SPD, Grüne und CDU wollen Behinderte besser in das Schulsystem integrieren. Kritiker halten dies für gewagt.
130.000 behinderte Schüler gibt es in Nordrhein-Westfalen und gut 105.000 von ihnen besuchen Förderschulen. Ob körper- oder lernbehindert, ob taub oder mit sozialen Defiziten – für die unterschiedlichsten Behinderungen gibt es spezielle, auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmte Angebote mit speziell ausgebildeten Lehrern und Pflegekräften. Doch geht es nach SPD, CDU und Grünen ist es damit bald vorbei. Im Dezember vergangenen Jahres beschlossen die drei Parteien künftig behinderte Schüler auf die klassischen Schulformen zu verteilen. Sie folgen damit einer UN-Konvention, die Deutschland ratifiziert hat und die Länder zur sogenannten Inklusion, der stärkeren Einbindung behinderte Schüler in das konventionelle Schulsystem, verpflichtet. Ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten der Bildungsforscher Klaus Klemm und Ulf Preuss-Lausitz fordert die weitgehende Auflösung der Förderschulen bis zum Jahr 2020.
Klemm und Preuss-Lausitz sehen in der Auflösung der Förderschulen nur Vorteile: Behinderte Schüler werden besser integriert, lernen mehr und haben später bessere Chancen im Beruf. Und die nicht behinderten Kinder würden durch den täglichen Umgang mit Behinderten sozialer und offener.
Den Optimismus der Bildungsforscher teilen nicht all. Olaf. B. ist Lehrer an einer Förderschule im Rheinland. „Klemm und Preuss-Lausitz sind sehr weit weg vom Alltag in den Förderschulen. Vor allem die Kinder mit emotionalen Defiziten und schweren geistigen Behinderungen sind sehr schwer in konventionelle Schulen zu integrieren.“ Bs. Schulalltag hat dann auch wenig mit der Idylle der Bildungsexperten gemein. Er berichtet von Schülern, die andere Kinder angreifen, schreiend den Unterricht stören und für welche die Anweisungen der Lehrer keinerlei Bedeutung haben. „Auf dem Papier liest sich das alles so einfach, aber ein oder zwei dieser Kinder lassen eine ganze Klasse kippen. An normalen Unterricht ist dann nicht mehr zu denken.“ Und natürlich, da ist sich B. sicher, würden die anderen Kinder darunter leiden und weniger als bislang lernen.
Aber auch für die behinderten Kinder ist das Lernen in einer herkömmlichen Schule nach Ansicht des Förderschullehrers nicht von Vorteil: „Wenn wir in der Schule mit diesen Kindern Erfolge erzielen, dann durch eine ganz enge und langjährige Bindung zwischen den Kindern und uns. Das ist mühselig, aber es gelingt. Im normalen Unterricht ist dafür kein Platz, auch wenn Förderschullehrer künftig verstärkt an konventionellen Schulen eingesetzt werden.“ Zudem würde den Kindern täglich ihre Defizite vor Augen geführt: „Lernbehinderte sind nun einmal langsamer und interessieren sich für andere Dinge als ihre Altersgenossen. Wenn sie das jeden Tag erfahren, ist das nicht gerade gut für ihr Selbstbewusstsein und für den Spaß am lernen.“
Der FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel, spricht sich dafür aus, das auch künftig ein dichtes Netz an Förderschulen erhalten bleibt, obwohl auch er dafür ist, verstärkt behinderte Kinder in konventionellen Schulen zu unterrichten – wenn es denn gut für sie ist: „ Alternativ zum gemeinsamen Unterricht wünschen viele Eltern den Besuch ihrer Kinder in Förderschulen. In diesen Schulen sind für die besondere Aufgabenstellung der sonderpädagogischen Förderung in kleinen Lerngruppen speziell ausgebildete Lehrer tätig, die mit besonderer Fachkompetenz und Hingabe daran arbeiten, die Bildungschancen und Lebenssituation benachteiligter Kinder und Jugendlicher zu verbessern.“
Für den Praktiker B. kommt noch ein weiteres Problem hinzu: „Inklusion findet heute in der Sekundarstufe 1 vor allem an den Hauptschulen statt, künftig dann vor allem ab Gemeinschaftsschulen. Dort wird die Lage dann ausgerechnet für die Kinder schwieriger, die ohnehin schon benachteiligt sind.“ Die Eltern, sagt B. ahnten noch nicht einmal was da auf sie zukommt.
