
Ich war auf der Buchmesse als Autor, aber auch als Besucher, und davon möchte ich jetzt berichten. Vorweg aber ein paar Anmerkungen an den geneigten Leser: Verschiedentlich wird ja behauptet, dass die Woken der Gipfel der Humorlosigkeit sind. Wer aber jemals einen Artikel über Ostdeutschland geschrieben hat, wird eines Besseren belehrt werden.
Die Dauerempörten im Osten sind eine ganz eigene Spezies. Und mitunter entsteht der Eindruck, dass das Problem, das viele Menschen im Osten mit Wokeness haben, darin besteht, dass sie der Meinung sind, nur sie selbst dürften humorlos sein und jammern. All diese Jammerer werden auch auf die folgenden Zeilen sehr jammernd und wütend reagieren. Und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ich Menschen mit den folgenden Zeilen in die Arme von Nazis und Antisemiten treibe. Das tut man nämlich, wenn man die Sorgen der Menschen nicht ernst nimmt oder sich – noch schlimmer – über sie lustig macht. Alle anderen Inhalte sind egal. Der geneigte Leser weiß natürlich, worauf ich anspiele. Bevor das hier aber völlig eskaliert, möchte ich den Blick nun tatsächlich auf die Leipziger Buchmesse richten. Oder, wie ich sie von nun an nenne: die Fitzek-Buchmesse.
Willkommen im Messeparadies – und im Oblast
Der Vorteil: Messen sind dadurch gekennzeichnet, dass man auf einem Messegelände ist. Gelände ist meist insofern falsch, als dass man wähnt, man würde sich vielleicht draußen befinden. Und vielleicht sind Landwirtschaftsmessen im Sauerland auch tatsächlich so gestaltet, und ich lade hiermit ausdrücklich jemanden ein, darüber einen Gastbeitrag beizusteuern. Abseits von Landwirtschaftsmessen, und ehrlicherweise wohl auch bei diesen – auch hier ist sich der Autor nicht sicher, wie viel Humor der Landwirtschaftsmessenbesucher verträgt – finden Messen in aller Regel in Hallen statt. Ich bin gerne auf Messen. Man kriegt unfassbar viele Eindrücke, sieht, was in einer Branche ganz vorne ist, aber auch, was neue Trends sind und was interessante und weniger interessante Ideen sind, bei denen man sich teils wünscht, dass sie sich durchsetzen, und teils ganz froh ist, dass man ihnen direkt ansieht, dass sie nicht funktionieren werden. Ich bin gerne auf Messen. Auf Eso-Messen, der Boot, der GamesCon, Manga-Messen, der ComicCon und beiden Buchmessen, also der in Frankfurt und der in Leipzig. Es ist meine zweite Buchmesse in Leipzig. Der unbestreitbare Vorteil der Buchmesse in Leipzig ist, dass man durch die großen Hallen und das Messegelände eigentlich wenig Notwendigkeit hat, das Umland zu erkunden – und ebenso seine indigene Bevölkerung. Ganz lässt sich dies gleichwohl nicht vermeiden, da die Unterkünfte sich nicht auf dem Messegelände befinden und somit ein Mindestmaß an Interaktion notwendig bleibt.
Leipzig liegt in Distrikt Sachsen, im russischen Oblast Ostdeutschland. Und als wir die Grenze nach Sachsen überschritten, wurden wir auf der Autobahn von einer Autobahnbrücke aus mit wehenden Deutschlandfahnen und einer wehenden Sachsenfahne von Menschen begrüßt, die mit Treckern auf einer Brücke standen, uns zuwinkten und ein großes „Freie Bauern Sachsen“-Transparent gehisst hatten. Mit den beiden mittleren Fingern meiner Hände grüßte ich zurück und wusste: Nun sind wir da. Dass wir im Oblast waren, konnte man schon deutlich früher daran erkennen, dass die Autobahnen in einem wunderbaren Zustand waren. Man mag sich fragen, ob zukünftige Generationen auch hier verfälschend zuschreiben werden, wer eigentlich die Autobahn gebaut hat, und ob das nicht zumindest etwas sein muss, das man Alice Weidel als Positivum zuschreiben muss.
