Rasante gesellschaftliche Umwälzungen haben erheblichen Einfluß auf die politischen Verhältnisse. So steht die Flüchtlingskrise zweifellos in direktem Zusammenhang mit dem Aufstieg der AfD in der Wählergunst, wie im selben Verhältnis die Zustimmung für sozialdemokratische Politik schrumpft. Die Anhängerschaft der SPD ist sogar soweit dezimiert, das man nicht nur den Status der Volkspartei riskiert, sondern das es nun immer öfter nicht mehr für große Koalitionen mit der Union ausreicht. Von unserem Gastautor Hasso Mansfeld.
Neueste Überlegungen im Sinne einer politischen Handlungsfähigkeit favorisieren nun die sogenannte Ampellösung, also eine Koalition unter der Führung der Sozialdemokraten mit Grünen und Liberalen. Sigmar Gabriels Mehrheit links von der Mitte – nur ohne die Linken, dafür aber mit der was die Fünfprozenthürden angeht, wiedererstarkenden FDP.
Zur Zeit am ehesten möglich ist diese Konstellation in Rheinland-Pfalz, weil dort nach der Personenwahl zwischen Marie-Louise Dreyer (SPD) und Julia Klöckner (CDU) eine große Koalition wohl noch am wenigsten dem Wählervotum entsprechen würde.
Nun war aus FDP-Perspektive eine Zusammenarbeit mit der CDU erklärtes Wahlziel. Der Wiedereinzug der FDP in den Landtag gelang zwar, aber gemeinsam mit der CDU reicht es nicht für eine Mehrheit. Jetzt ist die Ampel für die SPD die erste Wahl, wie die ZEIT weißhttp://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-03/rheinland-pfalz-fdp-ampel : „Zwar wäre es instabiler als eine große Koalition, aber die Vorteile überwiegen. Die Sozialdemokraten wären die führende Kraft. Sie könnten die Grünen in der Regierung halten, die ja der eigentliche Wunschpartner von Dreyer waren.“
Und auch FDP-Parteichef Christian Lindner macht kein Hehl daraus, dass ihm eine Ampel in Rheinland Pfalz recht wäre. Zum einen sei man nicht der kleinere Partner neben der SPD und zum anderen wäre es ein gutes Signal für die Bundestagswahl 2017. Aber macht das Sinn für die FDP, anstatt den Fehdehandschuh bei den Grünen liegen zu lassen, das Gärtnern zu dritt zu favorisieren?
Die Erinnerung an den bitteren November 2013 samt Ausscheiden aus dem Bundesparlament inklusive Verlust der Regierungsbeteiligung dürfte frisch genug sein, nicht vergessen zu machen, wie man sich in diesen langen 29 Monaten über Wasser gehalten hat. Der Gang in die außerparlamentarische Opposition glich dem einer Bewährungsbataillon.
Die FDP hatte seitdem permanent in den Abgrund geblickt. So lange, das, frei nach Nietzsche, der Abgrund auch in die FDP schaute. Wem dieses zu pathetisch erscheint, dem sei empfohlen die medialen Abgesänge auf die FDP aus den vergangenen Jahren nachzulesen. Damals schrieb man die FDP schon in die Geschichtsbücher und wollte den Deckel endgültig zu machen.
Nein, der Bypass während der APO-Zeit war nicht die Hoffnung auf das grüne Licht einer (rheinlandpfälzischen) Ampel, sondern im Gegenteil: mit einer Fundamentalopposition zu den Grünen sicherte sich die FDP das Überleben. Zur Aufrechterhaltung der innerparteilichen Moral war die Stoßrichtung existenziell und bewahrend im Sinne eines ausformulierten Feindbildes als wichtigste Aufgabenstellung.
Noch präziser: Die Grünen als Moralisten wurden zum Moralgeber der inneren FDP-Verfassung in der außerparlamentarischen Findungsphase. Ein Ampel-Pakt mit den Grünen allerdings würde die gestärkte Moral nun auch rückwirkend existenziell untergraben.