Eine mögliche Konsequenz: Eltern deren Kind nicht aufs Gymnasium gehen kann, dort werden nur die wenigsten behinderten Schüler unterkommen , werden in Privatschulen flüchten. Die Inklusion könnte also einen Effekt haben, den sich weder CDU, Grüne noch SPD wünschen: Eine noch stärkere Aufteilung der Kinder nach dem Einkommen der Eltern. Denn den Plänen der Landesregierung werden sich die Eltern mit höheren Einkommen entziehen können.
Das Land äußerte sich auf Anfrage dieser Zeitung noch nicht detailliert zu seinen Plänen. Im Moment, so hieß es aus dem Schulministerium, werden die verschiedenen Möglichkeiten diskutiert. Man strebe einen möglichst breiten Konsens an, auch zu möglichen Kosten könne man sich noch nicht äußern.
Aber alle Gutachten empfehlen dem Land die Auflösung des dichten Netzes der Förderschulen. Kaum denkbar, dass sich Union, Grüne und SPD dem nicht anschließen werden.
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag.
B. ist nicht allein mit dieser Meinung. Fast alle Förderschullehrer, mit denen ich spreche, beschreiben fast mit identischen Worten die entstehenden Probleme. Man muss betonen, das ist keine Lobby-Arbeit, da hat niemand Angst um seinen Arbeitsplatz, da befürchtet niemand, dass er Vorteile verliert. Ich erfahre das informellen Gespräche mal hier, mal dort. Und anscheinend finden jene Lehrer, die die Schüler besonders gut kennen, nirgendwo in der entworfenen Zukunft einen Anhaltspunkt dafür, dass ihre Erfahrungen des Berufsalltags aufgenommen werden.
Stefan Laurin, du betreibst Panikmache. Allein schon deine Wortwahl ist hochsuggestiv: Idylle vs. Praktiker. Dann suchst du dir bei den Kindern genau die heraus, vor denen sich die Eltern „normaler“ Kinder fürchten könnten, weil allein schon „ein oder zwei Kinder eine ganze Klasse kippen“.
Darauf folgt das (indirekte) Schönreden der Förderschulen: den Kindern würde an den Regelschulen „tagtäglich ihre Defizite vor Augen geführt“. Es kann ja sein, dass der Förderschullehrer davon nichts mitbekommt, weil bei der Förderschule sich das Kind bereits vorab auf dem Schulweg diese Gedanken macht und sich schlechter als alle anderen Kinder vorkommen muss, weil es von ihnen abgesondert wird. Und über bestimmte Defizite, vor allem wenn sie körperlicher Natur sind, wir ein Kind nie hinwegsehen können sondern damit leben müssen, und das dürfte um so einfacher fallen, je weniger Erwachsene diese Defizite als Anlass nehmen, diese Kinder auszugrenzen. Und genau das sehen auch viele Eltern behinderter Kinder so.
Dabei gibt es bei der Inklusion wirklich ein schwerwiegendes Problem, dass du in deinem Beitrag nicht benennst: die Politik wird versuchen, das Geld, das die Inklusion kosten wird, nicht bezahlen zu wollen sondern die Mittel, die aktuell an die Förderschulen gehen, auf die Regelschulen kostenneutral zu verteilen. Ebenso muss die Ausbildung von Lehrern für Regelschulen an die neue Situation angepasst werden.
Anstatt sich vor lern- und sonstwie behinderten kleinen Kindern zu fürchten, sollte man sich dafür stark machen, dass all das getan wird, was notwendig ist, damit Inklusion funktioniert.
@Thomas
das ist überhaupt keine Panikmache.
Ich arbeite zur Zeit als Lehrkraft an einer Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung.
Ich muss sagen, das gerade unsere Klientel in einer „normalen“ Klassengemeinschaft Probleme haben wird und der Klassengemeinschaft Probleme machen wird.
Ich sehe es exakt genauso, dass 3 bis 4 dieser Schüler in einer Klasse mit 25 Mitschülern den Laden richtig aufmischen können und werden.
