Vor einigen Tagen machte mein werter Kollege, Robert von Cube, sich auf diesem Blog auf die Suche nach Beweisen, die Joanne K. Rowling (JKR) des Transhasses überführen sollen.
Für seine Antwortsuche bediente er sich lediglich einer einzigen Quelle, und zwar einer transaktivistischen Quelle, die selektiv nur all das sammelt, was JKR der Transphobie überführen soll. Das ist in etwa so, als würde ich zeigen wollen, wie gut der ÖRR ist und würde nur das „Manifest für einen neuen ÖRR“ oder den „ÖRR Blog“ als Quelle nutzen. Dass man mit so einer Quelle zu einer adäquaten Antwort oder Wahrheitsfindung gelangen könnte, ist überaus schwierig. Warum nutzt man nicht direkt JKRs Twitter-Profil und wirft selber einen Blick in ihr literarisches Schaffen? Unter anderem werden nämlich auch Ausdrücke oder Figuren ihrer Romane als Beweis gezählt, dass JKR transphob sei, ohne die Stelle zu zitieren oder zu paraphrasieren. Aus dem Deutschunterricht in der Schule sollten die meisten von uns auch noch im Kopf haben, dass der Erzähler eines Romans nicht gleichzusetzen mit dem Autor ist.
Eine weitere wichtige Sache, wenn nicht sogar das Kernstück dieser Debatte, ist, dass weder die Seite VOX noch mein Kollege eine Definition von Transphobie beziehungsweise Transhass ihren Überlegungen voranstellen.
Was ist Transhass? Mir wurde schon einmal Hassrede und Transhass unterstellt, weil ich es moralisch verwerflich finde, wenn Transmenschen sich sexualisiert gegenüber Kindern verhalten. Ohne eine Definition wissen wir gar nicht, worüber gesprochen wird. Der Begriff des Transhasses hat eine sinnentstellende Expansion erfahren. Als Transhass kann gelten: Das Benutzen des Wortes „Frau“ ohne Sternchen, ein Unbehagen gegenüber Männern in der Umkleide, ein Eintreten für den Erhalt des Frauensports, selbst das Sprechen über die Monatsblutung. Das Wort „trans“ scheint nur noch subjektive Empfindung zu sein. Bis vor 10-15 Jahren galt jemand als trans, der sich dem anderen Geschlecht optisch, operativ und verhaltenstechnisch angenähert hat, während heute jeder und alles trans sein kann. „Trans don’t owe you visibility“ ist ein beliebter Slogan. Auf Twitter gibt es vermehrt Aktivisten, die sich dafür einsetzen, dass man sich weder operieren, noch auch nur annähernd aussehen muss wie das andere Geschlecht, um als trans zu gelten. „Trans Körper sind in jeder Form richtig“, auch ein Nachfragen oder Nichtverstehen ist Hass.
Die Ängste und Bedenken, die JKR zum Thema äußert, dass Männer in Frauenräume eindringen werden, wischt der Autor mit der lapidaren Behauptung zur Seite, dass es ohnehin selten passiert und dort, wo es wirklich wichtig ist, also in Frauenhäusern (sein Beispiel), gelte das Hausrecht und auch eine Frau könne ohne vorherige Anmeldung dort nicht einfach so aufkreuzen. Das mag so stimmen, aber selbst hier in Dortmund gab es einen Fall, dass ein Mann (bzw. Transfrau) ins örtliche Frauenhaus wollte, abgewiesen wurde und er dann Unterstützung von der Lokalpresse sowie Aktivisten bekam. Für die Aktivisten war klar: das Frauenhaus ist transphob. Frauenhäuser sind chronisch unterfinanziert und auf Spenden angewiesen, natürlich ist man verunsichert und der Internetmob gut organisiert, wenn es um das Aufspüren angeblicher Transphobie geht, sodass man trotz seiner Überzeugungen einem Mann Obdach gewähren könnte, nur um einem Shitstorm zu entgehen. Wie es den restlichen Frauen im Frauenhaus geht, ist in dem Moment egal. Eine Transfrau, die Schutz braucht, hat immer noch die Option, eine andere Schutzeinrichtung aufzusuchen. Warum muss es ausgerechnet ein Frauenhaus sein? Warum muss man das Frauenhaus öffentlich der Transphobie bezichtigen?