Der Preis der Gastfreundschaft
Aber ich schweife wieder ein wenig ab. Bei jeder Messe rufen die Hotels „Messepreise“ auf. So natürlich auch hier. Die Währung im Oblast ist nach wie vor der Euro. Wie der Presse zu entnehmen ist, sind hier ja Parteien mehrheitlich vertreten, die sich eine Abschaffung dieser Währung wünschen und offiziell benennen, zur D-Mark zurückzukehren – vermutlich aber eher zum Rubel.
Neben den Hotelkosten erlaubt sich die Stadt Leipzig dann auch noch, einen Prozentsatz der Preise des Hotelzimmers als Herbergsabgabe einzufordern. Bei Luftkurorten kennt man das – oder auch bei Städten wie Rom. Man könnte dementsprechend den erhobenen Betrag schlicht als Abzocke bezeichnen, aber irgendwen in der Stadtverwaltung Leipzig würde das sicherlich weinen lassen, und wie ich eingangs schon sagte: Man darf die hier empfindlichen Gemüter im Oblast nicht reizen. Dementsprechend unterbleibt dies auch hier, und es wird anerkannt, dass Maßnahmen getroffen werden, dass das, was unsererseits mit bereits 7 Billionen Euro finanziert wurde, jetzt in einem halbwegs angemessenen Zustand gehalten werden soll. Man muss sich daran erinnern: Vor 1990 war das ja hier nicht möglich.
Allerdings: Die Deutung als Abzocke wurde uns von unserem Gastgeber, dem sächselnden Hotelier, eben als Abzocke bezeichnet. Nun weiß ich nicht, ob es kulturelle Aneignung ist, wenn ich dieses Narrativ einfach übernehme. Aber viel mehr habe ich nicht von den Ausführungen verstanden, habe aber an den richtigen Stellen höflich genickt, ein wenig gelächelt, einmal sogar kurz aufgelacht, als mir dies angemessen erschien. Man weiß ja nicht, wer in Zukunft Lagerwärter an der Baracke wird, in der man dann wohnen darf.
Das Zimmer selbst war als Business-Doppelzimmer ausgepreist und angepreist. Die Auspreisung war richtig, die Anpreisung deutlich weniger. Es gab sehr viele Schränke. Insgesamt vier Schränke und jede Menge Regale. Der Vorteil: Wird nachgeliefert. Der Nachteil: In keinem der Schränke fand sich beispielsweise ein zusätzliches Kopfkissen oder eine Decke. Geschirr gab es – an der Rezeption gegen Pfand. Der Fernseher war übersichtlich, aber immerhin kein Röhrengerät mehr, und ohne SECAM. Der große Raum wurde versucht, von zwei Halogenlampen auszuleuchten – erfolglos. Das Licht reichte in das Bad, wobei das Bad ein durch eine Glastür abgetrennter Raum neben dem Doppelbett war. Hier zeigte sich wieder die Kreativität der Menschen im Oblast: Auf die viereckige Toilettenschüssel war ein halbkreisförmiger Toilettensitz angebracht. Spannend, aber nicht nachvollziehbar. Wir Wessis sollten weniger darüber urteilen, wie man hier im Oblast lebt.