Nur weil die Bildungsforscher „weit weg“ vom Schulalltag sind, heißt es nicht, dass sie nicht recht haben. Es gibt genügend empirische Evidenz für die Vorteile des gemeinsamen Lernens, die zudem gegenüber den separierten Unterrichten überwiegen.
Dass heißt aber nicht, dass die Politik nicht auch für die wirklich notwendigen Ressourcen sorgen muss, um die Konvention gelingend umzusetzen: Geld für Ausstattung, mehr geschultes Personal. Es scheitert nur hier dran, an nichts anderem.
Ich begrüße die UN-Konvention überaus – es gibt kaum einen Grund, Menschen aufgrund körperlicher oder seelischer Behinderungen von vornherein gesellschaftlich zu separieren. Anmerken möchte ich zudem auch, dass die meisten Förderschüler dem Schwerpunkt „lernen“ zugeordnet werden – hier geht es in der Masse also nicht um Schwerkranke.
@Jane
Wieviel Personal wird benötigt um an den Regelschulen eine entsprechende, adäquate Förderung und Betreuung zu gewährleisten?
Wieviel wird das kosten?
Wird die Politik das dafür notwendige Geld aufbringen?
Ich denke die letzte Frage kann doch wohl eher mit „Nein“ beantwortet werden.
Ich denke das Sparpotential, das sich hier ergibt, ist zu verlockend um nicht notwendige Stellen zu streichen und bei der Ausbildung zu knausern.
So lange also die Rahmenbedingungen nicht glasklar festgeschrieben sind (und zwar in einer Form in der es eventuell funktionieren könnte) ist es nichts weiter als ein Experiment.
Und experimentieren sollte man mit solch einem wichtigem Thema nicht.
Inklusion ist ein sehr sympathischer Gedanke. Die Existenz von Sonderschulen nicht. Aber wenn man viele Kinder sinnvoll in große Klassenverbände integrieren will, wird das sicherlich teuer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dafür genügend Geld da ist. Da Model, dass mir ein Sonderschullehrer sage, kommt mir nicht gelungen vor. Er sagte, dass er ab nun stundenweise für einzelne „Problemkinder“ in den Klassen zuständig werden soll. Es klangt mir nicht überzeugend.
Bleibt zu hoffen, der der sympathische Gedanke gut umgesetzt wird.
„Ich sehe es exakt genauso, dass 3 bis 4 dieser Schüler in einer Klasse mit 25 Mitschülern den Laden richtig aufmischen können und werden.“
Aber dann bitte auch in den Schulen, wohin die Kinder unserer Politiker gehen.
Ach nee, die besuchen ja Privatschulen…
Stefan, der Beitrag ist vereinfachend. Einiges wurde schon zu Recht angemerkt. Simplifizierung ist verzeihlich. Aber das Plaedoyer ist auch selbstdiskreditierend.
Natürlich gibt es die Problematik des Übergangs vom bisherigen (schlechteren und übrigens typisch deutschem) System der Förderschulen in ein (ganz zweifellos besseres) integriertes System.
Das wissen die Kritiker und deshalb ist viel von den Uebergangsproblemen die Rede. Nonsens: denn unvermeidliche Brüche kann man nicht als Negativa eines Neuen verbuchen; sie sind vielmehr eine organisatorische Herausforderung.
Kritiker des Integrationsgedankens, wie gesagt, vermengen das besonders gerne und – das ist der Punkt- sie kaschieren damit die Privilegien der anderen, konträren, eigentlichen „Sonderschulen“: der Gymnasien.
Doch davon schweigt die Elite.
Folgerichtig freilich lautet der Fluch der bösen Tat (Selektion, Privilegierung, Diskriminierung), die Fortexistenz der Foerderschulen mit der Existenz der Gymnasien zu begründen.
Si tacuisses. Den moralischen Bankrott der (selbst nicht betroffenen) Foerderschulideologen kann man schöner nicht mehr inszenieren.
@Schwarztal: Ich habe nicht bestritten, dass es solche Kinder gibt, sondern die Darstellung von Stefan Laurin kritisiert, die ausschließlich diese in den Fokus seiner Argumentation stellt. Oder willst du wirklich behaupten, dass ALLE Kinder mit Förderbedarf eine solche Bedrohung darstellen? Wohl kaum.