In meinem Fitnessstudio bekam ich zu meiner Anfrage, wie mit Männern und Transfrauen in der Frauenumkleide umgegangen wird, als Antwort, dass sie jede Person, die den Personenstand „weiblich“ im Personalausweis stehen hat, in die Frauenumkleide lassen „müssen“. Ab dem 1. November kann ein Mann dies also tun. So viel zum Thema Haus- und Vertragsrecht. In Erlangen bekam ein Frauenfitnessstudio Post von Ferda Ataman höchstpersönlich, weil die Leiterin des Fitnessstudios einer Transfrau mit Penis das Duschen untersagen wollte.
Selbst wenn es nicht um Leben und Tod geht, wie Robert von Cube argumentiert, möchte ich mich trotzdem nicht mit Männern in einer Umkleide umziehen. Und egal, ob der Grund meines Unbehagens Scham, Angst vor einer Vergewaltigung, Angst vor etwas ganz Anderem, die Würde, die Religion oder sonst was ist, warum müssen Frauen überhaupt begründen und darlegen, warum sie geschlechtergetrennte Räume haben wollen? Warum werden derart konstruierte Allegorien erstellt, dass ich in einer abgelegenen Frauentoilette gefährdeter bin, als in einem Unisexklo auf einem Festival? Ich möchte einfach in Ruhe und der Gewissheit eine Frauentoilette betreten und keine Männer treffen. Und ob das geschieht, weil man Angst vor einer Vergewaltigung hat oder nicht, warum ist das relevant?
Wie konnte es so weit kommen, dass der Wunsch und das Bedürfnis nach diesen Räumen als transphob gelten? JKR, die sich genau dafür einsetzt, ist Zielscheibe vieler frauenfeindlicher Kampagnen und Angriffe geworden. Und hier wären wir beim Kern des Problems, was viele Menschen, die den Diskurs nur oberflächlich verfolgen, gar nicht bemerken: Es geht nicht um Transhass, es geht um Feministinnen und ihren Einsatz für Frauenrechte (ich bezweifle, dass auf der Seite VOX Informationen zu JKRs Projekten für Frauen und Mädchen zu lesen sind). Es geht um Frauen, die nichts vom postmodernen Feminismus halten und deren Fokus auf Frauen und nicht auf Geschlechtsidentitäten liegt. Geschlechtsidentität ist ein Glaubenskonzept, man kann es, im Gegensatz zur Biologie oder zur Materialität unserer Körper, nicht sinnlich erfahren. Man kann nur daran glauben. Oder man glaubt nicht an Geschlechtsidentitäten. Und die Kritik, die Ablehnung und selbst das Infragestellen so eines Geschlechterkonzeptes wird immer unverblümter Hass genannt.
Bezogen auf das Selbstbestimmungsgesetz erkennt mein Kollege, dass es Missbrauchspotential birgt, wischt die Bedenken beiseite mit einem lapidaren „wird sich wohl noch erweisen müssen“. Dass es jetzt bereits zu Anzeigen und kafkaesken Verhalten seitens der Justiz gegeben hat, hatte ich hier bei Rona Duwe beschrieben. Und das ist nicht der einzige Fall in Deutschland.
Jedes andere Gesetz wird so konzipiert, dass es keine Lücken und kein oder kaum Missbrauchspotential hergibt, warum sollte das Selbstbestimmungsgesetz auf Vertrauensbasis funktionieren? Wir hebeln auch nicht das Asylrecht mit der Begründung aus: wer den beschwerlichen Weg nach Europa genommen hat, beweist hiermit genug, dass man asylberechtigt ist? Warum sollte man freiwillig etwas so anstrengendes oder unangenehmes machen, nur weil man am Ende Profit und Vorteile hat? Vergewaltigung in der Ehe musste man auch explizit unter Strafe stellen, obwohl es selten vorkommt. Viele Straftaten kommen extrem selten vor, trotzdem gibt es komplizierte und lange Paragraphen, die uns schützen und mit denen man sich juristisch zur Wehr setzen kann.
Erschrocken war ich über die Gedanken meines Kollegen zum Thema Sport: alles sei nur ein Spiel mit ausgedachten Regeln, da müsste man nur an einigen Stellschrauben drehen und gut ist.