Organisation, Ohnmacht und Ordnung
Das ist der Rahmen, in den die Leipziger Buchmesse eingebettet ist. Zumindest für mich war das so. Viel wurde in den Medien darüber geschrieben, wie voll es auf der Leipziger Buchmesse war und dass der Vorverkauf gestoppt wurde und wie lange man anstehen muss und sowas alles. Ich konnte mich da nicht beklagen und konnte das alles auch nicht nachvollziehen. Das mag damit zu tun haben, dass ich einen Ausstellerausweis habe und schlicht an der knapp 50 bis 100 Meter langen Schlange vorbeigehen konnte und binnen dreier Minuten in der Messehalle war – und zwar deutlich vor der Eröffnung für alle anderen. Nun gut. Als hoch sozial empathischer Wessi ist mir aber nicht entgangen, wie lang all die anderen, unter anderem meine Begleitung, in der normalen Schlange standen. Das war ärgerlich. Für mich jetzt nicht, wie erwähnt. Aber es ist durchaus nicht nachvollziehbar, wie man beschließen kann, eine Messe um 10 Uhr zu eröffnen, um 10 Uhr die ersten Programmpunkte zu haben, im Wissen, dass ein Großteil der Besucher es gar nicht schaffen kann, dann rechtzeitig da zu sein. Wie mir mein Verleger mitteilte, hat die Messe aber noch am Abend davor mitgeteilt, dass man um 9:55 Uhr öffnen würde. Ole.
Ich war am Samstag da, und tatsächlich waren viele am Samstag deswegen früh da, da sie Trommler Bela B. sehen wollten, der Bücher signierte, nachdem er nun selbst ein Buch geschrieben hat. Irgendwas mit Berlin, Backstage, Groupies und Drogen – wenn ich das richtig erzählt bekommen habe. Ich gehe davon aus. Er soll auch schon Bücher davor geschrieben haben, der Umstand, dass das aktuelle Buch aber wie das erste imponiert, zeigt letztlich, dass wir es hier nicht mit einem Top-Autor der deutschen Literaturszene zu tun haben. Aber das ist okay. In jedem Fall sind viele für ihn gekommen und konnten sich ausrechnen, dass sie in keinem Fall pünktlich sein würden – selbst dann nicht, wenn man in völlig unbürokratischer Art und Weise die Messe fünf Minuten früher öffnete. (Bela B. blieb aber tapfer deutlich länger als wohl avisiert – Dank und Respekt dafür!)
Hätte man das anders machen können? Ja, hätte man. Ich habe von Ausstellern genau erklärt bekommen, was die neue Messeleitung mittlerweile anders macht – insbesondere mit Blick darauf, wo die Besucher wann eingelassen werden. Und wieso das Teil des Problems ist. Ich werde die Leserinnen und Leser hier nicht mit Details langweilen, aber man kann verkürzt Folgendes festhalten: Die Grundtendenz eines Unternehmers sollte sein, bei Übernahme einer Firma all das beizubehalten, was gut funktioniert und vom Kunden geschätzt wird. Und das zu ändern, was problematisch läuft. Viele Marken handeln nicht danach. Sie glauben, dass ihre Vormachtstellung auf dem Markt so massiv ist, dass sie sich erlauben können, gegen die Interessen ihrer Konsumenten zu handeln. Der Markt regelt – und irgendwann sind all diese Unternehmen am Ende. Nur brachte diese Wahrheit des Marktes aber am Samstagmorgen den Anstehenden recht wenig.
Positiv zu vermerken ist in jedem Fall, dass es aus hiesiger Sicht nie dazu kam, dass die Ordnungskräfte auf der Messe überfordert waren oder durch Unfreundlichkeit auffielen. Auch dann, als die Menge sehr groß und dicht wurde und man einzelne Bereiche absperren musste, tat man dies in freundlicher Professionalität. Auf der GamesCon in Frankfurt habe ich das im letzten Jahr deutlich anders erlebt, wo Ordnungskräfte mitunter Leute an ihren Rucksäcken rissen, damit die nicht irgendwo hingingen – beziehungsweise irgendwo anders doch hingingen, aber in jedem Fall nicht dorthin gingen, wo sie eigentlich hingehen wollten. In Leipzig war so etwas nicht zu beobachten.
