Fateful Months

Reste einer deutschen Einheit kapitulieren, Dezember 1941 Foto: RIA Novosti archive, image #375 / Victor Kinelovskiy Lizenz: CC-BY-SA 3.0


Fateful Months nannte Christopher Browning in einem grundlegenden Werk zur Genesis der Shoa die zweite Jahreshälfte 1941. Als Fateful Days könnte man jene Tage von Mitte November bis zum 11. Dezember vor 77 Jahren bezeichnen, denn sie entschieden ein halbes Jahrhundert bis zur nächsten Zeitenwende im Jahre 1989, auf für die Heutigen nicht mehr nachvollziehbare Weise menschenverschlingend.  Von unserem Gastautor Manfred Barnekow.

Europa

Einen Monat zuvor glaubte sich die Wehrmacht vor dem deutschen Sieg. Die Fantasien der Vernichtungskrieger tobten, ein besetztes Russland in zwei Teilen strebten sie an, einen wirtschaftlich ausbeutbaren und einen, in dem die Menschen zu Grunde gehen sollten, sie nannten das Generalplan Ost und sahen 30 Millionen Verhungerte vor. Der Massenmord an den Juden Russlands hatte mit dem zweiten Tag des Überfalls auf die Sowjetunion begonnen, erst nur an den Männern, als Proteste der Wehrmacht ausblieben, alle Dienststellen kooperierten, auch an den Frauen und Kindern. Polizisten und SS Männer erschossen sie von Ort zu Ort ziehend, gleich hinter der Front. Nach dem Krieg, hatten die Mörder beschlossen, sollten alle Juden Europas vernichtet werden und “nach dem Krieg” hieß für die Siegestrunkenen im nächsten Frühjahr. Die Vorbereitungen zur Ermordung aller Juden im deutschen Machtbereich waren abgeschlossen, die Methode, das Vergasen, war festgelegt und würde die Erschießungen ablösen, Belzec war in Bau, Sobibor und Treblinka folgten, in Auschwitz wusste Höß, was auf ihn zukam, arbeitete an der Umsetzung. Die Deportationen der deutschen Juden begannen in diesen Wochen, nach Riga, Wilna, Lodz und Minsk, wo sie entweder gleich erschossen wurden oder entsetzliche Monate noch auf den Tod zu warten hatten.

Taifun hieß die Operation, mit der die Deutschen Moskau erobern und den Krieg gewinnen wollten. Noch einmal gelangen ihnen beispiellose Siege, Kesselschlachten mit mehr als 600.000 Gefangenen und vermutlich sowjetischen Gesamtverlusten im Millionenbereich. Doch ihre Hybris war ihr Verhängnis. Als sie auf Moskau zustießen, begann es zu regnen, wie in jedem Jahr in Russland und alle Wege verwandelten sich in Schlamm. Sie hatten es gewusst und doch geglaubt, das würde schon klappen. Der Angriff blieb stecken und erlaubte den Sowjets sich zu ordnen. Des Führers Soldaten mussten auf den Frost warten und hatten in der gänzlichen Unterschätzung der Kräfte des Gegners sich nicht einmal auf den Winter eingerichtet. Doch auch jetzt trat keine militärische Vernunft an die Stelle des Rausches, nicht bei Hitler, nicht bei seinen Generälen. Sie erhoben sich aus dem Schlamm, wie Theodor Plivier formulierte, ihre erschöpften Truppen griffen den Gegner an, dessen Reserven sich als unerschöpflich erweisen sollten. Am 25. November hatten sie Klin genommen, an diesem 26. Istra. Damit stürmte die Panzergruppe 4 auf Moskau zu. Ihr OB hieß Hoepner und wird nach dem 20. Juli von Hitlers Schergen erhängt werden. Von verbissener Entschlossenheit war der Mann auf der anderen Seite, der jeden Meter verlustreich machte. Er kommandierte die 20. Armee, sein Name war Wlassow. Wenige Monate danach geriet er in Gefangenschaft und versuchte mit Hilfe der Deutschen eine russische Armee gegen Stalin aufzubauen. 1946 wird er dafür ebenso am Galgen sterben. Die Geschichte hält stets einen bösartigen Sarkasmus bereit.

