition in der EKD einnimmt.
In der EKiR versucht man dieses Jahr mit einer seichten PR-Kampagne mehr Mitglieder zu der Wahl zu locken, die für viele schlicht ausfällt. Dafür gibt es z. B. die Internetseite Kirchenwahl2012. Eine Wahl ohne Wahl hinterlässt hinter jeder Entscheidung ein Fragezeichen. Und damit steht auch hinter jeder Wahl einer/s Präses ein großes Fragezeichen und das kann eigentlich keiner der Amtsträger wollen (gleiches gilt für alle anderen gewählten Ämter). Oder nimmt man diese Entdemokratisierung kirchlicher Entscheidungen, Stellenbesetzungen und Stellungnahmen billigend in Kauf? Ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt, kirchliches Handeln und öffentliches Reden in den evangelischen Kirchen wieder auf eine überzeugende demokratisch-repräsentative Basis zu stellen kann man nur herausfinden, wenn man es ernsthaft versucht. Vielleicht muss aber auch das kirchliche Selbstbild reformiert werden und oder Strukturen modifiziert werden. Nur eins ist sicher: Wer sich dieser Diskussion verweigert, hat eigentlich schon längst aufgegeben, einen reformulierten Protestantismus im Kontext der heutigen Zeit genuin demokratisch zu verstehen und zu gestalten.
„In den Kirchengemeinden, in denen überhaupt gewählt wurde, lag die Wahlbeteiligung in der EKvW bei der Wahl 2008 bei gerade mal 8,1 % im Durchschnitt, wobei nur 35%, in einem Kirchenkreis gar nur 3,2%, aller wahlberechtigten Kirchenmitglieder überhaupt wählen durften. Damit haben gerade 2,8% der Wahlberechtigten das Ergebnis bestimmt.“
Hä? Seltsame Dinge spielen sich ab im Reich der Gläubigen: Bei Kirchens dürfen nur 35 bzw. 3,2 Prozent aller wahlberechtigten Kirchenmitglieder überhaupt wählen? Meinem Gehirn fehlt wohl das protestantische Arbeitsethos, um dem folgen zu können.
Das Reich der Gläubigen hatte noch nie etwas mit Demokratie zu tun, denn Gott ist nicht abwählbar und die heiligen Schriften treten die Menschenrechte durch die Bank mit Füßen.
@ Arnold Voss | Sie haben sie offenbar alle gelesen, die heiligen Schriften. Kompliment.
@Thomas Wessel: Bibel- und Trinkfestigkeit sind die geheimen Grundbedingungen um bei den Ruhrbaronen schreiben zu dürfen 🙂
@Thomas Wessel,
So, wie sie diese Frage stellen, klingt das, als ob Sie den Arnold Voß widerlegen könnten. Sie kennen also vermutlich mindestens eine Heilige Schrift, die die Menschenrechte nicht mit Füßen tritt.
Jetzt bin ich aber gespannt. Sagen Sie es uns, welche es ist. Das ist die Gelegenheit überhaupt.
@ Stefan Laurin | In der Kombination wird es sinnvoll, klar. Man hat, nur mal als Info aus einer der heiligen Schriften, Jesus einen Weinsäufer genannt. Kann also nicht so schlecht bestellt sein um die Menschenrechte in der Bibel, wenn sie das ohne Not kolportiert.
Und was die Demokratie angeht: So ein Landtag ist keine Erfindung aus Düsseldorf, sondern aus Sichem. In Sichem haben sie Gott gewählt, in Düsseldorf Genussvermeidungserlasse.
@ Helmut Junge | Die Beweislast liegt fürs Erste bei Arnold Voss.
@ 1 | dwff sagt am 31. Januar 2012 um 16:12
Auf dem Papier sind es natürlich alle Konfirmierten – solange das Wahlrecht nicht aberkannt – , aber wenn gar keine Wahlen stattfinden mangels Kandidaten, sind es plötzlich nur noch ein Viertel (Westfalen) bzw. die Hälfte (Rheinland), die zu einer Gemeinde gehören, in der es eine Wahl gibt. Wo keine Wahl, da kann keiner wählen.
Beim letzten Mal waren es in Westfalen halt noch 35% mit der Möglichkeit, wobei das je nach Kirchenkreis halt unterschiedlich war, in einem Kirchenkreis wohl nur in einer kleinen Gemeinde. Dafür wird es Kirchenkreise gegeben haben, wo die Lage eindeutig besser war.
Also ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, dass sich irgendeine heilige Schrift überhaupt zu dem Thema Menschenrechte äußert (weder positiv noch negativ), da die Idee der Menschenrechte schlicht viel jüngeren Datums ist, als die s. g. heiligen Schriften.
Bevor wir uns hier in „Jeder-hält-sein-Schild-hoch“-Textwüsten ohne wirkliche gegenseitige Annäherung verstricken, würde es mich doch eher interessieren, wie Sie, Thomas Wessel, als Pfarrer diese Problematik sehen. Mich irritiert diese Gleichgültigkeit/Ignoranz gegenüber diese Problematik, die ich wahrnehme. Klar, es gibt sicherlich Gemeinden, wo das anders läuft, aber von Einzelfällen kann man nun nicht mehr sprechen. Mich haben die Zahlen erschrocken, als ich sie gelesen habe.
Ich finde, man sollte nicht auf 2.000 Jahre alte Märchen rekurieren, sondern nüchtern die Kriminalgeschichte des Christentums betrachten. Es ist ein großartiger Quantensprung in der europäischen Kulturgeschichte gewesen, dass die Aufklärung es geschafft hat, die Brutalität und Intolerenaz des Christentums zu zügeln. Hexen und Ketzer landen nicht mehr auf dem Scheiterhaufen. Meinungsfreiheit oder Gleichberechtigung sind Menschenrechte, die seit dem gegen die christlichen Kirchen immer wieder erkämpft werden müssen. Ich bin optimistisch: Die Aufklärung geht weiter. Der Aberglaube kann überwunden werden.
Das „dürfen“ ist hier keine rechtliche Einschränkung – natürlich darf eigentlich jedes Gemeindemitglied wählen. Nur gibt es eben das Problem der fehlenden Kandidaten – wenn es nicht mehr Kandidaten gibt als zu besetzende Plätze, sind die Kandidaten schlicht ohne Wahlhandlung automatisch gewählt. Die Zahlen beziehen sich also wohl auf die Mitglieder der Gemeinden der Landeskirche bzw. des Kirchenkreises, in denen eine Wahlhandlung auch tatsächlich stattfindet.
Deswegen ist das Bedauern des Oberkirchenrats Kupke, „dass sich immer weniger Menschen ehrenamtlich für Leitungsämter engagieren wollen“, auch, anders als der Autor meint, deutlich mehr als ein „Allgemeinplatz“. Dass sich in so vielen Gemeinden nicht einmal genug Kandidaten finden, dass auch tatsächlich eine Wahl stattfinden kann, ist ja auch ein mindestens so großes Problem für die demokratische Legitimation des gewählten Gremiums wie die geringe Wahlbeteiligung. Eher ein noch größeres; denn dass nur der engagiertere Teil der Gemeinde auch zur Wahl geht, ist zwar schon bedauerlich; dass aber Presbyter mangels Auswahl gar nicht mehr gewählt werden, sondern automatisch feststehen, ist für ihre Legitimation eigentlich fatal.
