Macht man schon vor einer emotionalen Auseinandersetzung verbal ein großes Fass auf, sollte man sich in der Sache dann auch durchsetzen, wenn es zählt. Gelingt dies nicht, sieht man ansonsten ziemlich blöde aus. Diese bittere Erfahrung mussten am vergangenen Wochenende die Fans des VfL Bochum machen.
Vor dem mit Spannung erwarteten Wiedersehen mit Ex-Trainer Thomas Reis, der am Samstag mit seinem neuen Klub, dem FC Schalke 04, im Bochumer Ruhrstadion zum ‚Kleinen Revierderby‘ zu Gast war, wurden bei vielen Erinnerungen an den unschönen Abgang des Coaches im vergangenen Herbst wach.
Reis, der im vergangenen Frühsommer den VfL zu einem überraschend ungefährdeten Klassenerhalt in Liga 1 geführt hatte, fiel an der Castroper Straße rasch in Ungnade, als seine angeblichen Gespräche mit den Schalkern über ein zukünftiges Engagement in Gelsenkirchen öffentlich bekannt wurden und zugleich der Saisonstart in Bochum sportlich misslang. Es folgte seine überraschend frühe Freistellung und kurz darauf tatsächlich auch der sich bereits in den Augen vieler zuvor anbahnende Vereinswechsel in Richtung des Ruhrgebietskontrahenten.
Seitdem ist der Name Reis in Bochum endgültig ein Reizwort. Dass sich der Trainer bei seiner ersten offiziellen Rückkehr ins Ruhrstadion mit Kritik auseinandersetzen müsste, war daher klar. Dass sie teilweise so entglitt, wie dann am Samstag überall zu sehen und zu hören war, der einstige Fanliebling aller Bochumer sich sogar als ‚Bastard‘ betiteln lassen musste, schoss dann jedoch mächtig über das Ziel und den üblichen Rahmen solcher Kritik hinaus.
Reis reagierte im Stile eines Profis, er ignorierte die Schmähungen größtenteils, versuchte sich von diesen möglichst unbeeindruckt zu zeigen und sich ganz auf seinen Job zu konzentrieren. Dass seine Schalker sich am Ende in Bochum sportlich auch auf dem Rasen mit 2:0 durchsetzen konnten und damit die ‚Rote Laterne‘ in der Tabelle zugleich an den VfL weiterreichten, dürfte für den Coach die ideale Antwort auf all die Beleidigungen aus der Bochumer Fankurve gewesen sein.
Und die Fans der Heimmannschaft? Die kassierten für ihre bei aller vielleicht grundsätzlichen Berechtigung für Kritik an Reis‘ Verhalten für ihre Entgleisungen im eigenen Stadion die Höchststrafe. Der Ex-Coach überholte mit seinem neuen Team ja nicht nur den VfL in der Tabelle, er setzte zugleich auch seine gute Serie von sechs ungeschlagenen Begegnungen in der Rückrunde (2 Siege, 4 Unentschieden) souverän fort, tankte dadurch auch frischen Mut für das nun wartende ‚große Derby‘ gegen den BVB.
Reis machte den Bochumern, deren einstige Heimstärke unter Neu-Trainer Thomas Letsch inzwischen nur noch eine vage Erinnerung zu sein scheint, zugleich deutlich, dass es damals unter seiner Regie durchaus schon gute Gründe dafür gab, dass sein Saisonstart mit dem VfL nicht so gut ausfiel, wie viele Bochumer Anhänger es sich gewünscht hätten.
Dass der VfL nach 23 Begegnungen in der Saison 2022/23 Tabellenplatz 18 innehat, ist ja kein Zufall. An der im Vergleich zur Vorsaison enttäuschenden Runde konnte auch der Trainerwechsel in der Hinrunde bisher nichts ändern. Aktuell zeigen die Auftritte der Bochumer, dass sie es extrem schwer haben dürften, dem drohenden Abstieg noch einmal zu entkommen. Von der Souveränität des vergangenen Jahres einmal ganz zu schweigen.
Ein aktueller Blick auf die Tabelle der Bundesliga sollte allen Bochumern noch einmal ganz frisch verdeutlichen, wie toll und außergewöhnlich die vergangene Saison unter dem Trainer Thomas Reis doch gewesen ist. Schade nur, dass die vielen schönen Erinnerungen daran durch diese unsäglichen Schmähungen an diesem Wochenende von großen Teilen der Anhängerschaft des VfL noch einmal so kräftig mit Füßen getreten wurden!
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