Zwischen Mangas, Rom-irgendwas und Messelogik
Ich möchte persönlich auf solchen Messen die Cosplayer nicht missen. Ich mag das. Menschen jeden Alters, Geschlechts, Statur verkleiden sich als Figuren – teils aus Serien, Filmen oder selbsterdachten Werken. Man mag dies manchmal strange finden und darüber schmunzeln. Die eigentliche Gefahr hier im Oblast ist aber, dass man die Einheimischen aufgrund ihrer Kleidung mit Cosplayern verwechselt. Andererseits ist es auch so, dass wir ja Lookismus vermeiden wollen. Und insofern ist vielleicht die beste Herangehensweise an die traditionelle Kleidung der indigenen Bevölkerung des Oblastes, stets davon auszugehen, dass man es hier mit einem Cosplay zu tun hat, das in einer Post-Wende-Periode spielt. Man darf sich dann über diese Kleidung und das Aussehen, und erst recht nicht die Farbansätze der Frisuren, schlicht nicht lustig machen. Es sind liebevoll ausstaffierte Kleidungsstücke, die in ihrer Detailverliebtheit den anderen Cosplayern aus Mangaserien in nichts nachstehen.
In jedem Fall sind die Cosplayer wirklich eine Bereicherung einer jeden Messe. Was mich an ihnen immer besonders freut, ist die Freundlichkeit im Umgang und die Bereitschaft, sich auch immer gerne fotografieren zu lassen. Meiner jahrelangen Beobachtung nach haben wir es hier auch eher mit Histrionik als mit Narzissmus zu tun – zumindest bei vielen der Personen. Und das macht es für die Person vielleicht nicht immer besser, aber im Umgang mit der Person dann doch deutlich. Und man darf nicht vergessen: Natürlich sind Mangas Bücher, natürlich ist auch all das Buchkultur. Und ich finde es sehr richtig, dass man einen ganzen Hallenbereich eben dem gewidmet hat.
Womit ich mich allerdings generell ein wenig schwertue, ist tatsächlich die Frage des Aufbaus der Hallen. Also ich meine jetzt nicht, dass sie quaderförmig sind, sondern die inhaltliche Gestaltung. Die Hallen sind nämlich thematisch sortiert. Das ist üblich, erprobt und wohl auch von den meisten Besucherinnen und Besuchern so gewünscht. Und wer wäre ich, den Mehrheitswillen anzuzweifeln? Allerdings habe ich mir öfter einmal vorgestellt, wie das wäre, wenn man einfach bunt mischen würde. Wenn also der große Schulbuchverlag neben dem Special-Interest-Verlag für Automotoren stünde und daneben ein Manga-Verlag und daneben dann wieder ein Verlag, der nur Fantasy-Romane mit romantischem Einschlag verkauft – übrigens ein Hit auf dieser Buchmesse. „Romantasy“ nennt man so etwas. Nach Rom-Com und Dark-Romance mein drittliebster Begriff von Dingen, die es konsequent mit Blick auf Kultur zu meiden gilt.
Frühe Auswüchse dieses Genres nannten sich zu Recht noch „Zwielicht“. Diese einfache Zuordnung erfolgt heute aber nicht mehr. Und letztlich sehe ich es so: Wenn es Menschen gefällt, dann sollen sie es halt lesen. Man kann froh sein, dass im Oblast derzeit noch alle Bücher frei verfügbar sind. Spannend wäre in jedem Fall eine solche Durchmischung der Buchstände. Ich glaube, man wäre dann gezwungen, all das mitzubekommen, was man auch gar nicht sehen möchte, würde sich über den Aufbau ärgern – aber auch eine viel größere Menge an Inhalten bekommen. Und sich andererseits nicht satt sehen, wenn man beim vierten Verlag mit gefühlt demselben Sortiment am vierten folgenden Stand steht.

Erst Selfie, dann vielleicht Inhalt
Denn es gibt tatsächlich viel zu sehen, und dieser Satzanfang klingt dann doch wie ein Klischee-Messebericht, weswegen an der Fortsetzung dieses Satzes nicht weitergearbeitet werden wird. Es ist toll zu sehen, wie vielfältig die deutsche Buchszene ist. Mich erfreut das jedes einzelne Mal, wenn ich so etwas mitbekomme. Es gibt gefühlt schon zu allem hinreichend Bücher, und dann entdeckt man noch eins mehr, und dann entdeckt man noch eines, und dann noch eines, und dann noch welche zu Themen, von denen man gar nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt. Ein neues Buch, und dann noch ein weiteres, und dann eines, bei dem man sich denkt: Was ist das denn? Und so weiter und so fort.
