Gegen den klaren Expertenrat soll das Deutsche Fotoinstitut nach Düsseldorf und nicht nach Essen – das hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bestätigt. Sie führt dafür die Entscheidung der Ampelkoalition im Haushalt sowie angeblich „neue Erkenntnisse“ an. Von unserem Gastautor Matthias Hauer.
Im März 2021 schien die Entscheidung in der Standortfrage für das Bundesinstitut für Fotografie gefallen zu sein: Eine von der damaligen Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters (CDU) in Auftrag gegebene 82 Seiten starke Machbarkeitsstudie hatte Essen als Standort für das geplante Bundesinstitut empfohlen. Zuvor war bereits im Frühjahr 2020 eine Expertenkommission unter Leitung von Prof. Thomas Weski zu der Einschätzung gelangt, dass Essen „aufgrund einer hervorragenden Konzentration von Einrichtungen und vorhandener Sachkompetenz zum Schwerpunkt Fotografie“ der am besten geeignete Standort für dieses neu zu schaffende Institut sei.
Das Leuchtturmprojekt mit bundesweiter Strahlkraft sollte im Ruhrgebiet angesiedelt werden. Der Standort Essen hatte sich gegen die häufig bevorzugte Landeshauptstadt Düsseldorf durchgesetzt, nicht etwa aus Gründen des Regionalproporzes, sondern weil er nach klarer Ansicht der Experten schlicht und einfach am besten geeignet ist.
In der Machbarkeitsstudie aus März 2021 wurden die Vorzüge des Standortes Essen, diesmal auch im direkten Vergleich zum Standort Düsseldorf, noch einmal heraus gestellt: „Gemäß den ermittelten Anforderungen kann der erforderliche Flächenbedarf für das Bundesinstitut für Fotografie vollständig auf dem Grundstück in Essen realisiert werden. Hingegen wäre auf dem Grundstück in Düsseldorf eine erhebliche Reduzierung des Flächenprogramms vorzunehmen und ein zweiter Standort für wesentliche Teile der Depots erforderlich.“ Nicht zuletzt aufgrund der besonderen Eignung des Geländes des UNESCO-Welterbes Zeche Zollverein sprach die Studie daher eine „vorrangige Empfehlung für den Standort Essen“ als Heimat des neu zu gründenden Deutschen Fotoinstituts aus.
Doch obwohl sich an dieser eindeutigen Faktenlage nichts geändert hatte, kam es Ende 2022 im Rahmen der Verabschiedung des Bundeshaushaltes 2023 anders. Überraschend schrieb die Ampelkoalition im Bundeshaushalt 2023 die unsachgemäße Vorfestlegung des Haushaltsausschusses fest, das geplante Deutsche Fotoinstitut in Düsseldorf anzusiedeln. SPD, Grüne und FDP setzen sich damit in dreister Weise über den Rat der Experten hinweg. Klares Expertenvotum? Für die Ampelparteien irrelevant.
Gerade von der Sozialdemokratie, die viele Städte des Ruhrgebiets noch immer politisch dominiert und deren Vertreter stets behaupten, die Interessen der Region zu vertreten, muss man im Ruhrgebiet enttäuscht sein. Obwohl die SPD die Bundesregierung anführt und fast in jedem Ruhr-Wahlkreis den Bundestagsabgeordneten stellt, erwies sich gerade diese Partei als Totalausfall. Auch mit den SPD-Stimmen aus dem Ruhrgebiet wurde der Bundeshaushalt beschlossen, der das unsachliche Votum gegen Essen bestätigte.
Auch die Rolle der grünen Kulturstaatsministerin Claudia Roth muss kritisch hinterfragt werden. Es ist vermutlich ein einmaliger Vorgang, dass eine Kulturstaatsministerin den Expertenrat, den sich ihre Amtsvorgängerin eingeholt hatte, nicht nur komplett ignoriert, sondern sogar ins Gegenteil umkehrt. Bei einer kulturpolitisch solch wichtigen Frage sollte sie sich nicht vor der Vorfestlegung der Ampelparteien wegducken, sondern gerade als Kulturstaatsministerin den Experten eine Stimme geben.
Auch meine ausdrückliche und eindringliche Forderung, über die Standortfrage für das Deutsche Fotoinstitut allein nach Sacherwägungen zu entscheiden, ignoriert die Kulturstaatsministerin. Befragt man zu dem Vorgang, weicht sie aus und verweist auf angebliche neue Erkenntnisse, die sie aber nicht näher benennt und wohl auch nicht benennen kann, weil sie nicht existieren. Angesichts der unverändert eindeutigen Faktenlage, mit klaren Empfehlungen von Expertenkommission und Machbarkeitsstudie für den Standort Essen, dürfen hier nicht allein politische Gründe den Ausschlag für die Landeshauptstadt geben. Auch eine Umsetzung an zwei Standorten wäre ein Kompromiss – zumal damit auch das Düsseldorfer Problem zu lösen wäre, ein geeignetes Gelände zu finden, das Essen mit dem Gelände des UNESCO-Welterbes Zeche Zollverein bereits angeboten hat.
SPD, Grüne und FDP sollten bei der Standortfrage für das Deutsche Fotoinstitut ausschließlich Sacherwägungen berücksichtigen. Sacherwägungen spielten seit dem Regierungswechsel im Bund jedoch bei diesem Thema leider keine Rolle mehr. Noch ist es nicht zu spät dafür, um auf die Experten zu hören.
Unser Gastautor Matthias Hauer, Jahrgang 1977, vertritt seit 2013 als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter den Wahlkreis Essen III (Essener Süden und Westen). Hauer ist im Bundestag Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Finanzausschuss sowie stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe NRW und Sprecher der Arbeitsgruppe Ruhrgebiet seiner Fraktion. In der 19. Wahlperiode hat er als Obmann für die Unionsfraktion im 3. Untersuchungsausschuss an der politischen Aufarbeitung des Wirecard-Skandals mitgewirkt. Seit 2015 ist er Kreisvorsitzender der CDU Essen.