@ #12 | paule t.
Es ging mir auch hauptsächlich genau darum, dass es keine wirklichen Wahlen mehr gibt. Es gibt zum Glück keinen Wahlpflicht in der Demokratie, daher ist auch die Nicht-Teilnahme eine Art Abstimmung. Aber ich muss die Möglichkeit haben mich für oder gegen die Teilnahme zu entscheiden und für eine(n) Kandidaten oder mehrere.
@ Norbert Paul #10 | Ich sehe das so: Demokratie hat keinen säkularen Ursprung, sondern hat sich in der jüdischen Theologie entwickelt. Im Ruhrgebiet dürfte die erste demokratische Ordnung die der Reformierten Generalsynode 1610 gewesen sein. Inzwischen fürchte ich, dass die evangelische Kirche, was ihren demokratischen Zustand angeht, wieder in eine Vorreiterrolle kommt, eine prekäre: nämlich dass es das tatsächlich geben kann, eine Demokratie ohne Demokraten.
Das ist ein ziemliches Problem, das sich in der evangelischen Kirche vielleicht nur exemplarisch zeigt. Die Beteiligungsquote bei Presbyterwahlen liegt, um mal zwei Beispiele zu nennen, oberhalb der Quote, die bei Wahlen zu kommunalen Integrationsausschüssen erzielt werden, und nicht außer Sichtweite der Quote, die es bei Europawahlen gibt. Wie es aussieht, tendiert Demokratie dazu, sich selber auszuhöhlen, dabei kann sie allerdings als Ordnung, als Form, bestehen bleiben. So instabil ist das Ganze offenbar nicht, das ist das Beruhigende daran.
Weniger beruhigend finde ich die Frage, was die Leute machen, wenn demokratisches Leben nicht mehr im eigenen Leben erfahrbar wird, also auch Herrschaft nicht mehr als die eigene erscheint. Aus der Kirche kann man austreten, aber aus der Demokratie?
@ #14 | Thomas Wessel
Ich hoffe, das klar geworden ist, dass ich das nicht für „exklusives“ Problem der Ev. Kirchen halte. Bei weitem nicht. Was aber bei vielen anderen Wahlen mit geringer Wahlbeteiligung gibt, sind durchgeführte Wahlen, also die Möglichkeit auszuwählen.
Die ganten Integrationsausschüsse sind sicherlich nicht so bedeutsam, wie eine Presbyteriumswahl. Die geringe Wahlbeteiligung bei EU-Wahlen ist sicherlich ebenfalls sehr bedenklich.
> Ich sehe das so: Demokratie hat keinen säkularen Ursprung, sondern hat sich in der jüdischen Theologie entwickelt. Im Ruhrgebiet dürfte die erste demokratische Ordnung die der Reformierten Generalsynode 1610 gewesen sein.
Ohne mich da genau auszukennen, ist die Frage, wann Demokratie in unserem heutigen Sinne anfängt. Damals hatten die Frauen und auch viele Männer sicherlich gar keine Rechte, sich einzubringen. Aber ich lasse mich gerne davon überzeugen, wenn es so war, dass auf der Reformierten Generalsynode 1610 alle Männer und Frauen mit gleichem Stimmgewicht in geheimer Wahl wählen durften und die gleichen Chancen hatten, an der Wahl teilzunehmen (weitere Reisewege z. B. hätten viele sich nicht leisten können).
Ich persönlich denke, dass weder die eine Seite, noch die andere Seite das alleinige Recht hat, für ihre Seite die Erfindung/Findung der Demokratie zu beanspruchen.
Egal, wie die Wahlquoten bei anderen Wahlen sind: Eine so niedrige Wahlquote ist ein Alarmzeichen.
> So instabil ist das Ganze offenbar nicht, das ist das Beruhigende daran.
Das stelle ich auch fest, was mich ein wenig beruhigt, aber nicht wirklich.
Ein großes Problem ist die Unkenntnis und das Desinteresse der meisten Journalisten an Vorgängen in der Kirche. Das ist nicht damit zu entschuldigen, dass viele säkular denken:
Die beiden großen Kirchen sind der zweit- und drittgrößte Arbeitgeber Deutschlands nach dem Staat. Hunderttausende arbeiten im kirchlichen Dienst. Gerade in der evangelischen Kirche wäre durchaus genug Öffentlichkeit um auch über skandalöse Vorgänge berichten zu können. Es passiert aber kaum und darauf ruhen sich die Kirchenbürokratien aus.
Nie werden etwa gewählte Mitglieder kirchlicher Synoden (= Parlamente) kritisch befragt warum sie dies und das zulassen. Die Gewählten werden von den Medien nicht zur Kenntnis genommen – dabei könnten sie entscheiden. Wirklich fundierte kritische Berichterstattung? Fehlanzeige. Dabei wäre das im Interesse von Hundertausenden Beschäftigten, von staatlichen Geldern für Kirchengehälter und Einrichtungen und von allgemeiner Forderung nach Transparenz dringend angesagt.
Andere Großinstititutionen werden weit kritischer betrachtet – denkt man an Gewerkschaften oder etwa Sportverbände. Guter Journalismus wendet sich nicht naserümpfend ab mit dem Verdikt „veraltet“ sondern beleuchtet die für die Gesellschaft relevanten bereiche. Und dazu gehören – egal ob man sie mag – die Kirchen.
Ich sage das nicht zur Verteidigung der Scheinwahlen. Aber dass es bei schnellem Googeln etwa in Rheinland, Westfalen und Lippe Hunderte Pfarrer gibt, die ohne dass ihnen eigenes Verschulden vorgeworfen wird in geheimen Verfahren schlicht gefeuert werden erregt jedesmal das heftige Interesse der Lokalpresse. Dass sowas überall passiert fällt aber keinem Redakteur auf. Das System dahinter zu hinterfragen folglich erst Recht nicht.
Ähnlich ist es mit dem Outsourcen gemeindlicher Sozialeinrichtungen, mit den Beschäftigungsverhältnissen von Angestellten, mit sehr weit verbreiteter Minijob-Mentalität durch Kirchenjobs mit nur wenigen Arbeitsstunden und und….
Für all das und mehr tragen Landessynodale und Presbyter (Rheinland/Westfalen) bzw. Kirchenvorstandsmitglieder (Lippe) genauso die Verantwortung wie Kichenleitungen. Journalistische Rechercher und Kritik? Fehlanzeige. Leider.
Hier versagt in meinen Augen die Vierte Gewalt – was viele schwer erträgliche Mauscheleien erst möglich macht.
@ Hans Immanuel Herbers
Die Berichterstattung gibt es doch durchaus, nur zeugt sie tatsächlich leider selten von einer Kenntnis der komplexen Struktur der Kirchen und beschränkt sich auf wenige Themen.
Die Berichterstattung beschränkt sich in der Regel was Recherche angeht auf eine Rückfrage im Landeskirchenamt. Synodale mit abweichenden Meinung fragen? Recherchieren ob es Konfliktze gibt? Fast nie.
Würde man Arbeitsverhältnisse bei Lidl recherchieren – reicht da das Gespräch mit der Firmenleitung? Zusammenschlüsse von Mitarbeitern, Vereinigungen gegen Mobbing in der Kirche, Konvente gefeuerter Pastoren – all das kommt fast nie zu Wort. Und das obwohl etwas googlen schon auf die Fährten führen würde.
