Die Ruhrtriennale hat begonnen. Die meisten Kritiker sind von dem, was sie bislang zu sehen bekamen, nicht angetan.
Die Ruhrtriennale wurde gegründet, um das Image Nordrhein-Westfalens als Kulturstandort zu verbessern und ein paar zahlungskräftige Kulturtouristen ins Ruhrgebiet zu locken. Und da da nach der Internationalen Bauausstellung viele Industriegebäude leer standen, für die man keine Nutzungsidee hatten, wurde sie kurzerhand als Aufführungsorte genutzt.
Mit 27.000 verkauften Karten ist die Zahl der Besucher der Ruhrtriennale überschaubar und unter der Intendanz vonStefanie Carp sinkend: Ihr Vorgänger Johannes Simons schaffte es in seinem letzten Jahr als Ruhrtriennale-Intendant 34.000 Menschen davon zu überzeugen, eine Karte zu kaufen.
Soll also die frohe Botschaft vom Kulturstandort NRW und dem Reiseziel Ruhrgebiet verkündet werden, hängt alles von der Berichterstattung in den Medien ab. Mit ihr wird ein Millionenpublikum erreicht. Und was die bislang zu lesen bekamen, war, freundlich ausgedrückt, eher durchmischt.
Da war das zur Eröffnung am Dienstag gezeigte Stück „Nach den letzten Tagen. Ein Spätabend“ von Christoph Marthaler mit Texten von Stefanie Carp.
Die taz kritisiert, dass es bereits 2013 in Wien uraufgeführt wurde. Eigentlich sollten ja bei der Ruhrtriennale Uraufführungen im Vordergrund stehen. Auch die Arbeit selbst kam schlecht weg:
„Problematisch dagegen bleiben die Texte, die populistische und antisemitische Äußerungen eins zu eins wiedergeben und einzig durch das ironische Spiel der Darsteller konterkariert werden. Das wirkt auf die Dauer enervierend banal und lässt tiefer lotende Analysen vermissen. Der Abend will zu viel, Marthalers politischer Scharfsinn, der sonst aus Alltagsbeobachtungen wächst, will hier nicht greifen. Enden wollender, freundlicher Applaus beschließt den seltsam kraftlosen Abend.“
Der General-Anzeiger schrieb von einem „redundanten und plakativen Abend“ und stellte fest: „Der Applaus nach der nicht ausverkauften Premiere fiel eher freundlich als begeistert aus.“
Der Bayerische Rundfunk war ebenfalls nicht angetan: „Klar, es ist ungemein schwer, für den Holocaust angemessen abstrakte Bilder zu finden, aber diese waren einfach viel zu beliebig und oberflächlich. Obendrein erschöpfte der schier endlose Reigen von antifaschistischer Bekenntnismusik im zweiten Teil, bis hin zu Luigi Nonos Chor-Collage zur Erinnerung an die Opfer von Auschwitz. Das sollte aufrütteln, erschüttern, bewirkte aber leider das genaue Gegenteil, nämlich schläfrige Gleichgültigkeit. Einige Zuschauer gaben vorzeitig auf. Schade, dieser Auftakt zur Ruhrtriennale war fade, bleiern und ziemlich weinerlich. Nicht gerade das, was Europa derzeit braucht.“ Das Fazit: Alle Menschen werden müder.
Der Spiegel schrieb: „Das NRW-Festival will in der zweiten Saison von Stefanie Carps Intendanz „die Krise der Repräsentation“ und postdemokratische Entwicklungen ausleuchten.“ und nannte Carps „Kurzschluss zwischen Faschismus und dem akuten Notstand demokratischer (Geistes-)Verfassung“ unterkomplex.
Die WAZ nannte das Stück „anstrengend asketisch“ und erinnerte daran, dass die Ruhrtriennale auch einen touristischen Auftrag hätte.
Die einzige rundum positive Kritik kam von der Neuen Zürcher Zeitung. Dort scheint man das Duo Carp/Marthaler, das einst am dortigen Schauspielhaus wirkte, noch immer zu vermissen: „So radikal, so unkulinarisch und explizit zeitkritisch war Marthaler noch nie. Seiner neusten Arbeit ist jede Form von schweizerischer Verzwergungs- und Verniedlichungsattitüde fremd.“
Auch das zweite große Stück, Heiner Goebbels „“Everything that Happened“ wurde nicht gerade gefeiert. Der Bayerische Rundfunk schaute es sich und die Reaktionen des Publikums an: „Nun ist die Avantgarde, nun sind Experimente wahrlich nicht auf Publikumsjubel angewiesen, aber etwas zugänglicher hätte dieses Projekt schon sein können. Mehr Publikumsnähe täte auch der Ruhrtriennale insgesamt gut, die in der Region kaum jemand kennt und vergleichsweise wenige schätzen, die leeren Plätze selbst bei Premieren sprechen für sich.“
Die Süddeutsche Zeitung hat ein vorläufiges Résumé gezogen: „Europäische Selbstkritik hat die Intendantin Stefanie Carp der Ruhrtriennale vorgeschrieben. Der Auftakt des Festivals hielt das Publikum noch auf Distanz.“
Gute besprochen hat die FAZ hingegen das Stück „All the Good“: „Vieles an diesem Abend ist sehr ernst und betrifft Fragen unseres Verhältnisses zur Welt. Manches ist witziger Unsinn, verspielter, poetischer Quatsch. Die Kompositionen des charismatischen Musikers Maarten Seghers halten den Abend rhythmisch und emotional zusammen und begleiten die interessanten Tänze. Es ist eine außergewöhnlich schöne Erfahrung, diesem Theater beizuwohnen, es ist, als ginge man mit alten und jungen Freunden essen, säße an einem sehr großen Tisch sehr lange zusammen und alle brächten alles zur Sprache, was sie beschäftigt. Und sei es noch so bescheuert. Man findet nicht alles richtig, was gesagt wird, aber man ist dankbar, teilen zu können, „All the Good“.“
Besonders gut ist Stefanie Carp also nicht in ihr zweites Jahr als Ruhrtriennale-Intendantin gestartet. Im September wird man Bilanz ziehen müssen. Sie wird bestenfalls gemischt ausfallen.