Fernost

Im Fernen Osten tobte der Krieg seit 1937, was die eurozentrierte Weltsicht gern vergisst. Japan versuchte, Chinas Ressourcen an sich zu reißen. Bis zum Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion stellte die Grauenhaftigkeit der japanischen Kriegsführung alles in den Schatten, was die Deutschen bis dahin begangen hatten, die Ermordung von weit mehr als 200.000 Menschen nach dem Einmarsch in Nanking, auf nicht beschreibbare Weise, ein Tiefpunkt der Geschichte. Die Regierung der USA betrachte die kriegsverbrecherische Expansion mit wachsendem Unwillen, aber der mehrheitlich getragene Isolationismus der Bevölkerung machte aktives Vorgehen unmöglich, so wenig, wie Roosevelt dem bedrängten England mehr Hilfe gewähren konnte, als Material. Der deutsche Sieg im Westen verschob die Kräfte erneut. Japan begann seinen Rohstoffhunger damit stillen zu wollen, Indochina und Indonesien sich aus den französischen und niederländischen Kolonialreichen zu holen, deren Mutterländer gerade vom deutschen Verbündeten erobert worden waren.

Die USA

Jetzt reagierte der US Präsident. Er ließ die Konvois, mit denen die Briten ihren Nachschub über den Atlantik brachten, bis zur Hälfte von US Kriegsschiffen begleiten, was die Deutschen vor die Wahl stellte, mit den U-Booten entweder den Krieg gegen die USA wie 1917 zu riskieren oder die Konvois durchzulassen, solange US Schiffe sie begleiteten, was Hitler und die Marineleitung wenig amüsierte. Er führte die allgemeine Wehrpflicht ein, um das weitgehend abgerüstete Amerika mit einer Armee zu versehen und er erließ ein Embargo für Öl und andere Rohstoffe gegen Japan, für das Reich des Tennos mittelfristig die Erdrosselung. Als Alternativen stand Nippon nur noch offen, sich aus den gerade besetzten Gebieten zurück zu ziehen und dazu den Krieg mit China zu beenden oder die USA anzugreifen. In einer Weltlage, in der die schlimmsten Feinde aller Menschlichkeit vor dem Sieg zu stehen schienen, wird es Roosevelt nicht unrecht gewesen sein, wenn diese sich verleiten ließen, ihrerseits den Krieg gegen die USA zu suchen. Es ist das, was ihn zu einem der größten Präsidenten aller Zeiten macht, der Wille, der Erkenntnis, dass die Welt ohne das Eingreifen der USA verloren wäre, Taten folgen zu lassen. Amerikaner und Japaner verhandelten, ihre Positionen waren unvereinbar.

Kidō Butai

Mit dem General Tojo hatten die radikalsten Imperialisten die Regierung übernommen, ihre Lösung hieß Krieg und das enge Bündnis mit den Deutschen. Am 26.11.1941 verließ eine düstere Flotte, Kidō Butai, die mobile Truppe, 6 Flugzeugträger mit 441 Kampfflugzeugen, 2 Schlachtschiffe, 3 Kreuzer, 9 Zerstörer, 6 U-Boote die winterlichen Häfen der Kurilen mit dem Auftrag, auf Oahu die als Druck auf Japan nach Pearl Harbour verlegte amerikanische Pazifikflotte 30 Minuten nach Überreichung der Kriegserklärung zu zerschlagen. Admiral Isoroku Yamamoto führte die Flotte Japans, ein Mann voller Widersprüche. Gegner der festen Verbindung mit Deutschland, ein international denkender Kenner der USA, der viele Jahre dort verbracht hatte, er hatte keinen Zweifel, dass Japan einen Krieg gegen die Vereinigten Staaten verlieren würde, er lebte auf einem Schlachtschiff, weil er sich dort am besten vor der Gefahr eines Mordkomplotts der Männer Tojos geschützt wusste und war doch der Mann, dessen Plan eines Überraschungsschlages am Beginn des großen Krieges stehen würde. Aber als Oberkommandierender der Vereinigten Flotte durfte er den Verband nicht selber führen, der Admiral Nagumo, dem er es überlassen musste, wird sich als ein durchschnittlicher Mann erweisen. Yamamoto schärfte seinen Offizieren in einer an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Befehlsausgabe ein, dass bis zuletzt eine politische Lösung die bessere wäre und sie einem Befehl umzukehren unbedingte Folge zu leisten hätten. Der japanische Ehrenkodex ließ manche murren.

Stalin, dessen Mann in Tokio ihm verraten hatte, was der Flottenverband vorhatte, behielt sein Wissen für sich und verschob seine Fernostarmee gen Moskau, die Gegenoffensive zu führen.

 

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