So können Landeskirchenämter eben ohne kritische Berichterstattung wie im 19. Jahrhundert schalten und walten.
@ Thomas Wessel # 7
1. Frauen sind Menschen.
2. Die Menschenrechte gelten für alle Menschen.
3. Wer die Gleichberechtigung der Frauen mit Füßen tritt, tritt ergo auch die Menschenrechte mit Füßen.
4. Da die Frauen die Hälfte der Menschheit ausmachen, handelt es sich dabei obendrein um ein auch quantitativ extraordinäres Menschenrechtsverbrechen.
P.S.Dass es zur Zeit der Verfassung der „Heiligen Schriften“ den Begriff der Menschenrechte noch nicht gab, spielt dabei keine Rolle, weil „heilige“ Schriften keine zeitliche Dimension kennen, sprich ihre Gültigkeit per Definitionem nicht zeitlich begrenzbar ist.
Ich denke, dass das Problem wirklich teilweise in der komplexen Struktur liegt und den vielen „Besonderheiten“. Das ist ersteinmal ohne zu werten festzustellen.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn schon die Mehrheit der Presbyter nur ansatzweise das Kirchenrecht kenne, ebenso viele Pfarrer, woher bzw. woher sollen die Journalisten das alles wissen?
Sie sagen, dass die Demokratie nach ihrer Auffassung keinen säkularen Ursprung hätte, sondern sich zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt im Judentum entwickelt hätte. Da muss sich allerdings, aus meinem Kenntnisstand heraus, Widerspruch einlegen.vieles spricht nämlich dafür, dass Demokratie die ursprüngliche gesellschaftliche politische Struktur darstellt.
Zur Zeit der so genannten Entdeckungen und viele der neu entdeckten Völker noch kein Häuptlingstum entwickelt. D.h., sie hatten eine demokratische soziale Struktur. Der Bund der Irokesen spielte als Vorbild für die Verfassung der vereinigten Staaten von Amerika eine große Rolle. Bei den so genannten Naturvölkern in der Prozess zu einer hierarchisch gegliederten Gesellschaft ging nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten.
Die in der Bibel beschriebenen frühsten politischen Formen beschreiben dagegen zunächst eine Herrschaft der Patriarchen, von der sich alle späteren verschiedenen staatlichen Organisationsformen entwickelt haben sollen. gegen diese Ansicht spricht aber einiges dagegen.
Die Archäologie schreibt Kulturen, die sie ausgräbt, dann, wenn kein größeres, als Palast geeignetes Gebäude auffindbar ist, wie Harappa im Industal oder bei der Donaukultur, eine demokratisch organisierte Gesellschaftsstruktur zu.
Es ist meiner Meinung nach übrigens ziemlich sicher, dass sich die nomadische Wirtschaftsform von Viehzüchtern besonders gut für die Herausbildung eines Häuptlingstums eignet. Allerdings hat auch diese Wirtschaftsform ihre Vorläufer, aus denen heraus sie entsteht. Aus der Geschichte kennen wir einige Beispiele von wechselnden Regierungsformen. Hat sich allerdings erst einmal eine Herrschaftsform etabliert, dann fällt es den unterworfenen Bevölkerungen meist recht schwer, wieder eine demokratische Gesellschaftsform herzustellen. In diesem Sinne ist es bemerkenswert, dass Auswanderer, wenn sie im fremden Land angekommen sind, sich zunächst demokratisch organisieren. Übrigens gibt es auch noch eine andere Randgruppe, die sich fast immer demokratisch organisiert hat, und dass man die Piraten. Die ältesten, aus der Antike bekannten Piraten waren die Pryger, von denen die Jakobiner während der französischen Revolution das Modell ihrer Mützen ableitete.und das Piraten tun seinerseits ist uralt. Denken Sie dabei an die Philister, die aus den Seevölkern hervorgegangen sind.
#19 | Arnold Voß
Sie haben die gleiche Vorstellung der Gültigkeit von einer bestimmten Schrift/Schriftensammlung wie religiöse „Fundamentalisten“. Seit der Aufklärung sollte das Bild aber längst revidiert sein, scheint aber selbst in den Köpfen mancher Religionskritiker immer noch zu existieren als einzige reale Gegenwart. Mit so einem Verständnis werden Sie aber nie die religiöse Entwicklungsgeschichte wirklich verstehen können in ihren ganzen Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, als um die es hier geht. Sie dürfen das Bild, dass Sie von Religion haben, natürlich ablehnen. Nur wird das den meisten religiösen Menschen egal sein, weil die sich nicht mit diesem Bild identifizieren und es ebenso ablehnen.
@Thomas Wessel,
sorry, ich hatte die Anrede vergessen. Mein längerer Kommentar von vorhin war die Antwort auf Ihren Kommentar 14.
@Norbert Paul: Das glaube ich nicht wirklich. Meine These: Eine halbe Stunde in 2, 3 Webseiten erklärt die struktur im Prinzip. 15 Minuten Suche und ich habe die gewählten Landessynodalen oder – wenn ich örtlich recherchiere – die örtlich Gewählten. Weitere 10 Minuten und ich habe die Telefonnummern und kann mit Fragen beginnen. Das klappt so bei Recherchen zu Lidl, Fußballbund, Gewerkschaft, SPD, das geht nicht anders bei der Evang. Kirche.
Weder die amerikanische noch die französische Revolution kannte das Frauenwahlrecht. Auch Schwarze und Indianer durften in den USA nicht wählen. In den europäischen Demokratien wurde das Frauenwahlrecht im 20. Jahrhundert eingeführt. Trotzdem betrachtet man die USA nach 1776 und Frankreich als der Zeit gemäß demokratisch.
Ich habe als Student im Burg-Archiv in Iserlohn gearbeitet. Da hatte ich u.a. Originalunterlagen einer Wahl der evangelischen „Größeren Gemeindevertretung“ auszuwerten – Wählerlisten mit angekreuzter Teilnahme aus dem 18. Jahrhundert. Diese Vertretung wählte dann den Kirchenvorstand.
Interessant war, dass 15% der Wahlberechtigten im Verzeichnis Frauen waren. Weiteres Suchen ergab, dass alle erwachsenen Männer wahlberechtigt waren und die Frauen, die – sei es allein oder als Witwe – einem Haushalt vorstanden.
Noch interessanter war, dass zwar etwa 30% der Männer offenbar gewählt hatten – aber keine einzige Frau.
@ Norbert Paul # 22
Ich wüsste nicht, dass die Gleichberechtigung der Frau in den mir bekannten Religionen heutzutage umgesetzt ist. Die evangelische Kirche ist da, und das auch nur zum Teil, eine absolute Ausnahme und zahlenmäßig im Weltmaßstab nicht maßgebend.
Ich wüsste auch nicht wo die heiligen Schriften diesbezüglich offiziell korrigiert worden sind. Die Aufklärung ist nämlich gegen die Kirchen erkämpft worden und nicht durch die Kirchen. Die Kirchen haben sich ihr, und das nur zu einem kleinen Teil, angepasst, nicht mehr und nicht weniger. Auch der religiöse Fundamentalismus ist weltweit zur Zeit nicht auf dem Rück- sondern auf den Vormarsch.