Wie sich die Öffentlichkeit Inklusion vorstellt und ob sie sie akzeptiert, das hängt aber davon ab, wie sie in den Medien dargestellt wird. In Hamburg hat bereits die Angst vor ganz normalen Hauptschülern gereicht, um das von 4 auf 6 Jahre verlängerte gemeinsame Lernen per Volksentscheid zu verhindern, weil die Eltern Angst hatten, die schlechteren Schüler die besseren „herunterziehen“ würden. Bildungspolitisch belegt ist, dass auch bessere Schüler von längerem gemeinsamen Lernen profitieren, eine Rolle hat in der Debatte aber nur der geschürte Aberglaube gespielt.
Und wenn du dir für deine Schüler auch eine Zeit nach der Schule vorstellen kannst, dann solltest Du sie in der öffentlichen Debatte nicht als Monster darstellen bzw. eine Darstellung bestätigen, die auf subtile Art genau das tut.
Dass Inklusion kein Selbstläufer ist, das ist in meinen Augen selbstverständlich und das mit der Inklusion die Probleme deiner Schüler nicht auf einen Schlag verschwinden ist ebenso selbstverständlich, denn sonst wären Förderschulen eine Frechheit. Man kann daraus aber nicht den Schluss ziehen, dass Inklusion nicht funktioniert und als ob Deutschland hier als erstes Land Neuland betreten würde. Es ist doch eher so, dass Deutschland in Sachen Bildung hinterherhinkt, so auch hier.
Von Lehrern erwarte ich, dass sie ihre Schüler nicht nur unterrichten, sondern dass sie ihr Wissen dazu gebrauchen, sich für ihre Schüler auch öffentlich einsetzen und mit dazu beitragen, dass sie in unserer Gesellschaft nicht benachteiligt werden.
@BOCHUMER:
Zum Geld und den Dimensionen hier ein weiteres Beispiel aus Hamburg, weil ich mich hier am besten auskenne:
Vor einigen Jahren hat hier unsere Bildungssenatorin bei den Haushaltsverhandlungen im Zuge von Sparmaßnahmen um ca. 20 Millionen Euro feilschen müssen. Man könnte meinen, das wäre viel Geld. Gleichzeitig haben Bund und Stadt 1,5 Milliarden locker gemacht (jeder je die Hälfte) um einem einzelnen Unternehmen (DASA) die Erweiterung des Betriebsgeländes zu finanzieren. Zwischen den beiden Beträgen liegt ein Faktor von fast 100. Daneben wurden dem Unternehmen noch Steuererleichterungen versprochen.
Und das war in den letzten Jahren keine Ausnahme: eine vollkommen überhastet geplante Staatsoper kostet inzwischen mehrere 100 Millionen mehr und für die Landesbank mussten auch Milliardenbeträge lockergemacht werden.
Man kann wirklich nicht sagen, es wäre kein Geld da, auch nicht in NRW, wenn man sieht, wie schnell (mitunter binnen Tagen) teilweise mehrstellige Milliardenbeträge lockergemacht werden, während woanders über Jahre selbst geringste Beträge (einige zigtausend) für wichtige Projekte verweigert oder eingespart werden.
Woran es in unserem Land mangelt, das ist nicht Geld sondern Prioritäten. Und genau die sollten wir als Bürger einfordern und uns nicht damit abspeisen lassen, dass für unsere Kinder Millionen fehlen, während woanders hunderte Milliarden eingesetzt werden, um die Ersparnisse derjenigen zu retten, die soviel Geld haben, dass sie es noch nicht einmal mehr ausgeben können.
[…] Förderschulen in NRW vor dem Aus (Ruhrbarone) – […]
Leider wird in diesem Artikel mal wieder haarscharf an der Realität vorbei argumentiert. Stefan Laurin spricht von „einer UN-Konvention, die Deutschland ratifiziert hat“ und von der „sogenannten Inklusion“ und suggeriert auch im Weiteren, dass da Leute, die von nichts eine Ahnung haben jetzt in Gießkannenmanier „behinderte Schüler auf die klassischen Schulformen […] verteilen“ wollen.
So einfach kann man es sich nicht machen.
