Die Schwäbisch Hall Unicorns haben am Wochenende die Deutsche Meisterschaft im Football gewonnen. Vor gut 15 000 Zuschauern. Nächstes Jahr zieht die nationale Liga GFL mit dem Finale nach Frankfurt – weil in die Commerzbank-Arena mehr Zuschauer passen. Football erlebt einen Boom in Deutschland, sagt auch Volker Schenk im Gespräch mit unserem Gastautoren Mario Thurnes. Den europäischen Fußball sieht der Experte von Pro7Maxx in einer Erzählkrise.
Herr Schenk, Zuschauerrekord beim GFL-Finale, Zuschauerrekord beim NFL-Gastspiel in London. Boomt Football weiterhin in Deutschland?
Schenk: Das tut er. Wir merken das bei Pro7Maxx an steigenden Zuschauerzahlen, aber auch in der Community: Die Leute haben Lust auf den Sport. Football bietet einfach gute Unterhaltung.
In ersten Bundesliga-Stadien gehen die Zuschauerzahlen zurück. Profitiert der Football auch davon, dass der Fußball in einer Erzählkrise ist?
Schenk: Es ist das Entertainment an sich, das für den Football spricht: Er wird moderativ gut begleitet. Im Stadion ist etwas los, auch vor und nach dem Spiel. Dazu kommt, dass der Fußball seit Jahren nicht mehr revolutioniert worden ist. Da passiert immer das Gleiche und die Leute wissen, was sie erwartet.
Wenn Neymar am Arm getroffen wurde, ist das Spiel fünf Minuten unterbrochen, weil er am Boden liegt und sich das Gesicht hält…
Schenk: Ich will es positiv sagen: Beim Football ist durchgehend Action. Es gibt keine Passagen, in denen der Ball immer nur hin und her geschoben wird. Wenn es losgeht, geht was los.
Alles gut? Das stimmt aber auch nicht. In Frankfurt kämpft der GFL-Finalist Universe gerade massiv ums wirtschaftliche Überleben. Fehlt es in Deutschland an Geld für den Football?
Schenk: In Frankfurt sind viele Fehler gemacht worden. Da wurde ein Luftschloss gebaut, ohne solides Fundament. Letztlich wurde Geld versprochen, das dann gar nicht bezahlt werden konnte.
Das Gegenbeispiel ist Schwäbisch Hall. Die Unicorns setzen verstärkt auf eigenen Nachwuchs.
Schenk: Es ist nicht nur Schwäbisch Hall. Mir fallen auf Anhieb auch Braunschweig, Kiel oder Dresden ein. Und da habe ich bestimmt noch welche vergessen. Sie konzentrieren sich nicht auf schnelles Wachstum: Zwei Stars verpflichten und dann kommt nichts mehr. Stattdessen bauen sie eigenen Nachwuchs auf. Das ist der richtige Weg, den Football in Deutschland voran zu bringen. Es gibt keinen schnellen Erfolg. Erfolg gibt es nur, wenn ich ihn mir langfristig erarbeite.
Kommen wir zur NFL-Saison. Was sind für Sie die größten Überraschungen?
Schenk: Die San Francisco 49ers sind sicherlich die negative Überraschung. Auch die Oakland Raiders. Investieren 100 Millionen in den Chefcoach und dann kommt nichts. Da haben sich vermutlich alle mehr versprochen. Positiv fallen die Kansas City Chiefs auf. Die haben zwar jetzt gegen die Patriots verloren, aber dabei immer noch 40 Punkte gemacht. Und was ihr Quarterback Patrick Mahomes abzieht, ist wirklich beeindruckend. Und natürlich die Los Angeles Rams als einzig ungeschlagenes Team.
Schlecht war auch der Start der New York Giants. Sie haben sich über den Receiver Odell Beckham Junior geärgert, der den Quarterback Eli Manning öffentlich kritisiert hat.
Schenk: Was die Giants derzeit haben, ist kein Team. Sie haben mit Beckham und dem Runningback Saquon Barkley zwei herausragende Offensivspieler und liefern trotzdem nichts. Das liegt zum einen daran, dass es kein Team gibt. Beckham hat mit seiner öffentlichen Kritik Unruhe in die Mannschaft getragen und jetzt funktioniert gar nichts mehr. Davon abgesehen ist die offensive Strategie nicht optimal ausgerichtet.
Inwiefern?
Schenk: Wenn ich starke Spieler wie Beckham oder Barkley habe, muss ich es machen wie früher die Steelers: Wenn ich einen Topspieler wie Le’Veon Bell habe, dann muss ich das Spiel auch auf ihn ausrichten. Das geschieht in New York aber nicht. Dazu kommt, dass Manning kein Führungsspieler ist. Das weiß man aber. Dann muss ich aber das Team so aufbauen, dass alle an einem Strang ziehen und es als Gemeinschaft funktioniert.
Es funktioniert nur als Gemeinschaft. Wir hatten von der Erzählkrise des Fußballs gesprochen. Sind es solche Botschaften, die den Football attraktiv machen?
Schenk: Total: Füge Dich ins System ein mit Deinen Stärken. Das ist eine Botschaft, die auch außerhalb des Footballs wichtig für die Menschen ist. Manche verstehen den Auftrag, hart zu arbeiten nur noch als Pflicht, sehen nicht die Freude, die sie für sich entwickeln können. Das führt dazu, dass sie ausgebrannt sind. Wenn ich meine Stärken entwickele und dann einbringe, leiste ich viel mehr. Arbeite hart und smart.
Ich frage mich ja, wie viel Anteil die social media Aktivitäten von Leuten wie Nacita (185.000 Abonenten bei youtube), Alfieri (37.000) oder Sullivan (350.000) an diesem "Boom" haben. Alfieri ist übrigens "schuld", dass ich am vergangenen Samstag das Finale das "Fan" der Unicorns gesehen habe. So also "sucht" sich, frei nach Nick Hornby, ein Verein seine Fans… Egal. Ich finde allerdings nicht, dass der Fußball, im Gegensatz zum Football, "auserzählt" ist. Fußball ist, meiner Meinung nach, viel weniger berechenbar als Football und schreibt schon deshalb ständig seine eigenen, neuen Geschichten. Und wenn ein Endspiel im Football de facto dadurch entschieden wird, dass eine Mannschaft 3 15 Meter Strafen sammelt und förmlich um den Touchdown bettelt… ob das nun wirklich sooooo attraktiv ist? (Auch wenn das Spiel gerade in den letzten Minuten sehr spannend war und auch seine eigene, neue, Geschichte geschrieben hat)