Was tun? Auf jeden Fall muss die FDP 2016 noch mehr verinnerlichen, dass die bisherige Regierung aus SPD und Grünen per Wählervotum abgewählt wurde. Und unabhängig von der starken Konzentration auf die Personen Dreyer und Klöckner, darf man sich auch dafür ein paar Lorbeeren aus dem Kranz pflücken. Nochmal zur Erinnerung: Grüne Politik ist der größte Verlierer in Rheinland-Pfalz. Schon deshalb sollte für eine neuprofilierte FDP das Modell rot-grün-light keine ernsthafte Option sein. Die FDP sollte als Partei „light“ nicht zur Verfügung stehen, schon gar nicht mitten hinein in ihre hoffnungsvolle rheinland-pfälzische wie bundesweite Wachstumsphase.Luft nach oben ist ja genug. Aber es braucht jetzt Räume um erst einmal neu nach Luft zu schnappen.
Oppositionsarbeit ist doch aller Ehren wert. Eine oppositionelle liberale Stimme wird dem Wähler-Votum deutlich gerechter, als eine FDP in einer wackeligen Ampelkonstruktion, in der gelb zwangsläufig zur Farbe des Ausbremsers grün-roter Politik werden müsste. Gelb steht im Moment für einen Aufwärtstrend. Für Liberalismus. Für die Gegenbewegung zu aufgeblasener Bürokratisierung und einer zutiefst moralisierenden Politik einer rot-grünen Landesregierung.
Die FDP braucht jetzt Zeit. Man darf nicht vom Zünglein an der Waage zum Zünglein an der Ampel werden. Die Liberalen in Rheinland-Pfalz sollten sich nun die Zeit nehmen, die es nun einmal braucht, diese oppositionelle Regenerationsphase für sich zu nutzen um bereit zu sein, wenn die Politik der SPD-geführten Landesregierung endgültig gescheitert ist. Wer weiß, möglicherweise dauert das nicht einmal mehr fünf weitere Jahre.
Eine Abgrenzung der FDP gegenüber den Grünen ist im Übrigen fast so elementar wichtig, wie die Abgrenzung der Grünen gegenüber Atomkraft. In den Ländern und genaiso im Bund. Die FDP braucht jetzt diese unverrückbare Distanz gegenüber den Grünen in allen relevanten Sachfragen. Also eine stringente Fortführung der scharfen Kritik an der rotgrünen Politik der vergangenen Jahre aus der außerparlamentarischen Opposition heraus.
Würde man einer Ampel zustimmen, wäre man damit in der Wahrnehmung der Bürger jemand, der ausgerechnet die zuvor bekämpfte rot-grüne Politik fortführt. Macht man das, hätte man gar nicht den Versuch unternehmen müssen, dem Abgrund zu entrinnen, nur um sich ohne Not wieder hineinzuschmeißen. Die Probleme des Landes werden in den nächsten Jahren weiter anwachsen. Die Herausforderungen sind übergroß. Rheinland-Pfalz braucht jetzt eine starke, aber vor allem eine lösungsorientierte oppositionelle Stimme im Landtag.
Und die FDP ist dafür in einer denkbar komfortablen Lage: Sie muss jetzt ihre scharfe Kritik nicht mehr von außen in den Landtag tragen, sondern artikuliert sie innerhalb des parlamentarischen Systems in Form von regierungskritischen Anfragen, profilierender Ausschussmitarbeit und nicht zuletzt mittels der parlamentarischen Wortmeldung. Hier kann die FDP zeigen, dass sie gewillt ist, den positiven Weg für Rheinland-Pfalz zu gehen.
Die FDP will im Idealfalle, dass jeder nach seiner Façon glücklich wird. Aber die Grünen wollen die Façon am Besten noch vorschreiben und den Façon-Gedanken damit ad absurdum führen. Die Grünen wollen immer als Hüter von Moral und Werten regieren. Die FDP will die Institutionen in ihrer rahmengebenden Kraft stärken. Für das Gemeinwohl. Für Freiheit und Liberalismus.
Hasso Mansfeld arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater und Kommunikationsexperte. Für seine Ideen und Kampagnen wurde er unter anderem dreimal mit dem deutschen PR-Preis ausgezeichnet. Er die liberale Ideenschmiede „FDP Liberté“ im Netz initiiert und trat als Kandidat der FDP für die Europawahl an. Er ist Kolumnist im Debattenmagazin „The European“.