Ich glaube, dass sie es selbst sind, der sich hier die religiöse Welt schön bzw. aufgeklärt, redet, anstatt sich den Tatsachen zu stellen. Was in ihrem eigenen Milieu Standard sein mag ist mitnichten der Stand der religiösen Dinge. Die Mehrzahl der Gläubigen kennt nämlich weder die heiligen Schriften genau noch deren wenige Korrekturen.
Wenn es innerreligiöse Widersprüche gibt, die die Entwicklung vorantreiben, dann haben sie weniger mit den offiziellen Glaubenssätzen und ihrer Interpretation/Exegese zu tun sondern viel mehr mit dem sich ändernden Alltag bzw. mit den gesamtgesellschaftlichen Änderungen, die die Gläubigen außerhalb des Kirchenlebens betreffen.
@ Arnold Voss #26 | Ich wüsste nicht, dass die Gleichberechtigung der Frau in den mir bekannten REDAKTIONEN heutzutage umgesetzt ist. Die Ruhrbarone mögen da, und das auch nur zum Teil, eine absolute Ausnahme sein und zahlenmäßig im Weltmaßstab nicht maßgebend.
Trotzdem und zu unser aller Glück gibt es sie, so wie es die evangelische Kirche gibt. Denken heißt unterscheiden, Aufklärung ist das Vermögen zu differenzieren. Dann kommt man nicht umhin festzustellen, dass es die Aufklärung, die GEGEN die Kirchen durchgesetzt wurde, OHNE sie nicht gegeben hätte. Die Idee etwa, dass es –
dies auch @ Helmut Junge #21
keine Sklaven mehr geben soll – und Sklaverei war die in der Menschheitsgeschichte allgegenwärtige Ordnung, sie ist der gesellschaftliche Naturzustand – ist eben keine der Aufklärung gewesen, sondern eine eminent biblische, und durchgesetzt worden ist diese Idee eben nicht gegen die Kirchen, sondern mit ihnen.
So wie die Idee, dass man sich GOTT WÄHLEN und mit ihm Verträge schließen kann „auf Augenhöhe“, wie man das jetzt nennt, eine der jüdischen Theologie ist, ebenso die Idee, dass jeder – und, Herr Voss: jede! – Gott selber gegenüber treten kann, ohne dass es eines Schamanen oder ähnlicher Vermittlungsinstanzen bedürfte.
Ziemlich viel Demokratie in einer Welt, in der es selbstverständlich war, dass man die, die einen knechteen, auch noch anbetet.
@ Thomas Wessel
Um das gleich klar zu stellen. Ich weiß ihr christliches Engagement zu schätzen und ich weiß auch, dass sie ein überzeugter Demokrat sind. Zumindest im politischen Sinne.
Aber sie sind auch ein bezahlt-aktives Mitglied einer monotheistischen Religion/Kirche, d.h. sie engagieren sich für einen Gott der keinen anderen Gott neben sich duldet. Das ist schon mal per se nicht sehr demokratisch.
Dieser Gott ist obendrein allmächtig und ewig, sprich allzeit und überall der Überlegene. Erklären sie mir bitte, wie man mit einem solchen Wesen als sterbliches Menschlein, das durch dieses Wesen obendrein auch noch geschaffen wurde, auf Augenhöhe verhandeln kann.
Doch höchstens dann, wenn man sich selber zum ewigen Gott erklärt, oder? Für den Fall allerdings ist, wenn ich den Monotheismus richtig verstanden habe, Schluss mit lustig, geschweige denn mit Verhandeln, geschweige denn auf Augenhöhe.
Und war da nicht ein Engel, der die Nummer schon mal durchgezogen hat und dann kläglich als Teufel endete? O.k. er wurde Chef der Hölle, aber er kann nie mehr in den Himmel. Für immer und ewig keine Chance auf Vergebung, keinen Anwalt, geschweige denn ein höheres Gericht, bei dem er Berufung einlegen kann.
Und sie glauben wirklich, dass es ohne diesen Gott und seine Kirche keine Aufklärung gegeben hätte?
P.S. Ach ja, noch ein paar Bibelstellen zur Befürwortung der Sklaverei:
Exodus 21:20-21 , Kolosser 3:22-24 . Epheser 6:5 , Petrus 2:18 usw.
@ all
@ Arnold Voss | Theoretisch mögen Sie recht haben, biblisch nicht, da wird permanent mit Gott verhandelt. Abraham, Mose, die Propheten, Hiob, Jesus, Paulus, das lief alles auf Augenhöhe. In der jüdischen und – vielleicht mit ein paar Abstrichen – protestantischen Theologie geht es ständig darum, das Grundprinzip der Demokratie – gleiches Recht für alle – durchzusetzen. All men are created equal, so eine Idee wächst nicht auf Bäumen.
Und fällt einem nicht wie reifes Obst in den Schoß. Es hat ewig gedauert, bis Leute wie Hugo Grotius die Idee, dass alle Menschen Ebenbild Gottes seien, in gesellschaftliches Recht übersetzt haben.
Zu dieser Übersetzung zählte auch, was Sie mit „höherem Gericht“ meinen: Das höchste, also: letzte oder jüngste Gericht wird nämlich, lt. Bibel, eben keine Willkür sein und kein Zweiklassen-Recht a la Rom oder Athen, sondern es wird ein Maßstab angelegt, der ziemlich genau dem entspricht, was wir heute als Menschenrechte bezeichnen: keiner soll hungern, keiner dürsten, keiner unfrei sein. Allen das Recht auf Obdach, auf Kleidung und medizinische Versorgung.
Sie kennen Michelangelos „Jüngstes Gericht“, es zeigt, welche aufklärende Kraft in der Idee steckt: Auf der Seite derer, die Gott verurteilt und in den Orkus jagt, sind reihenweise Herrschende gemalt, die kirchlichen wie weltlichen, und das als Porträts, fast wie kleine Passfotos. Dass so was überhaupt vorstellbar ist, die Umwälzung aller Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes Wesen ist, das ist für sich genommen schon ein Hammer – Beispiele heute: Irak, Libyen, Syrien … Aber dass solche Umwälzung nicht nur möglich, sondern von Gott gewollt sei, dass es kein Gottesgnadentum gibt auf keinem Thron dieser Welt, das lässt begreifen, warum, um es mit Marx zu sagen, die Kritik der Religion die Voraussetzung aller Kritik ist.
Dass Sie es am Ende sind, der Bibelstellen listet, als sei alles damit gesagt, ist dabei nicht ohne Komik, das kenne ich sonst nur von den letzten Hartgesottenen, wenn sie verzweifelt versuchen, Schwule und Lesben auf Abstand zu halten. Wollen wir hier jetzt ernstlich eine Exegese machen? Eigentlich ging es doch um die Frage, was von einer Demokratie zu halten ist, zu der keiner hingeht.
Hallo,
schön, dass der Artikel Diskussionsstoff bietet. 🙂
@ #18 | Hans Immanuel Herbers sagt am 1. Februar 2012 um 14:03
Die umfassende Recherche ist sicherlich eher auf dem Rückzug zur Zeit bei vielen Journalisten. Inwieweit das Thema Kirche davon überdurchschnittlich besonders betroffen ist, kann ich nicht beurteilen.
