Gestern haben Feine Sahne Fischfilet ein Posting durch die sozialen Medien schwirren lassen. Tenor: „Tausende Leute ziehen durch Chemnitz, instrumentalisieren einen erbärmlichen Mord und jagen wieder Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe.“ Die Band will was tun: unter dem Slogan #wirsindmehr versammeln sie sich am kommenden Montag (3. September) mit Bands wie Kraftklub, den Toten Hosen, K.I.Z., Marteria & Casper, Nura und Trettmann, um am Karl-Marx-Monument ab 17 Uhr in Chemnitz ein Solidaritätskonzert zu geben. Vor ein paar Monaten sprach unser Autor mit Sänger Jan „Monchi“ Gorkow und Gitarrist Christoph Sell.
Hallo Monchi, hallo Christoph. Ihr wart nun schon ein paar mal als Support für die Toten Hosen unterwegs, was fasziniert euch an Campino & Co.?
Christoph: Das ist natürlich eine große Freude gewesen, denn wir mögen die Band und sind natürlich mit Alben wie „Opel Gang“ groß geworden. Wir haben in Wien in der Stadthalle oder in Dortmund in der Westfalenhalle gespielt – das war schon absoluter Wahnsinn und eine echt tolle Erfahrung. Die Toten Hosen haben innerhalb der Band ja auch eine ziemlich coole Arbeitsteilung, das läuft bei uns ziemlich ähnlich – jeder bei uns hat seinen eigenen Bereich, um den er sich kümmert: Monchi ist mit seinen vielen Ideen unser „Propagandaminister“, Jacobus und Kai kümmern sich um die Merchandising-Layouts, ich schreibe viele Melodien und bringe das Songwriting voran. Insgesamt wollen wir die bandinterne Struktur noch verbessern – und nehmen uns gerne ein Beispiel daran, wie die Hosen das machen.
Monchi: Ich hab ein Match gegen Kuddel im Tischtennis verloren, das war eine bittere Niederlage…
In Rostock am Theater habt ihr vor einiger Zeit an einer Aufführung „Die Leiden des jungen Werther“ mitgearbeitet. Hat euch die alte Sprache, die Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1774 für dieses Stück benutzt hat, unterschwellig beeinflusst?
Christoph: Ich kann mir schon vorstellen, dass uns das auch inspiriert hat – wir haben für diese Aufführung ja auch vier eigene Lieder beigetragen, die auf Goethe-Texten basieren. Das war eine erfrischende Erfahrung, denn manche Texte erscheinen ganz schön „punkig“ – da geht es viel um Wut: „ich möchte mir die Brust zerreißen, mein Kopf einstoßen.“ Vielleicht ist von diesem Geist da auch ein bisschen mit in unsere neuen Songs eingeflossen, auch wenn ich das jetzt nicht genau beziffern kann, wie viel das sein mag. Aber vielleicht haben wir da auch was vom Theater gelernt, denn das war schon eine ganz schöne Arbeit und alle Vorstellungen waren ausverkauft. Monchi hat ja auch noch eine Hauptrolle im Stück bekommen, das war schon ziemlich cool.
Wieviel Inspiration braucht man um Texte zu schreiben?
Monchi: Auch wenn mancher Song von uns eine politische Intention hat, sind das doch alle persönliche Lieder und Geschichten von uns. Der Song „Angst frisst Seele auf“ handelt zum Beispiel darüber, dass eine gute Freundin von mir mit dem Tod bedroht worden ist – und zwar von der Neonazi-Band Erschießungskommando. Das ist dann die Verarbeitung von uns dazu. Das sind natürlich harte Themen – aber man soll sich darin ja nicht verlieren, sondern viel wichtiger ist es für uns ja, was ich im Song geschrieben habe: „wenn alle mutlos sind, dann halte ich mich an dir fest und schlag‘ zurück – denn Angst frisst Seele auf.“ Das soll unser Album ausdrücken: wir wollen nach vorne gehen, den Kopf hochnehmen und sich bloß nicht in Weltuntergangs-Phantasien verlieren. Sondern mit den geilen Leuten, die es in dieser Gesellschaft gibt, muss man was reißen. Egal was da kommen mag. Diese Freundin, für die ich diesen Song geschrieben habe, arbeitet im NSU-Untersuchungsausschuss, deswegen wird sie von den Nazis gehasst.
Wer ist diese Freundin genau?
Monchi: Das ist die Politikerin Katharina König-Preuss, ich habe mal ein dreimonatiges Praktikum explizit zur NSU-Thematik bei ihr absolviert, sie sitzt seit dem Jahr 2009 für die Linkspartei im Thüringer Landtag. Ich würde jetzt nie für eine Partei Wahlwerbung machen, auch als Band sollte man sich davon distanzieren und aufpassen, dass man davon nicht vereinnahmt wird. Sie hatte mir das angeboten – und das war eine sehr interessante und gleichzeitig auch krasse Zeit für mich.
