Forschungprojekt: Wenn der Gerichtssaal zur Bühne wird?

Fahndungsplakat des NSU

Was passiert, wenn Terrorismus vor Gericht verhandelt wird? Nicht nur juristisch, sondern gesellschaftlich? Ein neues, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 1,2 Millionen Euro gefördertes Projekt geht genau dieser Frage nach – und zwar mit einem kritischen Blick auf die Praxis deutscher Justiz. Unter dem Titel „Judging Terror“ untersuchen Wissenschaftlerinnen der Universitäten Köln, Bielefeld und Marburg die Dynamiken in Terrorismusprozessen gegen Angeklagte aus dem rechtsextremen und dschihadistischen Spektrum.

Drei Jahre lang wollen sie beobachten, analysieren und deuten: Wie wird über Schuld und Ideologie gesprochen? Welche Rolle spielen Geschlecht, Religion oder Herkunft bei der Urteilsbildung – und wie werden diese Zuschreibungen medial verstärkt oder abgeschwächt? Der Gerichtssaal ist dabei nicht bloß ein Ort der Rechtsprechung, sondern ein politischer Raum, in dem sich gesellschaftliche Deutungsmuster manifestieren.

Dabei setzen die Forscherinnen auf Gerichtsethnographie und Grounded Theory – also Beobachtung vor Ort, kombiniert mit der systematischen Auswertung von Medienberichten. Der Blick richtet sich auf drei Ebenen: die Interaktionen im Gerichtssaal, die Produktion juristischen Wissens und die mediale Öffentlichkeit. Denn wie sich Angeklagte präsentieren, ob sie Reue zeigen oder ihre Ideologie verteidigen, hat Einfluss auf das Urteil – und auf das Bild von Terrorismus, das in der Gesellschaft entsteht.

„Judging Terror“ will verstehen, wie Recht, Medien und Macht miteinander verwoben sind – und was das für den Umgang mit Extremismus bedeutet. Der Forschungsverbund ist Teil des internationalen Netzwerks IN-COURT und plant, seine Ergebnisse in Fachzeitschriften und auf Konferenzen zu präsentieren.

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