Gute Analyse, aber ob die FDP das auch umsetzt? In der Vergangenheit hat sie sowohl Eurorettung, als auch Energiewende zugestimmt. Andererseit könnte sie daraus gelernt haben und die Politik staatsgläubiger Parteien nicht mehr bis zur Selbstentleibung unterstützen.
Sehr gute Analyse! Man darf gespannt sein, welchen Weg die FDP geht und wer am Ende innerhalb der FDP das Zünglein an der Waage sein wird.
Die Abgrenzung gegen Grün und gegen eine Ampel klingt doch recht angestrengt und dogmatisch.
Dies in einer Situation des AfD-und deutschnationalen Aufschwungs bei CDU/CSU, der an die FDP doch zuerst die Frage stellt: Welchen Liberalismus will sie eigentlich: den freihändlerisch-sozialmarktwirtschaftlichen oder den nationalkonservativen. Der Kampf zwischen diesen beiden Strömungen hat die Historie der liberalen Parteien in Europa und ganz besonders im Deutschland des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts bestimmt.
Die FDP ist spätestens seit Ende der 60er Jahre immer auch die Partei des Fortschritts in eine offene und europäische Gesellschaft gewesen, die sich von jeder Deutschtümelei und völkischen Tradition verabschiedet hatte. Der säkulare, liberale Rechtsstaat war und ist heute wieder ihr Ideal. Das Stichwort lautet Ordoliberalismus, wie man den Neoliberalismus nach dem 2. Weltkrieg auch nannte, und dem heute Leute wie Christian Lindner wieder anhängen. Freiheit, Wohlfahrt, Eigenständigkeit, Gemeinsinn.
So kann man durchaus behaupten: Wer sich heute für den «Schutz der persönlichen Freiheit» vor der Bevormundung des Staates, wer sich für «Privateigentum», «Privatautonomie» und «beschränkte Staatsgewalt» entscheidet, ist als Liberaler den Realo-Grünen näher als er vermutlich denkt. Fürs erste sollte er sich vielleicht mal mit der Netzpolitik der Grünen im Europaparlament befassen, er wird interessante liberale, demokratische Positionen finden.
Eine Partei, die sich durch Abgrenzung definiert, braucht man nicht.
Ohne Dogma ist man einfach nach allen Seiten offen und versucht immer den bestmöglichen Deal im Sinne des eigenen Parteiprogramms herauszuschlagen. Ist dieser nicht gut genug, bleibt Opposition.
Die Gedankengänge im Artikel scheinen doch die selben Gedanken zu sein, die die FDP schonmal aus den Parlamenten warf. Daraus muss man lernen.
Nach der nächsten BTW sitzen die Blaugelben wieder zwischen allen Stühlen entspannt und bequem in ihren Parlamentssesseln. Schade eigentlich.
@TuxDerPinguin,
eine Partei die sich von Staatsgläubigkeit und Bürgerbevormundung abgrenzt wird m.A. dringendst gebraucht! Und die FDP flog seinerzeit aus dem BT weil sie in der Regierung mehrfach ihre liberalen Grundwerte "vergessen" hatte.
@ Gerd Mit dem Vergessen liberaler Grundwerte hatte das eher weniger zu tun, es sei denn, man zählt Steuersenkungen für Gut-und Besserverdienende zu den liberalen Grundwerten. Mit diesem Versprechen holte die blaugelben Opportunisten20 09 ein Rekordergebnis und anschließend kreiste aus dem "liberalen" Grundwertemaulwurfshügel eine vielbelachte Steuersenkung für Hoteliers. Dieses Ergebnis fegte einige Landtagsfraktionen ziemlich durch und raus aus den bequemen Sesseln, so dass der eben noch strahlende Parteichef schon 2011 von einem, dessen Name mir schon nicht mehr geläufig ist, abgelöst wurde.
Was die FDP für mich diskreditiert hat war ihre Zustimmung zur Finanzierung verschwenderischer fremder Länder -auch Eurorettung genannt- und zur mittlerweile gescheiterten Energiewende.
Wer sowas will, kann gleich CDUSPDGrüneLinke wählen.