Der Nachteil hier ist allerdings, dass man sich dann doch irgendwann sattgesehen hat – an der Vielfalt, vielleicht auch, weil zumindest mein menschlicher Verstand nicht dafür geeignet ist, so viele neue Eindrücke in kurzer Zeit wahrzunehmen, zu verarbeiten, einzuordnen und abzuspeichern. Aber vielleicht geht es auch gar nicht darum. Vielleicht geht es eher darum, sich auf das Genießen und die Momente einzulassen.
Wie mir einige Aussteller berichteten, ist es dabei so, dass es in diesem Jahr deutlich mehr Besucherinnen und Besucher auf der Leipziger Buchmesse gab als in den Jahren zuvor – andersherum aber die Umsätze nicht nur nicht absolut gestiegen sind, sondern sogar absolut und somit auch noch in Relation gesunken. Das spricht aus meiner Sicht tatsächlich dafür, dass das Ganze für viele doch eher Eventcharakter hat und man sich vielleicht eher bei der Buchmesse Ideen holt, dann aber die Bücher vielleicht doch eher online bestellt.
Ich werde hier keine verkürzte Kapitalismuskritik betreiben und gegen den großen Online-Buchverkäufer wettern, erlaube mir aber zumindest darauf hinzuweisen, dass es nicht alle Bücher bei diesen zu kaufen gibt – und insbesondere die kleinen Verlage es schlicht mittlerweile gar nicht mehr ins Sortiment schaffen, im Übrigen auch unabhängig davon, was sich die Leserin oder der Leser wünscht. Man mag daraus seine eigenen Schlüsse ziehen – es ist aber in jedem Fall, wie es ist.
Bunt ist das neue tiefgründig – Menschen, Farben, Farbschnitte
Was die Trends angeht, habe ich hier weiter oben schon etwas angedeutet. Und der andere Trend, der beobachtbar ist, erscheint mir aus demselben Lager zu kommen – nämlich die seit Jahren auf dem Vormarsch seienden Farbschnitte.
Wem das nichts sagt: Man stelle sich vor, man schaue auf einen Buchrücken. Nun drehe man das Buch um, sodass es mit den Seiten zu einem hin zeigt, und bemale die Seiten, die man dann eben sieht – oben, unten und zum Betrachter hin – mit einem Bild. Man nennt dies einen Farbschnitt, und die sind mitunter wirklich schön anzuschauen. Manchmal haben sie sogar Gimmicks dahingehend, dass – je nachdem, in welche Richtung man das Buch biegt – unterschiedliche Dinge zu sehen sind. Manchmal können sie sogar ein Daumenkino sein. Es ist auf jeden Fall schön anzuschauen, wobei sich mir immer die Frage stellt, ob man dann auch konsequent die Bücher nun andersherum ins Buchregal stellt – also mit dem Buchrücken an die Wand –, was zumindest einer gewissen Logik folgen würde. Aber ich glaube, diese Bücher sind vor allem einfach nur schön, und das zunächst einmal unabhängig vom Inhalt – wobei damit letztlich nichts gesagt werden soll, da ich schlicht keines solcher Bücher a) besessen und b) gelesen habe. Es ist aber auf jeden Fall ein Trend, und es gibt sogar einen Stand eines Verlages – um das einmal so zu nennen –, der eben Bücher aufkauft, dann mit einem Farbschnitt versieht und dann deutlich teurer weiterverkauft. Irgendjemanden da draußen wird interessieren, wie das mit der deutschen Buchpreisbindung zu vereinbaren ist. Mir ist es schlicht egal. Auf jeden Fall ist es schön anzusehen – und ein Trend, von dem ich glaube, dass er sich in der Zukunft fortsetzt.