Ich denke aber auch, dass die Journalisten auf Hinweise angewiesen sind und die müssen eine gewisse Relevanz haben und Stichhaltigkeit. Das die Themen nicht thematisiert werden, sehe ich nicht so. Zu der gleichen Problematik wie mein bescheidender Artikel, ist z. B. heute der Leitartikel der Zeitung „Unsere Kirche“ – der Wochenzeitung der EKvW. Genau Gelesen habe ich aber noch nicht.
Anderseits muss ich auch sagen, dass ich noch nie wirklich etwas von Synodalen mit Oppositions-Charakter gehört habe. Entweder wird über sie nicht berichtet oder es gibt sie nicht.
@ Hans Immanuel Herbers
Jeder, der bei der Kirche anfängt, kann – wie Sie ja selber sagen – schnell herausfinden, auf was er sich da einlassen wird. Jeder Theologiestudent kann bzw. sollte nach ein paar Semestern wissen, dass Arbeitswelten in der Kirche anders sind. Es gibt – und das ist ohne zu werten festzustellen – schlicht ein eigenes Kirchenrecht und eine Rechtsprechung, die da immer wieder Besonderheiten für korrekt erklärt. Das kann jeder vorher wissen und sich dann überlegen, wie er dies bewertet. Wenn ich es nicht für akzeptabel halte, sollte ich mir überlegen, ob ich dann nicht doch etwas anderes mache sollte.
Vor dem Hintergrund überrascht es mich, dass sich Pfarrer wundern, wenn sie Betroffene der Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechtes etc. werden. Damit will ich nicht in Frage stellen, dass das für die Betroffenen eine Katastrophe sein kann. Diese Sachen gehören aber (als andere Seite der Medaille) mit zu den Vorteilen, die dieses System für die, die darin ankommen, bietet. Und in der Hoffnung auf diese Vorteile, nimmt man dann halt das Restrisiko in Kauf (oder ist blauäugig oder naiv).
Anderseits gibt es das Problem, dass die EKvW etc. alle noch unter der „wir lassen alle durch, die das Examen geschafft haben“-Einstellung vergangener Tage leidet. Schlicht dadurch, dass man mit diesen allen viel zu viele eingestellt hat. Damals konnte man sich so bequem vor dem Entscheiden drücken, nach welchen Kriterien man wen einstellt. Das rächt sich nun zu Lasten von Pfarrern ohne feste Pfarrstelle und des Nachwuchs (soweit es den noch gibt). Inwieweit es unter den nun „Entlassenen“ PfarrerInnen gibt, bei denen diese berechtigt ist nach sinnvoll definierten Kriterien, kann ich nicht beurteilen. Die Aufgabe der Landeskirchen bleibt, dass sie erarbeiten müssen, nach welchen Kriterien Menschen in den Pfarrerdienst aufgenommen werden. Zudem müssen die klarer kommuniziert werden. Die Zahl der Pfarrer abzubauen ist kirchenpolitisch sicherlich sinnvoll, ob das alles koscher abgelaufen ist, wird ja bekanntlich kontrovers diskutiert. Um das beurteilen zu können, fehlen mir die Einblicke in den Prozess.
@ #24 | Hans Immanuel Herbers sagt am 1. Februar 2012 um 15:08
Klar, das kann man schnell rausfinden. Man muss das aber einordnen können, es muss gedeutet werden. Es ging mir mehr um den informellen Teil, das Wissen darum, wie Kirche tickt.
@ 25 | Hans Immanuel Herbers
Interessant! Ist das irgendwo publiziert?
Wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und ökonomischen Status gab? Oder zwischen Wahlbeteiligung und sozialem Status?
Quasi eine Stimme pro Haushalt, die von dem Haushaltvorstand abgegeben werden konnte. Interessant.
@ 26 | Arnold Voss sagt am 1. Februar 2012 um 16:23
> Ich wüsste nicht, dass die Gleichberechtigung der Frau in den mir bekannten Religionen heutzutage umgesetzt ist. Die evangelische Kirche ist da, und das auch nur zum Teil, eine absolute Ausnahme und zahlenmäßig im Weltmaßstab nicht maßgebend.
Selbst wenn: Es widerlegt Ihre Aussage, dass dies grundsätzlich so sei.
Auch in anderen christlichen Kirchen gibt es Pfarrerinnen/Priesterinnen etc. Im Judentum gibt es auch Rabbinerinnen z. B.
@ 27 | Thomas Wessel sagt am 1. Februar 2012 um 18:19
Man schaue sich mal die Gleichberechtigung an in den sich atheistisch verstehenden Ländern an … auch da ist vieles im Argen.
Der Atheismus hat übrings, was Herr Voß die ganze Zeit verschweigt, in der Weltgeschichte auch eine nicht unerhebliche Blutspur hinterlassen. Man denke z. B. an die Sowjetunion und Stalin.
>Dann kommt man nicht umhin festzustellen, dass es die Aufklärung, die GEGEN die Kirchen durchgesetzt wurde, OHNE sie nicht gegeben hätte.
Eine sehr interessante Formulierung dazu, die das Problem gut benennt.
@ 28 | Arnold Voß sagt am 1. Februar 2012 um 21:56
Das Gebot „Du wirst keine anderen Götter neben mir haben“ macht religionsgeschichtlich nur Sinn, wenn ich annehme, dass es vor dem Hintergrund formuliert wurde, dass man von der Existenz anderer Götter wusste. Das Gebot sagt nicht, dass man irgendetwas gegen die unternehmen soll. Nein: Es sagt alleine: Mich gibt’s nur alleine. Ganz oder gar nicht. Um es mal salopp zu sagen.
@ #30 | Thomas Wessel
> Dass Sie es am Ende sind, der Bibelstellen listet, als sei alles damit gesagt, ist dabei nicht ohne Komik, das kenne ich sonst nur von den letzten Hartgesottenen, wenn sie verzweifelt versuchen, Schwule und Lesben auf Abstand zu halten.
Das wundert mich auch, dass das Bild, wie die Bibel zu verstehen ist etc., das von Leuten ist, die völlig marginal sind prozentual gesehen.
>Eigentlich ging es doch um die Frage, was von einer Demokratie zu halten ist, zu der keiner hingeht.
Stimmt 🙂
zu 2 + 9
Menschenrechte sehe ich in der Bibel sehr wohl vertreten.
Die Bergpredigt ist für mich ein Maßstab.
Sollten sich, wohlgemerkt, Menschen aller Coleur daran halten, wäre schon viel gewonnen.
zu 11
Erinnere nur mal kurz an Stalin, z.B.
zu 14
Das ist treffend gesagt: Demokratie ohne Demokraten.
Das ist in kirchlicher und in politischer Dimension so.
XXX
Gleichberechtigung der Frauen in allen Religionen?
Wo? Wie? Wann? Da muß ich lachen, ehrlich gesagt.
Nicht, dass dies schon 100%ig bei uns umgesetzt wäre.
Gott sei Dank sind wir aus dem Mittelalter raus.
Aber es gibt Religionen und Strömungen, die wollen zurück ins Mittelalter.
Weiter bin ich noch nicht gekommen mit dem Lesen.
Schönen Tag für Alle , Katharina
P.S. Thomas Wessel, leben Sie in Duisburg ?
