In Verneigung vor Stéphane Charbonnier (Charb), Chefredakteur von Charlie Hebdo, der 2012 sagte: »Ich habe keine Angst. Ich habe keine Kinder, keine Frau, kein Auto, keinen Kredit. Es klingt aufgeblasen, aber ich will lieber aufrecht sterben, als auf Knien leben.«
Das jihadistische Massaker an der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 mit 12 Toten, darunter zwei Polizisten, der Mord an einer weiteren Polizistin einen Tag später und die antisemitisch motivierte Geiselnahme und Ermordung von vier Juden in einem jüdischen Supermarkt am 9. Januar, die mit der Aktion vom 7. Januar in Verbindung steht, schreien nach weitreichenden politischen Konsequenzen und einer Analyse der politischen Kultur. Plötzlich sind viele betroffen, nicht nur in Frankreich. Dabei zielt der Jihadismus und Islamismus auf westliche Werte, Religionsfreiheit, Freiheit von Religion, Religionskritik, Meinungsfreiheit, Demokratie, Pluralismus und Heterogenität, Satiriker wie Charlie Hebdo, wie auf Juden und den jüdischen Staat Israel. Doch allzu viele ignorieren die antisemitische Dimension, weil das den allseits beliebten antizionistischen Antisemitismus beinhaltet, den viele partout nicht aufgeben wollen. Auch die Verharmloser des Islamismus melden sich sofort und rabiat zu Wort. Schließlich: wer hatte denn schon Mut die letzten Jahre? Wir haben Angst, sind mutlos und vorsichtig, auch der Autor dieses Textes. Von unserem Gastautor Clemens Heni.
Zum ersten Mal seit 1945 und dem Ende des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs wurde die Große Synagoge in Paris am 9. Januar 2015 aus Angst vor einem antisemitischen Angriff geschlossen, ebenso alle jüdischen Geschäfte im Herzen von Paris, dem Marais-Viertel im dritten und vierten Arrondissement der französischen Hauptstadt. In Amsterdam wird aus Sicherheitsgründen eine proisraelische Demonstration abgesagt.
25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer zeigt sich, dass der „Kalte Krieg“ unmittelbar nach 1945 und bis 1989 eine jedenfalls für Europa relativ harmlose, ja weitgehend friedliche Epoche war. Der brutale, aber berechenbare Terror der Antisemiten wie der Revolutionären Zellen (RZ), der Rote Armee Fraktion (RAF), der das Land teils komplett stilllegte (Deutscher Herbst 1977), Naziterror, die Kämpfe am Bauzaun von AKWs oder Wiederaufbereitungsanlagen von Whyl über Brokdorf nach Wackersdorf, die Angst vor dem Waldsterben oder dem „atomaren Holocaust“ als Folge der Stationierung von Pershing II Raketen und selbst so widerwärtige Vorfälle wie der Besuch des (auch) SS-Soldatenfriedhofs in Bitburg durch US-Präsident Ronald Reagan und Bundeskanzler Helmut Kohl im Mai 1985 waren gar nichts gegen den jihadistischen, antijüdischen und antiwestlichen Krieg, den wir nach 9/11 in Europa erleben – von der dramatischen und von jihadistischem Massenmord geprägten Lage in Syrien, dem Irak, Nigeria, Sudan, Pakistan, Jemen und vielen anderen Staaten und Gegenden ganz zu schweigen.
Das Ende der Blockkonfrontation und die Auflösung der Sowjetunion führten zu einer viel größeren und realen Gefahr: den Islamismus und Jihadismus. Das islamistische Massaker vom 11. September 2001 war ein Fanal.
Für Jihadisten war es das Startsignal für weltweiten jihadistischen Massenmord – nicht nur im Westen – wie wir ihn seither in Bali, Madrid, London sowie in Afghanistan, im Irak, in Syrien oder Nigeria erleben, mit Hunderttausenden Ermordeten, die aus islamistischen Gründen massakriert werden und nicht weil die bösen USA „Lunte“ legen, wie es der zwar pro-israelische, aber den Islamismus völlig derealisierende und antiamerikanisch fanatisierte Herausgeber der linken Monatszeitung Konkret, Hermann L. Gremliza, im Dezember 2014 schrieb. Verschwörungswahnsinnige sahen und sehen Geheimdienste oder andere hinter den Anschlägen. Für viele Linke wie Rechte und die kulturelle Elite evozierte 9/11 Schadenfreude, von Bin-Laden-Drinks schlürfenden Autonomen über Adrienne Goehler und Wolfgang Benz hin zu Klaus Theweleit, Horst Mahler und der PDS.
Islamforscher sahen 9/11 gar als wunderbare Gelegenheit mehr Gelder und Anerkennung für ihr Fach zu bekommen, um Islamismus und Islam zu predigen oder zu unterrichten und nicht die Kritik am Islamismus oder Israelhass zu fördern oder einzufordern.