Was mich auch freut, ist die Vielfalt der Menschen, die man auf der Buchmesse sieht. Die Kundschaft ist aus meiner Beobachtung überdurchschnittlich weiblich und jünger. Außerdem fallen viele Personen auf, die man durchaus dem eingangs schon erwähnten Woken- bzw. LGBTQ-Publikum zuordnen kann. Vielleicht lag das aber auch daran, dass ich viel in der Fantastikhalle unterwegs war. Und zuletzt habe ich auch immer wieder den Gedanken, dass, wenn ich hier im Oblast leben würde, ich schon allein auf all meine Kleidungsstücke eine Regenbogenfahne packen würde. Einfach nur, um zu zeigen, dass ich anders bin als diejenigen, die den Anschluss an Moskau wünschen. Und es tut gut zu sehen, dass hier viele dieser Menschen eben genau dies zeigen. Ich weiß, dass es gerade bei mir oft so klingt, als gäbe es diese Menschen nicht. Es gibt sie. Und es ist gut. Und es ist gut, dass sie nicht nur für sich, sondern auch für Minderheiten einstehen, zu denen sie mitunter gar nicht gehören.
Und es ist auch gut, dass hier viele junge Menschen sind. Nicht, weil ich der Meinung wäre, dass junge Menschen in irgendetwas schlechter sind als wir Älteren. Das Gegenteil ist meist der Fall. Die jüngere Generation macht es eigentlich immer besser als die Ältere. Bis auf wenige Ausnahmen. Man nennt dies gesellschaftlichen Fortschritt. Nein, ich meine, dass es den anwesenden Älteren auf der Buchmesse gut tut, zu sehen, wie viele junge Menschen es doch in diesem Land gibt. Wie sehr sie sich für Kultur begeistern. Und dass die Hoffnung besteht, dass zumindest die Geschwindigkeit der Entwicklung der Gerontokratie ein wenig verlangsamt wird.
Fitzek-Festspiele und der Rest – Autoren auf der Buchmesse
Man muss wohl in einem Bericht über eine Buchmesse auch über Autoren sprechen. Zumindest dieses Klischee mag ich hier erfüllen. Um das Klischee nun ganz zu erfüllen – zumindest mit Blick darauf, wie mich einige Leser wahrnehmen – sollte ich nun lang und breit ausführen, wie es bei meinen beiden Signierstunden zuging und wie toll mein neues Buch ist. Aber dieses Klischee möchte ich auch kurz einmal durchbrechen und darauf hinweisen, dass neben mir noch viele andere Autoren auf der Buchmesse in Leipzig waren. Und in nicht völliger Selbstüberschätzung muss ich eingestehen, dass ich wahrscheinlich eher einer der unwichtigsten Autoren auf dieser Buchmesse war – sicherlich aber nicht der unwichtigste, das wäre dann doch zu selbstwertquälend.
Über Bela B. habe ich weiter oben schon gesprochen, und wahrscheinlich könnte ich nun viele, viele Zeilen damit füllen, wer noch alles da war, Bücher präsentiert, aus Büchern gelesen, über Bücher diskutiert, über Themen diskutiert, über Gesellschaft diskutiert und Bücher signiert hat. Das werde ich nicht tun.
Witzig fand ich, an einem Stand Katja Burkard zu sehen und mir vorzustellen, wie sie die ganzen S-Laute in ihrem neuen Buch zum Thema „60 werden“ ausspricht. Aber auch darüber lacht man ja bekanntlich nicht – und als jemand, der manchmal zumindest denselben Sprachfehler nicht unterdrücken kann, leide ich still mit Katja Burkard mit. Sehr still. Schweigsam. Schweigsam ohne S-Laut.
Für mich das absolute Phänomen dieser Buchmesse war aber definitiv Sebastian Fitzek. Ich mag seine Romane nicht. Ich weiß, dass er ein sehr beliebter Autor ist und dass seine Thriller, die Horrorelemente haben, gut laufen – und ehrlicherweise habe ich es ihm in der Vergangenheit nicht immer gegönnt, weil sie für meinen Geschmack oft mehr als übersichtlich recherchiert sind. Und zumindest in den ein oder zwei Romanen, die ich gelesen habe, ist das Ende so absurd, dass das Lost-Finale dagegen ein Höhepunkt dramaturgischer Erzählung war.
