In der Nacht zu Dienstag sorgten Nazischmierereien an und in Flüchtlingsunterkünften in Waltrop im Kreis Recklinghausen für große Empörung in der Öffentlichkeit.
Davon betroffen waren, wie inzwischen bekanntwurde, leider auch nicht ‚nur‘ die Außenwände der vier betroffenen Gebäude, sondern der (oder die) Täter drangen dabei auch zumindest in ein Treppenhaus ein, besudelten dies ebenfalls mit ihren/seinen üblen Hasstiraden in Richtung der hilfesuchenden Bewohner.
Dies konnte man nachts offenbar völlig unbehelligt tun, da die Flüchtlingsunterkünfte über zu jeder Tages- und Nachtzeit von jedermann leicht zu öffnende, völlig unverschlossene Eingangstüren verfügen, wie die örtliche Stadtverwaltung inzwischen freimütig bestätigte. Und daran könne nach deren Ansicht auch zukünftig nichts geändert werden, so die Verantwortlichen in Waltrop.
Das wirft natürlich automatisch die grundsätzliche Frage auf, ob dem wirklich so ist. Gibt es wirklich keine bessere Lösung als Flüchtlingsunterkünfte Tag und Nacht für jedermann zugänglich zu halten?
Die in der Nacht zu Dienstag aufgebrachte rote Farbe ist von den Waltroper Asylbewerberunterkünften inzwischen schon wieder entfernt worden. Doch die Debatte über die Taten geht am Ort unvermindert emotional weiter. Im Internet wird aktuell noch immer heiß diskutiert ob es wirklich ‚normal‘ ist, dass die Unterkünfte 24-Stunden am Tag von jedermann leicht zu betreten, die Türen ohne vorheriges Läuten oder Schlüssel zu öffnen sind.
In der ‚Waltroper Zeitung‘ vom Tage rechtfertigt der zuständige Dezernent Gottfried Oelenberg nun diese Zustände: „Haustüren von Flüchtlingsunterkünften regelmäßig abzuschließen – das ist weltfremd“, so sein Fazit. „Man kann das nicht regeln wie in einem normalen Mietshaus“, sagte Oelenberg den Kollegen am Ort. Lediglich die einzelnen Zimmer seien hier von den Bewohnern abzuschließen, die Haustür aber nicht.
Wer aber mal in einen ‚normalen‘ Mehrfamilienhaus gelebt hat, so wie ich, der wird vermutlich durchaus erlebt haben, dass man die Haus-Türen dort von außen, auch wenn die Tür grundsätzlich nicht abgeschlossen ist, zumindest in der Regel eben nicht einfach so leicht aufdrücken kann. Schon gar nicht nachts. Eine Sperre am Türschloss kann dies leicht verhindern, so dass die Tür nur im Notfall von innen jederzeit zu öffnen ist. Und so gesehen greift hier in diesem Zusammenhang auch der Hinweis auf ein Urteil des Landgerichts Frankfurt, wonach Haustüren von Mehrfamilienhäusern gar nicht abgeschlossen werden dürfen (Az.: 2-13 S 127/12) so einfach nicht.
Natürlich stellt sich hierbei schon die Frage der bestmöglichen Praktikabilität. Wenn man die Tür tagsüber so einstellen würde, dass sie sowohl von innen als auch von außen jederzeit und von jedem zu öffnen ist, was bei vielen ständig ein und ausgehenden Menschen ja sinnvoll erscheint, so müsste jemand zumindest wohl gegen Abend die Sperrvorrichtung am Schloss aktivieren, so dass von diesem Zeitpunkt an von außen, wenn die Bewohner des Hauses schlafen, nicht ständig jedermann einfach ungebeten in der Haus gelangen kann.
Die Tatsache, dass hier offenbar aus praktikabilitätsgründen nicht jedem der zahlreiche Bewohner ein eigener Schlüssel übergeben werden soll, die erschwert hier natürlich eine für alle Seiten letztendlich wirklich befriedigende Lösung.
Aber die Häuser einfach völlig unverschlossen zu lassen, an sieben Tagen in der Woche und an 24 Stunden am Tag, das ist dann doch ein Unsicherheitsfaktor der einem als Beobachter zunächst einmal völlig unverhältnismäßig erscheint.
Und da fragt man sich dann grundsätzlich schon auch, ob das nicht doch sehr viel besser zu regeln wäre, wenn man denn mit etwas gutem Willen an die Sache herangehen würde? Macht es sich die örtliche Stadtverwaltung hier so nicht doch deutlich zu einfach?