Die Islamwissenschaftlerin Birgit Krawietz, Professorin am Institut für Islamwissenschaft der Freien Universität (FU) Berlin, schrieb 2008:
„Humor darf nicht zur Missachtung religiöser Kernbestandteile einladen und in Untersagtes oder gar Verbotenes ausarten. Klassisches islamisches Recht kennt ferner die Sanktionierung von Nichtmuslimen im islamischen Reich, welche sich blasphemisch geäußert haben. Die Proteste verunsicherter Muslime gegen Rushdie und Co. knüpfen auch an solche Erwartungen von Respekt an und sind eben kein Ausdruck einer irgendwie gearteten essentiellen Humorferne des Islam.“
Diese „Erwartungen von Respekt“ sind es, die dem Jihad und Terror Tür und Tor öffnen und Islamismus nicht bekämpfen, sondern rationalisieren wollen. Der Verlag Yale University Press weigerte sich in einem Buch die Mohammed-Karikaturen nachzudrucken.
Bernard-Henri Lévy trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er jetzt in Le Monde bzw. im Wall Street Journal schreibt, es müsse endlich mit der „leninistischen“ Art und Weise Schluss sein, den „radikalen Islam“ zu verharmlosen und ihn als Resultat von „Verarmung und Frustration“ herunter zu deklinieren und als Phänomen sui generis zu leugnen. Eine Karikatur von Mohammed, Allah oder dem IS ist genuines Resultat von Pressefreiheit und Religionskritik, Kernpunkte westlicher Zivilisation, zumal in Frankreich. Muslime können keinerlei „Respekt“ für ihre Religion erwarten, ebensowenig wie zum Beispiel Christen. Da hat Krawietz einfach nicht gelernt, dass Europa einen Prozess der Aufklärung durchgemacht hat und jene Muslime, die Kritik nicht vertragen, satirische, sind nicht „verunsichert“ sondern reaktionär, antiwestlich und islamistisch. Doch Henri-Lévy wird umgehend übertönt werden von den Verharmlosern, den Rationalisieren wie dem Berliner Tagesspiegel, wo Mohamed Amjahid sehr aufgeregt davor warnt, jetzt „kein neues 9/11“ in dem Massaker zu sehen. Es trivialisiert den Terror wie wir es seit 9/11 kennen und redet entgegen Henri-Lévy von der „Perspektivlosigkeit, fehlender Anerkennung, Armut“. Doch, das Massaker an Charlie Hebdo ist das 9/11 Frankreichs. Und es ist die gleicher Tätergruppe: Islamisten/Jihadisten und die gleiche antiwestliche, antisemitische islamistische Ideologie, die als Motivation für die Morde dient, damals wie heute und morgen.
Es gibt jetzt auch wieder antisemitische Verschwörungsmythen wie von Greta Berlin, einer antizionistischen BDS-Aktivistin, die meint, Israel wolle das Votieren Frankreichs für einen Staat „Palästina“ im UN-Sicherheitsrat nicht unbeantwortet lassen und nun würden wir das Resultat sehen.
Es gibt zudem einige Texte, die zeigen, wie wenig Widerhall die „Je suis Charlie“-Kampagne in Australien, Großbritannien und den USA hat. Ein australischer Autor windet sich hin und her und mag zwar schon den Ermordeten von Charlie Hebdo irgendwie gedenken, aber betont vor allem, wie wenig diese Art französischer Humor in der angelsächsischen Welt verstanden werden kann. Das amerikanische Slate-Magazin geht noch weiter und findet es geradezu unerhört, dass die französische Regierung aus Solidarität mit dem Satireblatt staatliche Gelder bereitstellt. Und die New York Times sagt ganz klar und ehrlich, sie sei eben „nicht Charlie Hebdo“ und eine solche linke, respektlose Zeitung hätte auf jedem Campus der USA maximal 30 Sekunden Überlebenschance, was durchaus stimmen mag. Das müsse sich zwar irgendwie ändern, aber die Distanz zu Charlie Hebdo dominiert den Text. Diese Reaktionen deuten in der Tat an, dass es einen Riss innerhalb des Westens gibt, hier Frankreich als Mutterland der Religionskritik sozusagen, dort die „Inklusiveness“ und die Biederkeit der USA, des UKs und Australiens.
Dabei ist Frankreich auch ein Problemfall, da Clermont-Tonnerre im Zuge der Französischen Revolution am 23. Dezember 1789 sagte:
„Den Juden als Nation muss man alles verweigern; als Individuen muss man ihnen alles zugestehen.“
Dieser Antizionismus avant la lettre hat bis heute enorme Bedeutung für die politische Kultur in Frankreich und weit darüber hinaus. Es ist der sich gut fühlende, kosmopolitische Antizionismus. Frankreich hat ganz ernsthaft etwas gegen Islamismus, da dies dem laizistischen Charakter der Republik widerspricht. Doch das führt zu solch grotesken und absurden Phänomenen, dass Frankreich keine Muslime als Muslime kategorisieren möchte und z.B. israelische Hilfe beim „Profiling“ von Jihadisten ablehnte und selbst die Rede von Islamisten sei verpönt.
