Was sind wir bereit für Musik zu zahlen? Bochumer Forscher suchen mit einem Experiment nach Antworten.
Eine Branche kämpft ums Überleben. Das Wasser steht ihr bis zum Hals und es ist nicht klar, welche klangvollen Namen bald vielleicht verschwinden werden.
Nein, die Rede ist nicht von den Banken, sondern von der Musikindustrie – wenn man dieser darbenden Branche überhaupt noch den Titel "Industrie" zugestehen möchte – immerhin reden wir ja auch nicht von der Holzschuhindustrie.
Immer weniger CDs werden gekauft, und das Wachstum der Onlineshops kann den Rückgang der Verkäufe nicht kompensieren. Die Gründe sind vielfältig: Der demographische Wandel, die Entmystifizierung der CD durch den Brenner, miese Bands und sicher auch alles, was nach Napster kam.
Nachdem die Branche mittlerweile aufgehört hat, jeden Kunden als potentiellen Verbrecher zu sehen und nicht mehr darauf besteht, jedes Stück mit einem Kopierschutz zu versehen, wird nun mit neuen Vertriebswegen experimentiert. Vor allem einzelne Bands setzen darauf, ihre Stücke zum Download anzubieten und die Bezahlung den Kunden zu überlassen. Die britische Band Radiohead hat ihr Album In Rainbows auf diesem Weg angeboten – und 62 Prozent griffen zu, ohne zu zahlen. Aber immerhin: 38 Prozent haben bezahlt, und um die geht es bei einem Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Marketing an der Ruhr-Universität Bochum. Bei dem Projekt wird über eine Internetseite ein Album der Band Tellaro zum Download angeboten. Die Nutzer entscheiden selbst, wie viel sie für das Album bezahlen möchten und werden zu einer Paypal-Site weiter geleitet. Ganz umsonst bekommt man das Album jedoch nicht: Mindestens 40 Cent PayPal-Gebühren kostet der Spaß, und nach dem Kauf kommt noch der Fragebogen: Mit dem wollen die Forscher nach dem Download die Motivation der Nutzer in Erfahrung bringen.
>Eine Branche kämpft ums Überleben. Das Wasser steht ihr bis zum Hals und es ist nicht klar, welche klangvollen Namen bald vielleicht verschwinden werden.
Ähem. Das hat man vor etwa sieben, acht Jahren gesagt.
Als das von Shawn Fanning für Napster genutzte Prinzip des Peer-to-Peer auch im Mainstream des Netzes angekommen ist.
Mittlerweile ist die Musikindustrie nur noch tot. Aber der Leidensdruck zum völligen Absterben reicht noch nicht hin. (-:
Enden wird das alles in einer Kulturflatrate.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturflatrate
Daß die Musikindustrie völlig tot ist, merkste übrigens auch am irrwitzigen Anstieg der Ticketpreise für Livekonzerte der großen Namen.
Von irgendwas müssen die Künstler und ihre Entourage nebst Bagage ja leben.
Wenn schon keiner mehr Tonträger kauft.
Dylan etwa konnte man in Vorinternetzeiten in der Grugahalle locker fürn freundlichen Zwannie hören.
Bei der aktuellen Europatournee des Meisters werden einem in der des Sprengels Ruhr nächstgelegenen Spielstätte Amsterdam-Arenea im April über Vorverkaufsbuden about Hundert Euro abgeknöpft.
Den Preisanstieg kannste mit Inflationsausgleich nich‘ erklären. (-;
Also, ne Bekannte von mir hat ja ihren Magister über das Thema „Rezeption von Franz Ferdinand in Deutschland“ bekommen. Okay. Und ich habe in dem Segment zu tun. Auch irgendwie ein Spezialfall, sicher. Aber was das hier für eine armselige Versuchsanordnung ist, da muss ich dann doch fast lachen! (Danke, Stefan.)
a) kümmert sich wahrscheinlich niemand darum, dass ein Album so einer unbekannten Band überhaupt umsonst zu bekommen ist. b) ist die Abstrahierung von dieser einen Band auf den Markt und die gesamten üblichen (Werbe-)Mechanismen ja wohl nicht zu leisten. Und c) – um hier aufzuhören – ist alles eh wieder woanders bis die fertig sind und dann nehmen immer noch alle Hörer was sie haben können wollen.