Wozu es führen kann, wenn die Häuser rund um die Uhr völlig offen stehen, dass mussten die Asylbewerber im `Lehnemannshof‘ in Waltrop in dieser Woche ja leidvoll erfahren. Gar nicht auszudenken, was da hätte alles passieren können. So gesehen war es wohl auch fast noch ‚Glück‘, dass es nur zu Farbschmierereien im Gebäudeinneren kam…
@Robin: Das Frankfurter "Haustür"-Urteil (welches nur den Türdrücker statt Klinke von außen als "Standard" betrachtet) macht auch mit Sicherheitssperre dann Sinn, wenn die einzelnen Bewohner über ausreichend Haustürschlüssel verfügen, was man bei Bewohnern einer Asylunterkunft nicht nur aus quantitativen Gründen mit gutem Gewissen verneinen kann.
Einzig praktikable und auch anderswo praktizierte Lösung ist eine 24h-Videoüberwachung mit ausreichend Hinweisschildern.
@Klaus: Mir fällt da aus meiner persönlichen Erinnerung noch so manche Jugendherberge ein, wo es vielleicht ähnlich 'unübersichtlich' zuging. Dort konnte man tagsüber relativ ungehindert ein- und ausgehen, ab einer gewissen Uhrzeit musste man am Abend bzw. in der Nacht jedoch bei einer Art Pförtner um Einlass bitten. Raus kam man natürlich immer. Dürfte aber vermutlich, ähnlich wie die Videoüberwachung, zu teuer für viele Städte sein.
@Robin: Schätze, dass die Anschaffung einer Videoanlage heutzutage um ein Vielfaches günstiger ist wie ein Pförtner in Vollzeit oder sogar Schichtdienste.
Das mag sein, Klaus. In einer Stadt in der man laut Verwaltung jedoch aktuell nicht einmal mehr das Geld für die kleinsten Anschaffungen hat, die aktuell eine Haushaltssperre hat, dürften aber auch mehrere Videoüberwachungsanlagen aktuell finanziell nicht drin sein, fürchte ich. Und die Finanzlage ist ja in vielen Revierstädten ähnlich dramatisch.
@#4: Ist eine Einzelfallbetrachtung der Kommunen, klar. Allerdings können auch Kommunen sich bemühen, für akute, nicht aufschiebbare Ausgaben entspr. Genehmigungen der Bezirksregierung zu erhalten (war in Dortmund damals das gleiche) und neben den Eigenmitteln z.B. EU-Fonds für ganz spezielle Projekte anzuknabbern, da gibt es gerade im Bereich Asyl/Integration/Rückführung eine ganze Reihe.
Könnte man nicht Bewohner in die Kunst des Pförtnerns einweisen?
Viele Dinge, die man sich so in seinem Wohnzimmersessel überlegt, werden in der Heimrealität einfach nicht funktionieren. Ein Mechanismus, der verhindert, dass die Tür nachts von außen geöffnet werden kann, wird durch einzelne deaktiviert werden, die nachts eben doch herein wollen (oder die Tür wird dann permanent aufgestellt oder direkt das Schloss entfernt). Wenn wie unter #6 vorgeschlagen Flüchtlinge die Pförtner spielen, werden sofort Hierarchien und ganz andere ungewollte Dynamiken entstehen.
Diese ganze Zugangsüberwachung ist eben auch Überwachung, glaub nicht, das die Einwohner möchten das die Damen des horizontalen Gewerbes jedem auffallen, bzw. welche Gegenstände/Materialie rein und rausgebracht werden. Ein gewisser Handel findet da natürlich auch statt.
Ich glaube aber auch nicht, dass die Bewohner während des Schlafens diese ungebetenen 'Gäste' im Haus haben möchten. Mal ehrlich, mit etwas 'Gutem Willen' sollte sich das doch irgendwie regeln lassen. Zumindest eben besser, als das die Gebäude immer völlig offen sind. Und natürlich besteht die Möglichkeit die Kipphebel im Haustürschloss auf 'Offen' zu stellen, so dass es mal nicht funktioniert. Das habe ich aber auch im 'normalen' Mehrfamilienhaus mal so erlebt. Aber zumindest wäre die Tür dann über Nacht im Regelfall auch zu verschließen. Und das wäre allemal sicherer als der aktuelle Zustand. Aber vielleicht bin ich da ja auch wirklich zu naiv…