Über diese dunkle Seite des ach-so-aufgeklärten Frankreich wird selten diskutiert. Es bräuchte eine neue „Dialektik der Aufklärung“, eine, die sich der Notwendigkeit der Aufklärung und Religionskritik bewusst ist und zugleich Islamisten als Islamisten ins Visier nimmt und zwar ganz gezielt und langfristig. Islamismus muss beim Namen genannt werden, sonst ist der Kampf gegen ihn von vornherein verloren.
Und es ist jetzt alles andere als Zufall und hat einen äußerst bitteren Beigeschmack, dass Frankreich aufsteht und sagt „Je suis Charlie“ – aber wer sagt ebenso „Je suis Juif“? Und wer betont den islamistischen Charakter des Verbrechens? Wo ist der Aufschrei, wenn es um Judenmord geht? Wo waren die Abkürzungsnazis, als im Sommer Muslime und Islamisten „Juden-ins-Gas“ brüllten und die NPD, Linksparteipolitikerinnen und viele andere ganz neidisch wurden ob so ausgesprochen aggressiven Antisemitismus‘? Und wo waren damals die Anti-PEGIDA-Aktivisten? Wo war der große, weltweit hörbare Aufschrei als in Toulouse im Rahmen einer Serie von islamistischen Anschlägen 2012 vier Juden einer jüdischen Schule gezielt ermordet wurden?
Im Sommer 2014 und schon lange davor waren viele auf der antizionistischen Seite, von Jakob Augstein über Günter Grass hin zur Linkspartei.
Es geht um Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Religionskritik, daher sind alle Aufgeklärten jetzt Charlie Hebdo. Aber es geht um eine Bekämpfung der islamistischen Gefahr in all ihren Facetten. Ein ideologischer Kern des Islamismus ist der Antisemitismus, die Tötung von Juden, die Leugnung oder Trivialisierung der Shoah mitsamt der Schuldprojektion auf die Juden und die Zerstörung des jüdischen Staates Israel, der von Islamisten inmitten der muslimischen und arabischen Welt niemals akzeptiert werden wird. Ebenso werden die Juden in Europa zum Ziel der Islamisten und Jihadisten. Immer mehr Juden verlassen Frankreich und andere europäische Länder und gehen nach Israel.
Den Antizionismus teilen die Jihadisten mit weiten Teilen der westlichen kulturellen und politischen Elite, auch vielen, die jetzt schweigend sagen „Je suis Charlie“. Doch allzu viele schwiegen zu oft und zu lange, wenn Juden in den letzten Jahren in Europa von Jihadisten und Islamisten ermordet wurden, als dass man deren Schock ob des islamistischen Massakers und der Geiselnahme wirklich ernst nehmen könnte.
Es ist gerade der kosmopolitische Antizionismus, exemplarisch symbolisiert in der Adorno-Preisträgerin 2012, Judith Butler, und ihren Anhängern, der symbolisch steht für das Einverständnis der westlichen Eliten mit dem Jihadismus gegen den jüdischen Staat.
Danke an Thomas Weidauer für hilfreiche Hinweise.
Dr. phil. Clemens Heni ist Politologe und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), www.bicsa.org.
Man kann einen negativen Laizismus vertreten wie die Franzosen (alle Religionen dürfen übereinander herziehen, weil keine Kommunität den Schutz des Staates verdient). Oder man kann einen positiven Laizismus vertreten wie die Nordamerikaner (alle Religionen sollen einander achten, weil alle Kommunitäten zum Gemeinwohl beitragen).
Das alles sind mögliche Spielarten eines moralischen Universalismus. Aber Heni scheint keine davon zu gefallen. Wäre sein Wunsch ein Staat, in dem die Juden so geachtet sind wie in den USA, aber über die Muslime so hergezogen werden darf wie in Frankreich? Das wäre dann ein verdeckter Abschied vom moralischen Universalismus zugunsten eines moralischen Tribalismus.
Rainer, darf ich sie darauf hinweisen, dass die Franzosen gerade zu Hunderttausenden für diese ihre Verfassung demonstrieren. 🙂
Mir gefällt der Stil von Charlie Hebdo nicht, seit ich das „Vergnügen“ hatte, diesen als damaliger Abonnent der „Pardon“ bereits in den 70ern kennenzulernen, aber: SATIRE DARF ALLES, vor allem alle Religionen verketzern,. Es kommt nicht auf den Stil an, sondern auf die Aussage.
