FC Bayern in der Krise, van Gaal vor dem Rauswurf, spannenderer Fußball an der Ruhr

Louis van Gaal - Foto: Paul Blank (via Wikipedia)

Seit dem 1. Juli 2009 wird der FC Bayern München von Louis van Gaal trainiert. Nach etwas holprigem Beginn stand der Holländer am Ende der Saison mit der Meisterschale und dem DFB-Pokal da. In der Champions League wurde immerhin das Finale gegen Inter Mailand erreicht. Dies ging zwar mit 0:2 verloren; dennoch konnte sich die Bayern-Bilanz des ersten Jahres van Gaal sehen lassen. Das „Double“ aus Meisterschaft und Pokalsieg geschafft, am „Triple“ nur knapp gescheitert. Im Sommer 2010 herrschte in Bayern Freudentaumel.
Gegenwärtig tritt der FC Bayern in der Champions League abermals gegen Inter Mailand an. Das Achtelfinale wurde im Hinspiel mit 1:0 gewonnen. Doch das Rückspiel in Mailand steht noch aus, und die Bayern befinden sich in einer schweren Krise. Drei Pflichtspiele gingen in den letzten acht Tagen verloren. Und was für welche! Letzten Samstag die Heimniederlage gegen den Tabellenführer aus Dortmund, womit die letzte Hoffnung auf den Titel endgültig begraben werden konnte. Am Mittwoch dann – ebenfalls zu Hause – von den Schalkern aus dem Pokal gekickt, und gestern die Niederlage in Hannover.
Ausgerechnet gegen Hannover, dem direkten Tabellennachbarn, wodurch die Qualifikation der Münchener für die Champions League erheblich gefährdet ist. Im Falle eines Scheitern bliebe zwar noch die Europa League als internationaler Wettbewerb – allerdings von minderer Bedeutung, in dem – jedenfalls in der Vorrunde – nur wenig bis gar kein Geld zu verdienen sein soll. „Wenn ich spüre, dass die Champions-League-Qualifikation in Gefahr ist, dann werde ich unruhig“, erklärte Uli Hoeneß schon vor sechs Wochen. Spätestens gestern wird der Bayern-Präsident das ganz deutlich gespürt haben. „Man muss handeln und nicht reden“, so Hoeneß. Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG, will „erst einmal eine Nacht darüber nachdenken“. 

Für den Sonntag Vormittag ist eine Pressekonferenz angekündigt, ein recht sicheres Zeichen dafür, dass die Ära van Gaal bei den Bayern zu Ende ist. Günter Netzer ist zugute zu halten, dass er von dem Termin noch nichts wusste, als er sich in der Bildzeitung „fest davon überzeugt“ zeigte, dass van Gaal einstweilen bleiben könne. Doch die Bayern-Niederlage in Hannover war ihm sehr wohl bekannt, und die „Gesetze“ des Profifußballs kennt Netzer wie kaum ein anderer. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass er Recht behält. Alles deutet darauf hin, dass van Gaal gehen muss.
“Die Bosse diskutieren intensiv über die Entlassung“, erfährt man in der Bildzeitung, die mit der Schlagzeile „Trainer-Wechsel bringen doch was“ eine klare Ansage macht. Über einige Namen wird spekuliert, es zeichnet sich jedoch noch kein Nachfolger ab. Zumal ihn eine unangenehme Aufgabe erwarten dürfte, ist doch der Erwartungsdruck in München noch weitaus höher als anderswo. Es bleiben zwar noch neun Spiele, um den Fünf-Punkte-Abstand auf Hannover wieder wettzumachen. Doch eigentlich galt der zweite Platz als „Minimalziel“, und Leverkusen überholen zu wollen, wäre schon recht ambitioniert. Was die Niedersachsen betrifft: gestern haben die Bayern in Hannover verloren – und zwar „verdient“, als die klar schlechtere Mannschaft.
Louis van Gaal ist wirklich „ein großartiger Trainer“ (Netzer); immerhin ist ihm in München gelungen, die über Jahrzehnte rein ergebnisorientierte Spielweise auf einen attraktiven Offensivfußball umzustellen und damit sogar Sympathien für die im Lande wenig geschätzten Bayern zu gewinnen. Er hatte auf junge Spieler aus der eigenen Jugend gesetzt (Müller, Badstuber) und dafür etablierte internationale Stars ausgemustert. Insofern ist der vermutliche Rauswurf bei den Bayern ein Verlust für die Liga.