@ Thomas Wessel
Das ist schon seltsam. Wenn sie die Bibel gegen die Sklaverei vereinnahmen dann verstehen sie sie einfach nur richtig, wenn ich aus der Bibel Stellen zitiere, die für die Sklaverei sprechen, bin ich Fundamentalist.
Ich wollte ihnen damit nur aufzeigen, dass man aus der Bibel, dem Koran oder der Thora eine Menge herauslesen kann. Das ist ja das Tolle für alle, die sich damit mehr oder weniger berufsmäßig beschäftigen. Man kann sich so zum Experten aufschwingen, bzw. zum Lehrer und Wegweiser, ja bis zum Stellvertreter Gottes auf Erden.
Sie schreiben, dass ich theoretisch recht haben könnte, dass das aber biblisch nicht stimmt. Sie nehmen die Bibel damit aus jeder vernunftgemäßen Diskussion heraus und erklären sie zur Schrift für Eingeweihte bzw. für Menschen die die Bibel als heilige Schrift akzeptieren.
Für mich ist die Bibel eine Schrift wie jede andere und ich behandele sie auch so. Ich weiß nicht wie man das als vernunftbegabter Mensch anders tun soll. Sie behandeln sie dagegen als selbstreferentielles Werk, dass sich sozusagen aus sich selbst erklärt, wenn man bereit ist, sich als Gottesgläubiger in der speziellen Form des Christen, darauf einzulassen.
Damit kann ich im Prinzip kritisieren was ich will, es ist einfach nicht biblisch und damit für Bibelgläubige irrelevant. So erklärt man seinen Glauben für immun und der, der ihn kritisiert, ist immer der Dumme, bzw. der Ungläubige. Sowas nennt man in der Wissenschaft eine Tautologie.
Die Bibel ist in jeder Weise antiaufklärerisch und sie ist frauenfeindlich. Da ändert auch keine demokratische gesinnter Pfarrer etwas dran, geschweige denn eine emanzipierte Bischöfin.
@ 40 | Arnold Voß
Halten Sie es für möglich, dass eine Religionstradition sich von Teilen ihrer Geschichte emanzipieren kann?
@ Norbert Paul
Das ist lustig, Norbert Paul. Jemand der die Kirche kritisiert und die Bibel für ein antiaufklärerische Buch hält ist für sie zugleich ein Mensch der die Unterdrückung und Auslöschung der Kirchen und des Glaubens a la Stalin will bzw. verschweigt?
Wenn sie hier schon länger dabei wären, dann wüssten sie was ich von der sowjetischen Diktatur halte. Ich bin ein Verfechter der Menschenrechte und damit auch der Religionsfreiheit. Um es ganz praktisch auszudrücken. Ich würde neben ihnen stehen, wenn Jemand ihre Kirche abbrennen wollte.
Aber Religionsfreiheit bedeute nicht nur Freiheit zur sondern auch von der Religion. Und natürlich beinhaltet sie auch die Religions- respektive Kirchenkritik. Z.B.das ihre Kirche ein eigenes Arbeitsrecht hat, sprich dass sie als Tendenzbetrieb z.B. – und ich habe das bei Bekannten erlebt – Ärzte nicht in ein Krankenhaus einstellen, wenn sie keinem bzw. nicht ihrem Glauben angehören.
Mal abgesehen davon, dass die Religionszugehörigkeit nichts mit der Funktion eines Krankenhauses, geschweige mit der Qualifikation eines Arztes zu tun hat, gilt in diesem Fall obendrein, dass eben doch nicht alle vor Gott gleich sind. D.h. wenn es um ihre Macht geht, dann verhält sich auch ihre Kirche weder barmherzig noch demokratisch nach sachgemäß. Auch daran ändert weder ein aufgeklärter Pfarrer noch eine emanzipierte Bischöfin etwas.
Der Monotheismus ist eben nicht ein saloppes „Ganz oder Gar nicht“, sondern ein Kampf um Gläubige und in speziell in Deutschland auch um Steuergelder und er bedeutet auch hier im Ernstfall Erniedrigung, Diffamierung und Exkommunikation derer, die den Herren (Damen sind da eher seltener) der jeweiligen Kirche/Religion ein Dorn im Auge sind.
Historisch war der Monotheismus allerdings Grund für viel Schlimmeres und außerhalb von Deutschland und Westeuropa ist er bis heute nichts anderes als eine potentielle Todesdrohung. Wer nur einen Gott kennt bzw. andere Götter leugnet kann auch nicht wirklich für die Religionsfreiheit sein. Sie bedeutet nämlich auch die freie Wahl des Gottes der einem passt.
@ Thomas Wessel
Dabei ist es völlig egal ob man mit dem dann jeweils auf Augenhöhe verhandelt, ihn/sie einfach nur anbetet oder sonstwie mit ihm/ihr aktiv oder passiv kommuniziert. Ob man direkt vor ihn/sie treten kann oder auf ewig Abstand zu wahren hat. Das kann jeder für sich halten wie er es möchte. Oder wie es in seiner Bibel/Koran usw. steht, bzw. er es gelesen hat, bzw. es ihn gelehrt wurde. Mit irgendeiner Demokratie hat dieses innereligiöse Verhältnis nichts zu tun. Die gesellschaftspolitisch möglich gemachte und gesetzlich abgesicherte freie (Aus)Wahl eines Gottes oder einer Göttin oder gleich mehrer, zeitlich gesehen mit- oder nacheinander, allerdings schon.
@ Norbert Paul # 41
Das ist was zeitlich parallel gelaufen. Deswegen jetzt erst die Beantwortung der Frage, die zweifellos eine gut Frage ist.
Grundsätzlich glaube ich, dass das möglich ist. Die Historie selbst zeigt aber, dass die Befreiung von der Tradition, sofern sie aus religiösen Gründen überhaupt als sinnvoll erachtet wird, bei den Kirchen so langsam verläuft, dass sie eigentlich durchgehend der Zeit hinterherlaufen.
D.h. nicht, dass es in den Kirchen/Religionen nicht immer auch Neuerer gab, die sozusagen der Zeit vorweg liefen. Aber der Umgang der Kirchen mit ihren Neuerern war in der Regel mindestens so brutal, wenn nicht brutaler wie in den politisch/staatlichen Institutionen. Erst recht in der Zeit in der Letztere noch nicht den Regeln der Demokratie folgten.
Das entscheidende Hemmnis erscheinen mir aber die Rolle der sogenannten „Heiligen Schriften“ selbst und damit auch ihrer Verwalter und Interpreten zu sein.
Wer z.B. die letztlich von Vielen geschrieben und äußerst eklektisch zusammengeschusterte und oft fehlübersetze und umskribierte Bibel als nicht mehr oder nur sehr schwer veränderbare Schrift ansieht, der muss sich nicht wundern, dass die Kirchen an ihrer Tradition nicht genesen sondern eher ersticken. Zumindest da, wo die Menschen Religionsfreiheit genießen.
@ Arnold Voss #40 #42 | So zu argumentieren wie Sie, nämlich fundamentalistisch, ist nicht verkehrt, wenn es gegen Fundamentalismus geht: Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde und zwischen den Menschen, die nicht verhandelbar sind, auch demokratisch nicht, da dürften wir uns einig sein.