Da kann also nur Murks dabei rauskommen, bei der Sache – oder irgendetwas vorher schon Gewolltes. Und dazu kann man ja dann hinterher mal kulturpolitisch prüfen ob man das Ergebnis mag – falls einem das dann relevant erscheinen sollte. Sorry, Bochum, aber das ist mir jetzt sehr unangenehm für Eure zukünftige Marketingelite.
Die Versuchsanordnung kommt mir auch komisch vor. Zumal die Band wirklich sehr unbekannt ist. Wie sagt man so schön: was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Und kaufen wird er es wohl schon gar nicht.:-)
Da fand ich die Versuchsanordung „Radiohead“ schon viel aussagekräftiger. Letzendlich ist das Problem aber auch nicht, ob die Leute für Musik zu zahlen bereit sind – das Problem ist, dass man die Ware Musik noch sehr einfach klauen kann. Wenn man – ohne große Konsequenzen fürchten zu müssen – Autoreifen aus dem Web downloaden könnte, dann hätte die Reifenindustrie wohl auch ein Problem.
Mit verschärfte Strafandrohungen allein kommt man aber auch nicht weiter. Die Musikindustrie muss ihre Produkte neu verpacken und zusammenstellen, damit der Kauf wieder zu einem Mehrwert wird. Es gab ja schon immer Mix-Tapes und Leute, die Musik aus dem Radio aufgenommen haben, nur waren das gestaltete Booklet oder Kaufanreize wie Hidden Tracks immer stärker als die Umsonst-Ausgabe.
Ich bin mir aber sicher, dass die Musikindustrie Lösungen finden wird. Denn ohne Musik wollen die wenigsten leben – und wenn keiner mehr zahlt, geht Qualität verloren.
@ Mit-Leser:
„Wenn keiner mehr zahlt, geht Qualität verloren?“ Das einzelne Album hat vielleicht nicht mehr so einen hohen Stellenwert für die hörende Person – (Werte-)Inflation – und die Musikindustrie fördert nicht mehr MusikerInnen wie zuvor. Aber ein guter Produzent ist eben nicht alles, und nach guter Musik muss man vielleicht mehr suchen, da einem nur noch Werbung für „todsichere Themen“ um die Ohren gehauen wird. Und auch hier: Damit erstmal Schluss.
Meine Meinung: Seit kaum mehr einer zahlt, interessiert der gleichgeschaltete Mainstream weniger denn je und es herrscht der Mainstream der Minderheitenhörgewohnheiten. Nur erzählt davon natürlich niemand über die Unterhaltungsindustriemedien, wie sie noch in den 90ern z.T. vorherrschend waren. Die brauchen nämlich den alten Mediamix um zu funktionieren.
Und das mit den Bonus-Tracks oder anderen „Mehrwert-Schaffungs-Maßnahmen“ ist wie mit der Franz Ferdinand Vinylbeilage im neuen Musikexpress: Nett, aber nur ne schöne Geschichte am anderen Ende des Megatrends. Die einen schlafen beruhigt ein, die anderen gähnen kurz und machen dann weiter.
Als P.S. ein kleiner Print-Tipp: Jungle World von heute kaufen, Titelthema. 🙂
https://jungle-world.com/
@Jens Kobler: Grundsätzlich gebe ich dir Recht. Allerdings kenne ich einige wirklich gute Bands aus dem Indie-Bereich, die inzwischen nicht mehr wissen wie sie ihren Job finanzieren sollen. Der Mainstream füllt ja weiter die Hallen oder wird in Millionen-Shows wie DSDS gebastelt. Die kleinen und mittleren Bands dagegen finden immer seltener lohnenswerte Auftrittsmöglichkeiten – und davon, dass einen alle auf myspace besuchen kann man leider auch nicht leben. Und die großen Labels haben leider auch immer weniger Budgets um kleinere Bands zu signen und behutsam aufzubauen.