Doch wir müssen uns nicht allzu große Sorgen machen. Eben weil Louis van Gaal ein sehr guter Trainer ist, droht ihm nicht das Schicksal der Dauerarbeitslosigkeit. Vor allem aber, weil auch andernorts gezeigt wird, dass Angriffsfußball nicht nur attraktiver ist als ergebnisorientiertes Ballgeschiebe, sondern auch erfolgreicher. In Mainz zum Beispiel der Thomas Tuchel. Und Jürgen Klopp, ohnehin ein Sympathieträger, wird mit Dortmund Meister. Schwer zu sagen, welchen Weg der FC Bayern gehen wird, ob van Gaals Nachfolger auch weiterhin ansehnlichen Fußball spielen lassen wird. Die Münchener werden auch nach dem jetzigen Einbruch das Maß aller Dinge im deutschen Fußball bleiben. Mit dem Etat der Bayern kann kein anderer Verein konkurrieren.
Doch gegenwärtig finden die spannenderen Geschichten Fußball-Deutschlands an der Ruhr statt. Borussia Dortmund dürfte sich die deutsche Meisterschaft nicht mehr nehmen lassen. Das Pokalendspiel bestreiten der FC Schalke 04 und der MSV Duisburg, und der VfL Bochum hat nach wie vor gute Chancen, in die erste Bundesliga zurückzukehren. Das Ruhrgebiet ist die Hauptstadt des deutschen Fußballs.

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Dieter Carstensen
13 Jahre zuvor

Es wurde ja auch langsam langweilig, mit den erfolgsverwöhnten Bayern, finde ich.

Mich freut es, dass dieses Jahr Dortmund mal eine reale Chance hat, mit seinem engagierten, sympathischen Trainer, dem hoffentlich bei den nächsten Spielen nicht zu viele Brillen im Jubel seiner Mannschaft kaputt gemacht werden.

Sport ist Sport und keine Aktiengesellschaft Bayern München, zum Glück, denn was zählt, ist in jedem Sport Können und ein Quentchen Glück.

Wenn eine Mannschaft dauerhaft eine Sportart dominiert, wird es aus meiner Sicht todlangweilig.

Ob Louis van Gaal nun Bayern Trainer bleibt oder nicht, ist eigentlich sekundär.

Wir mussten es ja auch bei Schalke 04 erleben, dass der erfolgsverwöhnte Felix Magath auf den Boden der sportlichen Tatsachen zurück geholt wurde.

Ich persönlich denke, häufig wird die Rolle der Trainer im Fussball überschätzt.

Aquii
13 Jahre zuvor

schwerer Fehler, das „Hinspiel“ wurde in Mailand gewonnen, das Rückspiel ist in München!

der, der auszog
der, der auszog
13 Jahre zuvor

„Das Ruhrgebiet ist die Hauptstadt des Deutschen Fußballs.“ – Aber zu welchem Preis? Über Dortmund und Duisburg mag ich nichts sagen wollen, aber jüngst gab es hier einen Artikel über die Finanzsspritze der Stadt Bochum an den VFL durch ihre Tochtergesellschaft rewirpower (Ex-Bochumer Stadtwerke) von mehreren Millionen Euro. Und das, obwohl Bochum pleite ist. Dasselbe Spielchen im letzten Jahr in Gelsenkirchen: Über 20 Millionen Euro aus dem Gewinn der GEW (Ex-Gelsenkirchener Stadtwerke) werden in den Fußball gesteckt und Gelsenkirchen ist bereits mehr als pleite. Während kleine wie große Kulturbetriebe im Ruhrgebiet um ihre Existenz kämpfen, steckt die Politik jeden freien Euro in den Spitzenfussball und damit in den Rachen derjenigen die eh schon zu den Topverdienern im Revier zählen. Zumindest macht es diesen Eindruck.

Aber mehr noch: Bleiben wir einen Moment in Gelsenkirchen und schauen uns das Sponsering bei Schalke etwas genauer an, speziell die Trickotwerbung. 125 Millionen Euro gab es dafür bislang vom russischen Energiemulti Gazprom, wenn der Vertrag 2012 ausläuft, sind weitere 125 Millionen an Sponseringgeldern aus Russland im Gespräch. Wer ist Gazprom? Ein russischer Energieriese, klar. Aber wer in Deutschland weiss schon, dass Gazprom mit seiner Tochtergesellschaft Gazprom-Media mittlerweile den größten Teil der russischen Medienlandschaft kontrolliert und mit seinen Zukäufen von Zeitungen, Fernsehsendern und Radiostationen auf einen regierungsfreundlichen Putinkurs bringt? Journalisten, die an eine freie Presse glauben, müssen in Russland aufgrund ihrer Ideale um ihr Leben fürchten. Anna Politkowskaja, die kritisch über den Bürgerkrieg in Tschetchenien und über die Machenschaften Putins berichtete und einige andere, hat es bereits erwischt. Der Westen zeigt sich jedesmal empört, wenn ein russischer Journalist ermordet wird und fordert rasche Aufklärung. Aber das war es dann auch. Viel an Aufklärung kommt da nicht.
Dann der Fall Michail Chodorkowski, jüngst erst zum zweiten Mal von Putintreuen Richtern für Jahre nach Sibirien verband. Chodorkowski, einst größter Öloligarch Russlands, ist 2003 aufgrund seiner Kritik am Kreml bei Putin in Ungnade gefallen. Anschliessend wurde sein Yukon-Konzern zerschlagen. 2004 übernahm die Baikalfinanzgruppe dreiviertel des Kerngeschäfts von Yukos, wenige Tage später wurde diese dann vom staatlichen Ölkonzern Rosneft geschluckt, der sich im selben Jahr mit Gazprom zusammengeschlossen hatte.