Aber wenn es das Fundament, auf das Sie Ihre Argumentation aufbauen, um gegen es zu protestieren, gar nicht gibt? „Die Bibel ist in jeder Weise antiaufklärerisch.“ Der Satz ist doppelt falsch, in der Sache wie in seiner Form, einer fundamentalistischen. Und deshalb lächerlich leicht zu widerlegen:
Klassisches Beispiel: Während man allerorten die Sterne angebetet, den Neumond angebellt und Sonnengötter erkoren hat, fängt die Bibel damit an, dass Gott es ist, der Sonne, Mond und Sterne ans Firmament – wörtlich – „angeschraubt“ hat. Antiaufklärerisch? Kein Sonnengott, keine Sonnenkönige.
Zweites Beispiel: Warum werden Göttern – den vielen, und d.h. den vielen hungrigen – eigentlich keine Menschen mehr als Opfer dargebracht?
Drittes Beispiel: die Propheten. Ohne Amos keine Gewerkschaft.
Aber lassen wir das, der Punkt ist, dass, wie Sie schreiben, „die Bibel eine Schrift wie jede andere ist und ich sie auch so behandele“. Täten Sie es doch nur. Dann würde Ihnen zügig auffallen, dass die Bibel in etwa so vielstimmig ist, wie es die Ruhrbarone werden könnten. Keine Passage, die nicht von einer anderen interpretiert und über sich hinaus gehoben würde. Wo es nur 1 Gott gibt, gibt es nicht 1 Evangelium, sondern 4, und in diesen gibt es wiederum verschiedene Stimmen.
Was meinen Sie, warum das so ist?
Und was meinen Sie, warum hat Luther eben diese Bibel übersetzt und das, was Sie eine „Schrift für Eingeweihte“ nennen, in exorbitant hohen Auflagen unter die Leute gebracht? Wirklich, Herr Voss, ginge es darum, die Bibel, wie Sie unterstellen, „aus jeder vernünftigen Diskussion“ herauszunehmen, hätte Luther sie nicht übersetzt und ich nicht argumentiert. Kein Glaube ist immun, meiner schon gar nicht, wie kommen Sie auf so etwas.
@ Katharina #39: Nein, in Bochum. Freiwillig.
@ 42 | Arnold Voß
> Das ist lustig, Norbert Paul. Jemand der die Kirche kritisiert und die Bibel für ein antiaufklärerische Buch hält ist für sie zugleich ein Mensch der die Unterdrückung und Auslöschung der Kirchen und des Glaubens a la Stalin will bzw. verschweigt?
Nein. Ich meine nur, dass beide Seiten, nennen wir sie jetzt einfach mal vereinfacht und im Wissen um die Problematik der Benennung Religion und Ohne-Religion, beide eine lange Geschichte haben zu der eben auf beiden Seiten auch eine ganze Menge Blut floss – jedes mal wurde dafür entweder Religion oder das Konzept Ohne-Religion als Legitimation herangezogen. Wer im Namen von Ohne-Religion mit dem Finger auf Religion zeigt, und sagt „Wegen des Blutes lehne ich das ab“ muss die Frage Beantworten, wie das mit der entsprechenden Geschichte bei Ohne-Religion aussieht (und natürlich umgekehrt auch).
Ich persönlich denke, dass es wenig Sinn macht, Religion und damit auch Ohne-Religion zu weit zu verstehen, denn dann werden das Begriffe, die alles und nix bedeuten und umfassen. Das Problem ist, dass die Bestimmung der Grenzen sehr schwierig ist. Für mich gehört nicht alles sofort zu Religion, sobald es jemand als solches bezeichnet (und umgekehrt auch).
> Wenn sie hier schon länger dabei wären, dann wüssten sie was ich von der sowjetischen Diktatur halte. Ich bin ein Verfechter der Menschenrechte und damit auch der Religionsfreiheit. Um es ganz praktisch auszudrücken. Ich würde neben ihnen stehen, wenn Jemand ihre Kirche abbrennen wollte.
Genauso wie Sie als Vertreter von Ohne-Religion sich von diesem Teil von Ohne-Religion distanzieren, so distanzieren sich auch viele Vertreter von Religion von Teilen von Religion.
Will sagen: Die Bandbreite ist in beiden Sphären sehr groß und man sollte nicht beides als monolithische Blöcke ansehen. Dazu gibt es umfassende Interferenzen, Überschneidungen etc.
> Aber Religionsfreiheit bedeute nicht nur Freiheit zur sondern auch von der Religion.
ja. Das würde glaub ich auch kein Repräsentant der evangelischen Landeskirchen öffentlich bestreiten.
> Z.B.das ihre Kirche ein eigenes Arbeitsrecht hat, sprich dass sie als Tendenzbetrieb z.B. – und ich habe das bei Bekannten erlebt – Ärzte nicht in ein Krankenhaus einstellen, wenn sie keinem bzw. nicht ihrem Glauben angehören.
Ich kann mich nicht erinnern, gesagt zu haben ob ich einer verfassten Religionsgemeinschaft angehöre oder nicht, daher ist das „ihre Kirche“ Spekulation.
Es gibt inzwischen immer mehr Leute, die genau diese Sonderrolle in Frage stellen. Ich gehe davon aus, dass das in wenigen Jahren ein sehr heiß diskutiertes Thema werden wird.
> Mal abgesehen davon, dass die Religionszugehörigkeit nichts mit der Funktion eines Krankenhauses, geschweige mit der Qualifikation eines Arztes zu tun hat, gilt in diesem Fall obendrein, dass eben doch nicht alle vor Gott gleich sind. D.h. wenn es um ihre Macht geht, dann verhält sich auch ihre Kirche weder barmherzig noch demokratisch nach sachgemäß. Auch daran ändert weder ein aufgeklärter Pfarrer noch eine emanzipierte Bischöfin etwas.
Ach, in der Praxis gibt es genug Posten, die dann doch besetzt werden mit Leuten, die nicht Mitglied sind bei Mangel an qualifiziertem Personal oder wenn das Personal ohne Mitgliedschaften besser geeignet ist.
> Der Monotheismus ist eben nicht ein saloppes “Ganz oder Gar nicht”, sondern ein Kampf um Gläubige und in speziell in Deutschland auch um Steuergelder und er bedeutet auch hier im Ernstfall Erniedrigung, Diffamierung und Exkommunikation derer, die den Herren (Damen sind da eher seltener) der jeweiligen Kirche/Religion ein Dorn im Auge sind.
Kirchen etc. sind rein menschliche Organisationsformen, die dazu gegründet wurden, gemeinsam religiöse Bedürfnisse zu befriedigen oder wie man das auch immer ausdrücken will. Damit sind diese Strukturen wie alle menschlichen Strukturen anfällig für „Missbrauch“. Nicht mehr oder weniger als andere Organisationen.
Gerade das Judentum als eine der s. g. monotheistischen Religionen lehnt Mission strickt ab und ist gar nicht auf die Gewinnung neuer Mitglieder ausgerichtet (Ausnahmen mag es auch hier geben).
> Historisch war der Monotheismus allerdings Grund für viel Schlimmeres und außerhalb von Deutschland und Westeuropa ist er bis heute nichts anderes als eine potentielle Todesdrohung. Wer nur einen Gott kennt bzw. andere Götter leugnet kann auch nicht wirklich für die Religionsfreiheit sein. Sie bedeutet nämlich auch die freie Wahl des Gottes der einem passt.