Bei der genannten Konvention geht es um die „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“. Dabei handelt es sich um eine Menschenrechtskonvention. Kinder mit Behinderungen haben danach das Recht, in einem inklusiven Schulsystem zu lernen. Wichtig ist, dass die Konvention eben nicht nur den Zugang zur Regelschule fordert, sonder auch die „angemessenen Vorkehrungen“ zur Verwirklichung der Rechtes auf Bildung in der Regelschule. Es geht also keinesfalls nur ums Verteilen.
Das Recht auf inklusive Bildung ist ein Menschenrecht. In Stefan Laurins Artikel hat man den Eindruck, als ginge es um irgendeine EU-Norm zur Gurkenkrümmung.
Was in den meisten anderen europäischen Länder schon längst Normlität ist, wurde Kindern mit Behinderungen bisher in Deutschland verwehrt. Kinder wurden bisher überwiegend und häufig auch gegen den Willen der Eltern in Sonderschulen eingewiesen, obwohl seit Jahren Wissenschaftler immer wieder belegt haben, dass die gesonderte Förderung keinesfalls von Vorteil ist (z.B. der zitierte Prof. Ulf Preuss-Lausitz und besonders auch Prof. Hans Wocken). Im Gegenteil, die Chance, einen Schulabschluss zu erwerben und einen Arbeitsplatz zu bekommen sind für Sonderschüler wesentlich geringer, als für Schüler, die an Regelschulen gemeinsam mit anderen Kindern gefördert werden. In dem zitierten Gutachten von Klaus Klemm und Ulf-Preuss-Lausitz finden sich etliche Quellen dazu.
Hier einen Sonderschullehrer und den FDP-Politiker Ralf Witzel als Experten und Kronzeugen gegen die inklusive Bildung heranzuziehen, wirkt da schon irgendwie niedlich.
Eine Anmerkung noch zur Förderschule Lernen. Kinder mit Lernschwierigkeiten gelten in Deutschland als „Behindert“. In anderen Ländern reagiert man darauf mit Unverständnis. Kinder mit Lernschwierigkeiten zu fördern, wird dort als normale Aufgabe aller Schulen verstanden.
Im Grunde ist es aber müßig, hier die Diskussion aufzumachen, ob die Förderung von Kindern besser an der Regelschule oder doch an der Sonderschule erfolgen sollte. Mit der UN-Konvention kann man die Frage um das „Ob“ der Inklusion wohl als beantwortet werten. Es geht um die Verwirklichung eines Menschenrechtes, also kann es nur noch um das „Wie“ gehen.
Fragen wir also nach dem Wie. Und auch hier trifft Stefan Laurin nicht den Kern. Bei ihm wirkt es, als sollten ab morgen Kinder mit Behinderungen wahllos auf die Regelschulen verteilt werden. Ob sie nun lernbehindert sind oder schwere körperliche und geistige Einschränkungen haben, liest man Stefan Laurins Artikel, hat man den Eindruck, ab morgen werden sie notfalls im Rollstuhl in die Regelklassen gerollt und sollen dort dem Stoff folgen, ohne dass sich dort etwas tut.
Klemm und Preuss-Lausitz sehen das differenzierter.
Zunächst einmal fordern sie nicht die Auflösung aller Förderschulen sondern nur der Förderschulen Lernen, Sprache und Emotionale und soziale Entwicklung.
Bei den anderen Fördesschwerpunkten (Geistige Entwicklung, Körperliche Entwicklung, Hören, Sehen …) gehen sie von einer Inklusionsquote von ca 50% bis 2020 aus.
Das ist etwas anderes, als hier suggeriert wird.
Und es ist in der Tat sinnvoll.
Ein Doppelsystem aus Förderschule und Gemeinsamem Unterricht ist auf Dauer nicht oder nur als extremes Sparmodell zu finanzieren. Erst die Auflösung der Förderschulen L E und S setzt Ressourcen frei, die benötigt werden, um die Unterrichtsqualität an der Regelschule so zu verbessern, dass Kinder dort gute Lernvoraussetzungen bekommen.
Auch jetzt schon bestehen in integrativen Klassen bessere Bedingungen, als in anderen Klassen. Schulen, die das im Griff haben, können durchaus in solchen Klassen mit mehr als Doppelbesetzung arbeiten. Eine gute Ressourcenausstattung und einen Fortbildungsoffensive muss die Anforderung sein, die jetzt in Breite getragen werden muss.