Um die Verwirrung komplett zu machen noch kurz ein Abstecher vom Sibirisch-kalten Ruhrgebietsfußballsponsering der vergangener Jahre in die nordafrikanische Wüste der Gegenwart nach Libyen und zu Gaddafi. Während Putin bekennender Fußballfan ist, hat es der afrikanische Diktator eher mit dem Eishockey. Warum, weiß der Kuckuck, oder besser der Hahn, das Maskottchen der Iserlohn Roosters, formerly known as ECD Iserlohn. 1987 warb der Verein für Gaddafis Grünes Buch, nach der plagiatdurchsetzten Guttenbergbibel die derzeit wohl meistgezeigte Bibel im Deutschen Fernsehen (ich meine das Buch, mit dem Gaddafi immer winkt, wenn er vor Kameras von Drogen redet). Im Gegensatz zum Ruhrgebietsfußball hat die Politik in Deutschland beim sauerländischen Eishockey noch reagiert und protestiert. Aber vielleicht lag es auch daran, dass Deutschland damals noch nicht von Gerhard Schröder regiert wurde, der aus deutscher Sicht wohl den größten Anteil geleistet hat, um sowohl Putin als auch Gaddafi den Persilschein auszustellen und gegenüber dem Westen salonfähig zu machen. Schröder wird übrigens immer noch von einem der beiden Diktatoren bezahlt. Ähnlich wie die Spieler des FC Schalke 04 arbeitet auch er für den Kremltreuen Energieriesen Gazprom, das halt nicht nur für Energie, sondern auch für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und so manch dubiose Ungereimtheit in Russland steht, die mit Chodorkowski und Politkowskaja nur die kleinen Spitzen von riesengroßen Eisbergen darstellen.

Liebe macht blind. Das gilt auch für den Sport. Die Liebe zum Fußball macht darüber hinaus auch noch taub und stumm. Wenn wir über klasse Ruhrgebietsfußball reden, dann sollten wir in Anbetracht der derzeitigen Diskussionen um Diktaturen und Demokratien, um Pressefreiheit und deren Unterdrückung, um Öl, Gas und Energie auch über den Preis reden, den dieser hat und wer ihn bezahlt. Aber vor allem auch über die vielen Affen, die nichts sehen, hören und sagen wollen, sobald es irgendwie um Fußball geht…

Nun aber wieder über Höcksken und Stöcksken zurück von Gaddafi und Putin zum FC Bayern München und Louis van Gaal: Von mir aus könnte Karl Theodor zu Guttenberg den Job des Bayerntrainers übernehmen. Ähnlich wie im Verteidigungsministerium kann man sich auch beim FCB ein bis zwei Jahre im Sattel halten und eine Trainerlizenz dürfte um einiges einfacher zu fälschen sein, als eine Doktorarbeit. Natürlich ist das alles quatsch, was ich hier schreibe, immerhin ist Karneval, und wen im Ruhrgebiet interessiert es schon wirklich, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Hauptsache der Ball und der Rubel rollt, Dortmund wird Meister und Schalke hoffentlich Pokalsieger…

Jan Luiten
Jan Luiten
13 Jahre zuvor

Schade, die Kombination Van Gaal-FCB hat schönes Fußball geliefert, z.B. das Spiel Juventus-FC Bayern 8.12.2009. Das war einmal.
In Sache Fußball kann nur einer recht haben, und das ist nicht Louis Van Gaal, auch nicht Kaiser Franz, sondern Johan Cruyff. Ein Spruch von ihm: „Jedes Vorteil hat seines Nachteil“.
Van Gaal hat seine Rechthaberei (ein Fußballtrainer soll aber ziemlich rechthaberisch sein) zu weit durchgetrieben, und das wird jetzt zu seinem Verhängnis.
Aber: Das Ruhrgebiet wird wieder Hauptstadt, diesmal Fußballhauptstadt.

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[…] Heyne wirkte der im letzten Frühjahr als Trainer des 1 FC Lok vorgestellte Achim Steffens FC Bayern in der Krise van Gaal vor dem Rauswurf spannenderer Und Jürgen Klopp ohnehin ein Sympathieträger wird mit Dortmund Meister Schwer zu sagen […]

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