Explosion in Motherwell

Vor einiger Zeit sah ich in meinem Fernsehapparat einen Werbespot für ein anderes Farbfernsehgerät, durch das selbst Plattenbausiedlungen ein rot-grün-blaues Wunder erleben sollen. Gedreht wurden die Farbexplosionen am Bau rund um Glasgow. Wer Hinterlassenschaften von staatlichen Wohnungsbauprogrammen schätzt, wer angegammelte Hochhaussiedlungen mag, der kommt in Schottlands Süden auf seinen Kosten. Und das Städtchen Motherwell ist eine Hochburg für Wohnbeton auf grünem Hügelland. Ein Leverkusen der Lowlands. Nicht nur architektonisch.

Den heimischen Fußballclub erreicht man nach einem Halt an einem mickrigen Regionalbahnhof und einem Spaziergang vorbei an Grünflächen, Verkehrskreiseln, einem Pub, einem Autohaus, einer Lackiererei, plötzlich dem Stadtzentrum, Matrazenlager, noch einige enge Siedlungsstraßen, und so weiter.
Motherwell, the Steelmen, spielen in den Farben Gryffindors (oder umgekehrt) und machen gerade eine schwere Zeit durch. Sie trauern um ihren Mannschaftskapitän, vor dem Stadion und dem Social-Club liegen Schals, Trikots, Blumen für Phil O’Donnell, der auf dem Spielfeld zusammenbrach. Herzanfall. 35.
O’Donnell ist erst vor ein paar Jahren nach Motherwell zurückgekehrt, nach langen, durchwachsenen Jahren bei Celtic Glasgow und Sheffield Wednesday. Das Verletzungspech blieb ihm auch in Motherwell treu. Erst in dieser Hinrunde konnte der Mittelfeldregisseur konstant mitspielen und jetzt dieser Schock.
Zwei Gedanken:
1) Schotten (und Briten) können großartig trauern. Dann kommt etwas zum Vorschein, was auch der Fußball nicht hervor lockt. Ich sah einen historischen Heimsieg gegen Angstgegner Inverness, doch das Stadion lehrte sich still, schnell und sachlich. Jetzt glitzern die Pfützen golden-rot,  Blumen, eine Farbexplosion auf dem Dezemberasphalt.
2) Das Fußballer immer häufiger einfach umkippen und sterben, ist hoffentlich nur ein Zufall. Ich erinnere mich an diese Dokumentation im Fernsehen. An dickblütige Radfahrer, die mitten in der Nacht auf Hotelfluren herum hüpfen, aus Angst vor einem Herzanfall.

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