Hier muss meinem Kollegen ebenfalls entgangen sein, dass in GB, USA und Kanada immer mehr Preise, also Geld, im Frauensport an Transfrauen bzw. Männer gehen. Diese Fälle gab es im Radsport, in der Leichtathletik, beim Skateboardfahren, Mixed Martial Arts (man denke nur an Fallon Fox, der stolz berichtete, wie er seiner Gegnerin den Schädel zertrümmerte, um nur einige Fälle zu nennen. In Sportarten wie Rugby, Fußball und Football kam es mehrfach zu schwerwiegenden Verletzungen. Hier gilt ebenfalls: Selbst wenn man nicht verletzt wird, funktioniert das Phantasiegebilde Sport nur unter der Prämisse Fairness, und diese ist nicht mehr gegeben, wenn ein Mann oder eine Transfrau im Team sind. Angeblich könnte man andere Kategorien erfinden. Wie das genau aussehen soll, wird im Text nicht gesagt. (Weil es keine andere Möglichkeit gibt.)
Trotz Ankündigung wird im weiteren Textverlauf nicht definiert, was eine Transfrau von einem Mann in Kleidern unterscheidet. Der schwarze Peter wird argumentativ JKR zurückgeschoben, dass sie diese Unterscheidung nur mache, weil sie paranoid oder traumatisiert sei. Also ist die Antwort: Wer eine Transfrau sieht, ist normal, wer einen Mann in Frauenkleidern sieht, ist transphob. Das ist keine zufriedenstellende Definition.
Anders als von meinem Kollegen beobachtet, weichen Rollenklischees nicht auf, sondern sie werden durch die Queerideologie zementiert. Ein Mann, der einen Rock anzieht, kann in der Queerideologie nicht einfach ein Mann im Rock sein. David Bowie, einfach ein androgyner Mann? Unvorstellbar. Ein Mann, der einen Rock anzieht, ist „nicht-binär“ oder „trans“, denn das Geschlecht wird nicht mehr durch den Körper bestimmt, sondern durch Kleidung, Attribute oder Verhaltensweisen. Deswegen kleiden sich immer mehr Männer einfach weiblich, operieren nicht, ändern ihren Personenstand und behaupten, sie seien Frauen. Den Personenstand nicht zu ändern und auf Frauenplätzen Karriere zu machen, ist in Deutschland auch möglich. Innerhalb der Queerideologie ist das große Ziel die komplette Abschaffung der Geschlechter. Eine Welt ohne biologisches Geschlecht wird als Utopie imaginiert, die man auf Biegen und Brechen herstellen und umsetzen möchte. Möglicherweise haben manche Frauen davor Angst.
Ein weiteres, krudes Beispiel führt mein werter Kollege an, als er „Transphobie“ mit Rassismus gleichzusetzen versucht. Schwarzhäutige Menschen sind zum einen nicht mit Transpersonen vergleichbar, da es keine Menschenrassen gibt und die Unterscheidung nur auf Äußerlichkeiten beruht, die beiden biologischen Geschlechter aber grundverschieden sind. Zum anderen geht es nicht (nur) um eine potenzielle Gefahr. Nein, ich bin nicht gegen Männer oder Transfrauen in meiner Umkleide, weil sie Vergewaltiger (also bezogen auf schwarze Menschen: Drogendealer) sein könnten, ich bin dagegen, weil Männer und Transfrauen in der Frauenumkleide nichts verloren haben, fertig. Ich bin eine heterosexuelle Frau und ich liebe viele Männer, aber sie gehören weder in die Frauenumkleide, noch in den Frauensport, noch ins Frauenhaus und selbst nicht auf meine private Pyjamaparty, wenn ich sie nur für Frauen ausrichte. Das hat nichts mit Phobie oder Hass zu tun, das hat nur etwas mit dem Geschlecht und all dem, was damit zusammenhängt, zu tun.
Einer Meinung sind wir beide, dass viele Argumente (und ich würde auch sagen: die Grundvoraussetzungen der Transaktivisten) unredlich und kompromisslos sind. Man hat es sich in seiner Parallel-Realität gemütlich gemacht und erträgt die binäre und „transphobe“ Realität nicht mehr so gut.
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So isses. Danke für das sachliche, klare Aufdröseln.