Sie unterstellen allen religiösen Menschen eine Haltung, die religionssoziologisch gerade nicht belegbar ist als Mehrheitsmeinung – zumindestens was Europa anbetrifft. Untersuchungen zu anderen Bereichen der Erde habe ich noch nicht zur Kenntnis genommen zufällig mal.
@ 43 | Arnold Voß
Sie überschätzen die Bedeutung der Schriften, die sie „Heilige Schriften“ nennen ein wenig. Das überhaupt ein Großteil der Leute diese Schriften lesen kann, ist eh eine neue Sache, aber selbst heute lesen viele sich religiös verstehende Menschen die s. g. heiligen Schriften ihrer Tradition nicht. Sie leben stattdessen mit tradiertem Wissen und tradierten Rieten, die sich teilweise sehr stark von den s. g. heiligen Schriften entfernt haben. Ich glaube, dass ein Leben nach irgendeiner heiligen Schrift kaum möglich ist, da dies immer zeitlich kontextgebundene Schriften sind, wenn man darunter versteht, in den Texten eine nicht interpretationsbedürftige Anleitung für das ganze Leben zu finden. Lassen Sie sich nicht durch den längst wissenschaftlich umstrittenen Begriff der Buchreligionen in die Irre leiten.
an 44 Thomas Wessel
Letzte Woche war ich in Bochum. Dort habe ich erfahren, dass es eine besondere Solidaritätsaktion gibt.
Menschen mit einem Ticket der VRR tragen einen roten Button.
Der bedeutet, nach 19 Uhr und am Wochenende nehme ich jemanden auf meiner Karte mit.(Die IDEE stammt aus Colonia)
Auch war ich im Sozialen Zentrum.
Dort gibt es Sonntags den Kostnix-Laden. Dort kauft man keine gebrauchten Sachen, sondern tauscht sie. Eine gute Idee für Menschen mit geringen Einkommen. Alleinerziehende Mütter, Rentner, Hartzler.
Schöne Grüße nach Bochum, Katharina
Wo ist Bebbie ???
# 7: Beginne diese Diskussion erst jetzt zu verfolgen. Aber welche Beweislast soll bei Arnold Voß liegen? Dass Religionen antidemokratisch sind? Dass ich nicht lache.
Alle monotheistischen Religionen (und viele andere auch) gehen von männlich-autoritären Führern aus (in irgendeiner Weise meist als Konstrukt „Gott“ genannt). Historisch gesehen: Patriarchalisch geprägte Fantasien von Hirtenvölkern ff.
Die Hälfte der Menschheit war von vornherein ausgeschlossen: die Frauen.
Sie kommen nur als männliche Fantasien vor (Hure oder Heilige, Mutter oder zu Belehrende/Bekehrende etc.), zu sagen haben sie nichts. Maria ist die Leihmutter Gottes, gefragt hat sie keiner.
Die Götter: Männerfiguren, die Göttersöhne: Männerfiguren; die Propheten und Jünger: Männerfiguren. Die Kirchenfürsten: Männer. Die Frauen in der Kirche: Zugang verboten oder bitte in die letzte Reihe. Die sogenannten Heiligen Schriften: Männerfantasien. Die Evangelisten: Männer. Die Kirchen: Männerbünde.
Später die Frauen dann: Hexen.
Religionskriege: Männerkriege mit vielen Frauenopfern. Religionen und Menschenrechte? Ach, du liebe Güte. Schon John Locke begann langsam die Idee der Menschenrechte aus den Naturrechten zu entwickeln. Noch brauchte er das Konstrukt „Gott“ als Hilfsargument und Zulieferer, um diese aufmüpfige Idee gegen Könige/Päpste durchzusetzen, die ihre Macht selbst wiederum als von Gott gegeben ableiteten, um unangreifbar zu sein und den pöbel zu disziplinieren. Danach war dann nach und nach endlich eine Moral ohne Gott, verhandelbar unter selbstdenkenden Menschen vorstellbar und an ihr wird bis heute gegen alle Widerstände der Kirchen gearbeitet.
# 27: Herr Wessel, müssen wir jetzt wirklich schon wieder eine Diskussion führen, die wieder einmal nachweist, dass die Bibel ein von Menschen gemachter Blockbuster-Sampler und Masterplot ist, der so ziemlich alle Motive, Ideen, Geschichten aus Vorläufer-Götterwelten-Fantasien zusammengekratzt hat und neu montiert? Dazu wurden unangeliebte und in sich widersprüchliche Fantasien der sog. apokryphen Evangelien einfach ausgemustert. Die Bibel ist selbst als Evangelienbuch nur die Beta-Version 5.0.
Doch zuvor hatte nicht nur der Zoroastrismus bzw. Zarathustrismus z.B. schon das Gute/Böse, also Gott/Teufel erfunden; auch griechische und chinesische Philosophie kannten schon die Idee menschlicher Selbstkultivierung und Moral. Und die Himmelfahrt haben die Ägypter Jesus vorgemacht, die waren mit ihrem Sputnik ebenso eher im weltraum wie die Russen vor den Amis. Das Copyright liegt also hier bei den gypgtern (und die hatten’s wohl auch schon geklaut).
Und dass aus den polytheistischen Religionen zunehmend monotheistische Religionen wurden, hatte natürlich auch damit zu tun, dass immer mehr und immer stärkere männliche Führerfiguren in Großreichen auch historisch den Ton angaben. One-man-shows eben, historisch wie in den Kulten Abergläubischer. Eine von vielen Göttern besselte Natur wurde nicht mehr gebraucht; man wusste schon mehr und die menschlichen Gesellschaften funktionierten auch eher schon so autoritär-führerzentriert wie die Götterwelt. Du sollst Dir ein Bildnis machen.
Die Bibel ist keine Offenbarung; der Anspruch, sie sei es, ist eher ein Offenbarungseid in Sachen historischer Unkenntnis.
# 30 Thomas Wessel: Was für ein Argument:
„@ Arnold Voss | Theoretisch mögen Sie recht haben, biblisch nicht, da wird permanent mit Gott verhandelt. Abraham, Mose, die Propheten, Hiob, Jesus, Paulus, das lief alles auf Augenhöhe.“
???
Sie berufen sich allen Ernstes darauf, dass in einem von Menschen gemachten Buch so etwas wie literarische Figuren mit einer literarischen Figur namens „Gott“ verhandeln – und das soll was beweisen?
Natürlich hatten die von Menschen gemachten Fantasien in den Religionen (sozusagen aus der Kindheit der Menschheit stammend) auch Inhalte, Motive, Figuren etc., die positiv zu werten wären. Aber eben als progressive menschliche Fantasie, emanzipatorische von Menschen gemachte Literatur. Mehr nicht. Und leider beinhalten die sogenannten Heiligen Bücher auch vieles andere, etwa bösartige Fantasien zu Heiden, eta Aufforderungen zum Töten von Ungläubigen. Da ist ganz schnell Schluss mit lustig und Liebe!
Dass Arnold Voss sich gelegentlich auf Bibelstellen bezieht, beweist nur, dass man, wenn man von der Entwicklung menschlicher Ideen sprechen will, eben auch unreife Stadien dieser Entwicklung, die man überwinden sollte, noch einmal aufführt und reflektiert. Es beweist nicht, dass es nicht auch ohne ginge. Heute jedenfalls. Mit geht’s sowieso schon lange nicht mehr.