Die Hörer müssen entscheiden was sie wollen: eine vielfältige Kulturindustrie oder Amateurbands. Ist grundsätzlich auch eine Frage der Moral. Illegale Downloads sind Diebstahl geistigen Eigentums. Wobei Sex, Drugs & Moral auch ziemlich uncool klingt. Daher muss man den Hebel eher bei der Gestaltung der Produkte ansetzen.;-)
Sorry, aber ich war da immer auf der Seite derer die sagen dass eine Band eben kein Job ist. Und wenn sich Bands dann sogar auf die Seite der Industrie stellen, dann interessieren die mich nicht. Und Raps über ehrlose Manager und Texte über Drogengewohnheiten von Ex-Groupies will ich auch nicht. Und gerade Auftrittsmöglichkeiten sollte es für wirklich interessante Bands immer noch geben. Einfach mal deklarieren „Ich bin der 21st century Bowie von Bochum“ darf dafür übrigens z.B. auch nicht reichen. Als Künstler hat mensch auf diese Situation zu ragieren bzw. noch besser zu agieren und nicht mit den Wölfen zu heulen. Ob das Eigenständige bei der Gestaltung der Produkte oder beim Kunstverständnis anfängt? M.E. bei letzterem. Der Rest ist Soundtapete.
@Jens: Hab mir gerade mal erlaubt auf deinen Namen zu klicken. Denke, du wurdest für deine Arbeit bei den Zeitungen ja auch bezahlt. Und ich finde das gut so. Wenn man sich dank Bezahlung auf eine Sache fokussieren kann, fördert dies die Exzellenz. Zeit ist in unserer Welt ein Luxus, den man sich erst einmal leisten können muss.Und Bands müssen Zeit haben zu üben, zu komponieren und an ihren Shows zu feilen. Warum? Weil ich bei Arcade Fire eben mehr Spaß habe, als bei einer Amateur-Band, die sich nur zweimal die Woche trifft. 😉
„Die Industrie“ ist irgendwie immer so ein Schlagwort. Es gibt ja nicht nur die großen Konzerne, sondern auch kleine Labels, die durch den Musik-Diebstahl nicht mehr weiter existieren können.
Die Situation ist ja auch nicht so, wie z.B. bei der Ruhrkohle. Es geht nicht um Subventionen für überkommene Strukturen, sondern um Diebstahl geistigen Eigentums, das sich weltweit einer großen Nachfrage erfreut. Stell dir einfach mal vor, du stellst Autoreifen her und deine Reifen werden im großen Stil gezockt. Wenn dann einer sagen würde, dass er das Herstellen von Autoreifen sowieso nie als Job bezeichnet hat, würde dir das wohl auch ziemlich komisch vorkommen.
In Deutschland tut man sich schon immer schwer mit den großen K-Worten „Kunst“ und „Kommerz“. In England oder den USA, nicht zufälligerweise die Länder, die die meisten großen Bands hervorgebracht haben, denkt man ganz anders: Kreativität braucht professionelle Strukturen – und Diebstahl zerstört solche Strukturen. Ganz gleich, ob es um unkonventionelle Indie-Bands geht oder Plastikpop-Produkte.
Ich hab mir jedenfalls den Großteil meiner Musik bei ITunes gekauft – und ich empfinde es als gutes Gefühl, damit jene Leute zu unterstützen, die mir den Soundtrack zu meinem Leben schreiben.
@ Mit-Leser:
Also, das können wir dann gerne beim nächsten Ruhrbarone-Event musikalisch vertiefen, aber ich kaufe natürlich gerne direkt bei den Bands. Denn die sind eben nicht Angestellte von wasweißich Tim Renner, Bertelsmann oder Universal. (Insofern auch: F*** die „Exzellenz“ in vielen dieser Firmen-Moloche.) Und um diese Strukturen aufzubrechen braucht es eine andere Denke, gerade und immer noch hierzulande. Die kleinen Label hängen oft am Tropf der großen (Vertriebe) oder können gar nicht genug leisten. Künstlerische Kontrolle über das eigene Output? Denkste! Sollen also ruhig alles im eigenen Umfeld wachsen lassen, sonst hängen sie an schnell veralteten Verträgen gerade ihrer tollen Indie-Label und gucken in die Röhre. Und wo fördern denn in Deutschland die Charts orientierten Label und Vertriebe künstlerische Eigenständigkeit? Oder Exportfähigkeit? Gut, Gegenbeispiel im Teeniesektor Tokio Hotel. Und es gibt immer mal welche, die sich ium kleineren Rahmen zeitig gut international aufgestellt haben – was auch für viele DJs und Produzenten gilt. (Und die landen wenigstens nicht im Zweifel beim Theater.) Ich glaube an DIY bis mensch „groß“ genug ist, und das ist m.E. gerade jetzt genau richtig. Was die A&Rs nicht frei spricht, im Gegenteil.