Aber – und das gehört in einem solchen Artikel als Phrase – man muss den Autor von seinem Werk unterscheiden. Und nach dieser Buchmesse gestehe ich: Ich bin ein bisschen ein Sebastian-Fitzek-Fan geworden.

Man kann es sich so vorstellen: Man ist in einer Halle und sieht Fitzek gut gelaunt tausende Bücher signieren und schiebt sich im Menschenstrom langsam aus dieser Halle raus in die nächste Halle, auf der ein Panel läuft, schaut auf das Panel und hört dort gut gelaunt Sebastian Fitzek diskutieren, um ihn dann, weiter in eine andere Halle geschoben, wieder auf einem Plakat zu sehen – und in meiner Erinnerung stand er dann auch direkt wieder davor. Sebastian Fitzek war überall. Sebastian Fitzek lächelte freundlich, ging in Gespräche – und es war wirklich einfach eine Freude, Sebastian Fitzek anzuschauen. Es waren die Sebastian-Fitzek-Festspiele.
Und deswegen habe ich mir vorgenommen, auch seinen Romanen eine zweite Chance zu geben. Nein, natürlich nicht. Seine Werke werden nicht dadurch besser. Aber: Ich werde nie wieder schlecht über den Autor Sebastian Fitzek sprechen, sondern nun tatsächlich den Autor und das Werk klar voneinander trennen. Während ich diese Worte schreibe, habe ich wirklich dieses grinsende Gesicht vor Augen, das mit einem 80er-Jahre-Humor-T-Shirt – „Ich habe tausend Cliffhanger überlebt“ – ein ums andere Buch signiert. Ein einfach sympathischer Typ.
Begegnungen, Bücher, Barrieren – und warum Leipzig sich trotzdem lohnt
Angenehm war darüber hinaus auch die durchgängig entspannte und gut gelaunte Stimmung. Man traf hauptsächlich auf freundliche Gesichter. Und an den Ständen auf viele angenehm, aber nicht übergriffige Kommunikationspartner. Und so habe ich dann wohl einige hundert Euro in Bücher investiert. Ich bereue nichts.
Aus ganz persönlichen Gründen erlaube ich mir dann hier noch zu sagen, dass ich auf dieser Buchmesse unfassbar viele Menschen wiedergetroffen habe, die ich teils lange nicht mehr gesehen habe, teils nicht ganz so lange nicht. Ich habe mich über sie alle gefreut. Und tatsächlich mag ich auch dieses Gefühl – jemanden lange nicht mehr gesehen zu haben, nicht zu wissen, wann ich ihn das nächste Mal sehe, aber so miteinander zu sprechen, als habe man sich erst vor Kurzem gesehen und würde sich auch bald wieder sehen.
Tatsächlich finde ich – unabhängig von all den Schwierigkeiten, die eine Veranstaltung im Oblast mit sich bringt –, dass man auf der Buchmesse in Leipzig gewesen sein muss. Zumindest dann, wenn man jemals in seinem Leben freiwillig ein Buch außerhalb seines Schulunterrichts gekauft hat. Die meisten unserer Leserinnen und Leser hier werden in diese Kategorie fallen – vielleicht sogar alle. Und ich kann wirklich empfehlen, sich einmal die Buchmesse in Leipzig zu geben.
Der Streit, ob die Buchmesse in Frankfurt oder Leipzig die bessere ist, lässt sich natürlich lange und ausführlich führen. Es ergibt aber letztlich keinen Sinn, weil es natürlich diejenige in Frankfurt ist. Und gleichwohl – noch einmal: Ich empfehle wirklich, die Buchmesse in Leipzig zu besuchen, Menschen kennenzulernen, Bücher kennenzulernen – und all das zu tun, bevor die Grenze zum Oblast wieder zu ist.