Beschreib mal genauer, was du dabei erlebt hast…
Monchi: Ich habe viel Respekt für Leute bekommen, die sich um eine ernsthafte Aufarbeitung bemühen – die hängen sich da richtig tief rein und probieren Lösungsansätze zu liefern, wie das alles passieren konnte. Als zweites habe ich gelernt, dass der Verfassungsschutz nicht nur ein paar Fehler hat – sondern der Fehler des Problems ist. Diese staatliche Behörde hat hunderttausende Euro in die Neonazi-Szene rein gesteckt; sie hat sie nicht nur hofiert, sondern auch jetzt im Nachhinein ist immer noch nicht anerkannt worden, wie tief der Staat dabei mitgeholfen hat, um V-Männer zu decken und der begleitenden Aufklärung auch immer wieder im Weg gestanden hat. Wenn ich vor zehn Jahren geahnt hätte, was da jetzt alles rauskommt – dann hätte ich es als Verschwörungstheorie abgetan. Das sind irgendwelche Freaks, das kann nicht passieren. Ich bin bestimmt ein staatskritischer Mensch, aber so einen krassen Scheiß hätte ich mir nicht vorstellen können. Wenn man diesen Inhalt als einen Plot für einen Kinofilm vorlegen würde, würde die Produktionsfirma denken, das ist zu überdreht. Das ist viel zu viel. Das Krasse ist nur, das es die Realität ist.
Kino ist ein gutes Stichwort: der Filmemacher Fatih Akin hat mit „Aus dem Nichts“ eine fiktive Perspektive zum NSU-Komplex geschaffen und ist damit im Januar mit dem Golden Globe ausgezeichnet worden. Habt Ihr den Film gesehen?
Christoph: Ich bin in den Film gegangen und hab gedacht: naja, ich das Thema jetzt so oft mit allen Inhalten auseinander genommen – und wir haben uns so viel damit beschäftigt und eine Wut darüber gehabt, die man teilweise gar nicht mehr richtig äußern konnte. Du hat zwar rational alles Mögliche dazu im Kopf – aber dieser Film hat dann alles in meiner Innenwelt aufgewühlt und mich dann irgendwie zum „Explodieren“ gebracht. Das rechne ich dem Film von Fatih Akin hoch an und finde den deswegen auch sehr wertvoll. Ich bin sehr froh, dass es diesen Film gibt, weil er es schafft das komplexe NSU-Thema auf eine menschliche Ebene zu hieven.
Monchi: Für mich ist es mit Abstand der beste Film, den ich seit Jahren gesehen habe.
Wir leben jetzt im 28. Jahr nach der deutschen Einheit. Glaubt ihr, dass die Einwohner in den neuen Bundesländern immer noch zu sehr von den sogenannten „Wessis“ belächelt werden?
Monchi: Das ist schwierig, da gibt es die verschiedensten Sachen. Ich bin jetzt auch kein Politiker oder Soziologe, das ich das genau analysieren könnte – aber wer sich wirklich noch ernsthaft in Schubladen wie „West“ und „Ost“ noch abgrenzt; tja, das ist ja schon der Fehler. Die Probleme, die es gibt, die muss man gemeinsam gesellschaftlich angehen. Wer in ein Ossi-Bashing verfällt, so ist das menschlich und politisch völlig falsch. Und einen sogenannten Rechtsruck gibt es ja genauso in Baden- Württemberg, wie auch in Thüringen oder Sachsen – das ist ja nicht ein spezifisch ostdeutsches Problem. Es gibt so viele gute Leute in den neuen Bundesländern, die muss man einfach unterstützen. Wir als Band haben überall Freunde und uns ist es scheißegal woher die kommen.
Einfach mal ein Konzert besuchen!
Wer sich einmal zu monchis Jugend-Hooligan-Geschichten und plattesten Phrasen fremdgeschämt hat, erkennt das intellektuelle Niveau dieser realitätsverweigerer sehr schnell.
Ein Praktikum zur NSU-Problematik. Drei Monate. Soso. Dafür ist die analysetiefe beeindruckend..
Ich bin von dem Nickname #1 nicht erbaut, möchte den Mitlesern mitteilen, dass nicht ich das bin, und den Poster bitten, sich doch einen etwas mehr von meinem unterschiedenden Namen auszusuchen. Danke.
Natürlich bin ich das. Und ich unterscheide mich sehr. Ich möchte, und das Poster bitten, hier unter dem richtigen Namen aufzutreten! Danke!
@#3 "Ich möchte, und das Poster bitten, hier unter dem richtigen Namen aufzutreten! "
Erstens gibt es dazu – wie so oft im Internet – hier keine Pflicht und ist das Benutzen eines Nicknames absolut üblich (ob Sie selbst "Paule T." heißen, kann ja auch kein Leser nachprüfen). Zweitens ist diese Aufforderung geradezu drollig, wenn man selbst nur abgekürzt auftritt, also selbst nicht unter wiedererkennbarem Namen auftritt.
Drittens finde ich es für die Mitleser verwirrnd und mir gegenüber unhöflich, dass Sie sich einen Nickname wählen, der sich nur durch Großschreibung von meinem, schon länger benutzten unterscheidet.
@#3 ich entschuldige mich natürlich für meine Rechtschreibfehler! Aber ich möchte NOCHMAL darauf hinweisen, dass es für Leser sehr verwirrend ist, wenn er Aussagen nicht zuordnen kann. Ich bin schon länger hier und habe mir mit fundierten und ausgewogenen Beiträgen einen guten Ruf bei den Ruhrbaronen erarbeitet. Sollten Sie meinen Nick weiter benutzen, muss ich mich hier leider zurückziehen!