Sorgen von Lehrern sind da verständllich, aber sie sollten nicht dazu führen, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Eine große Herausforderung wird bei den Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten liegen. Aber auch dazu gibt es Empfehlungen der Gutachter und im Übrigen jahrelange Erfahrungen im Gemeinsamen Unterricht.
Gemeinsames Lernen nutzt nicht nur Kindern mit Behinderung. Es ist mit Nichten so, dass Eltern reihenweise ihre Kinder von den integrativen Schulen abmelden. Dass Experte B das als Sonderschullehrer so darstellt, ist ja verständlich. Plätze in guten integrativen Schulen sind im Gegenteil stark nachgefragt, weil davon alle Kinder profitieren.
Allerdings – und da schneidet der Artikel dann doch die tatsächlichen Probleme an – ist es wenig sinnvoll, die Umsetzung der Inklusion dem Spiel der Kräfte zu überlassen. Dass inzwischen gemeinsamer Unterricht überwiegend an Hauptschulen stattfindet, ist eine problematische Entwicklung.
Inklusionsentwicklung braucht neben Ressourcen vor allem gut Planung auf allen Ebenen.
Schulministerin Löhrmann hat bereits im Dezember 2010 für den Sommer 2011 einen Landesinklusiosplan angekündigt. Seither wurde der Plan immer wieder verschoben.
Wie Frau Löhrmann Anfang Dezember feststellte, wolle man Qualität den Vorrang vor Schnelligkeit geben.
Viele Kommunen stellen deshalb inklusive Schulentwicklungsplanungen erst mal zurück, bis es neues aus Düsseldorf gibt.
Gleichzeitig gibt es eine große Palette an unkoordinierten Entwicklungen im Lande.
Die Landesregierung ist jetzt am Zuge. Die Ausweitung der Lehrerstellen für die Integrativen Lerngruppen ist ein kleiner Schritt. Entscheidend wird aber sein, wie jetzt der Prozess insgesammt gesteuert wird. Dabei spielt die Ressourcensteuerung die entscheidende Rolle.
Ich hoffe sehr, dass die Landesregierung dabei den Empfehlungen der Gutachter folgt und die Auflösung der drei Förderschultypen Lernen, Sprache und emotionale und soziale Entwicklung zügig vorantreibt. Anders ist eine qualitativ hochwertige inklusive Schulentwicklung wohl nicht erreichbar.
Michael Baumeister, Dorsten
Vater eines Kindes mit Downsyndrom
hej, leute:
ich habe oben nicht alles gelesen, aber ganz oben die lehreräusserung von den schülern der förderschule, die auffällig sind usw: könnt ihr euch denn auch vorstellen, dass sie auffälliger sind, WEIL sie in der förderschule sind, aggressiv, weil sie merken, wahrnehmen, dass sie segregiert werden, selektiert, und nicht dazu gehören? DAZUGEHÖREN, TEILNEHMEN, ist m.e. die bestmögliche förderung.
wir können nicht über etwas diskutieren, was wir nicht kennen. die un-konvention ist eine anspruchskonvention, die von betroffenen erarbeitet wurde- die waren auch alle mal schülerInnen, und repräsentieren damit die auch die bei uns betroffenen schülerinnen. fragt doch vor allem erst mal die kinder- und meint nicht immer, es besser zu wissen (der grosse irrtum und die arroganz vieler pädagogInnen und auch eltern.). warum soviel angst, die eigenen kenntnisse würden nicht mehr geschätzt werden? wohl, sie müssen reflektiert werden und sich messen lassen- so und so herum- dass tut beiden seiten gut. woanders flippen sie aus vor lauter evaluation hinten und vorne, und hier? heraus aus den elfenbeintürmen, aus den sonderwirtschaftszonen!!!
sonderschulbesuch ist bis in die eigenen familien hinein (ich spreche aus persönlichem erleben) hinein sozial und kulturell stigmatisierend.
darüber hinaus (ich habe mal zehn jahre in einer werkstatt für menschen mit behinderung gearbeitet): die sonderbehandlung bewirkt m.e. jede menge sekundärbehinderungen und verhaltensauffälligkeiten.
haben wir (langzeit)vergleichssstudien über biografien von inklusiv und exklusiv beschulten, sozialisierten?