Arnold,
ich würde mir wünschen, daß viel, viel mehr Deutsche als bisher, egal ob religiös -christlich, muslimisch, jüdisch oder…, ob atheistisch, agnostisch, sich mit ihrer Verfassung beschäftigen und sich dann zu dieser ihrer Verfassung aus Überzeugung „bekennen“ würden, dann wären sie -im weitesten Sinne-Verfassungspatrioten wie ich und so wie sie sich derzeit hundertausende Franzosen zu den Grundwerten ihrer Verfassung bekennen.
Warum dieser Wunsch?
Mit diesen „Verfassungspatrioten“wäre dann nicht mehr aus den unterschiedlichsten Anlässen darüber zu diskutieren, daß jeder Mensch auf dieser Welt eine unantastbare Würde hat unabhängig von Herkunft, Rasse, Religion,Überzeugung,Geschlecht.
Diesem Ideal von der unantasbaren Würde eines jeden Menschen hat sich die Gesellschaft in Deutschland mit ihrer Verfassung verpflichtet. Und alle Staatsgewalt ist gemäßt Art.1 (1.)(2) GG verpflichtet, diese Würde zu achten und zu schützen.
Wenn darüberhinaus, vielmehr muß es gar nicht sein, jedem deutschen Staatsangehörigen -und jeden darüberhinaus hier Lebenden- dann noch der Inhalt des Art.3(3)GG als Verfassungsgebot bekannt und bewußt wäre, ließe sich so manche kontroverse Diskussion über die für jedermann geltenden, unantastbaren Grundprinzien des Zusammenlebens der Menschen in Deutschland vermeiden.
(Art.3 (3) :
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens,seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden.“
U.a. wäre damit für jedermann klar, klargemacht, daß es demgegenüber keine höherwertigen Rechtsgüter in Deutschland gibt, nciht geben kann, egal womit man diese zu begründen versucht.
Ich fand es in diesem Sinne sehr erfreulich, daß im heutigen Presseclub in der ARD ein deutscher Journalist sich präsentierte als muslimischer Verfassungspatriot.
Anmerkung:
Ich frage mich im Moment, warum die Mordserie des NSU in Deutschland bei uns nicht ‚mal annähernd das öffentliche Interesse, die öffentliche Aufmerksamkeit gefunden und zu einer so umfassenden Diskussion geführt hat wird die Terror-morde jetzt in Paris.
Liegt das nur daran, daß die Terror-morde in Paris sich in kürzester Zeit abgespielt haben, läßt sich das damit erklären, daß wir uns alle durch islamistische Terroristen bedroht fühlen, liegt das daran, daß es sich um weltweit aktive Terroristen handelt und nicht um eine kleine Gruppe Deutscher, die in Deutschland aus rassistischen Gründen gemordet haben?
Ich war und ich bin jedenfalls bis heute ratlos darüber, wie relativ gleichgültig die Gesellschaft in Deutschland mit der Mordserie des NSU umgegangen ist.
Um Mißdeutungen meiner Frage vorzubeugen:
Ich teile die Trauer, den Zorn, das Entsetzen über die Terrorakte radikal-fanatischer Islamisten in Paris und die Sorge darüber, was auch uns in Deutschland an Terror-anschlägen drohen und was das letztlich für die freiheitlich pluralistische Gesellschaft bedeuten könnte.
Thomas Weigle -3-
Über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten oder eben nicht.
Ich fand so Manches in so manchen Karikaturen, wenn es gegen Religionen ging, geschmacklos. Das gilt auch für so Manches, was ich in der Literatur, in den Medien dazu zu lesen hatte. Nur geht es in einer freiheitlich-pluralen Gesellschaft, in einem freiheitlichen Rechtstaat nicht darum, daß Gesellschaft und Staat mich vor solchen von mir empfundenen Geschmacklosigkeiten zu bewahren haben. Sie haben mir lediglich zu garantieren, daß ich mich dagegen -gewaltlos-mit meinen Mitteln Möglichkeiten „zur Wehr setzen kann“.
#1 Rainer Möller.
Ich denke, der Unterschied zwischen den USA und Frankreich ist derzeit nicht der zwischen konträren Laizismus-Vorstellungen. Ich sehe eher den Unterschied zwischen einem amerikanischen Puritanismus und der französischen Libertinage, wenn ich lese, dass die großen US-Blätter (Washington Post, New York Times etc.) die Zeichnungen von Charlie Hebdo mit der Begründung nicht veröffentlichen (und damit selbst jetzt diesen solidarischen Schritt verweigern), man wolle keine religiösen Gefühle verletzen.
Es gab in den Vereinigten Staaten früher, als der Puritanismus der letzten 30 Jahre noch nicht majoritär war, Zeitschriften wie „Charlie Hebdo“. Die frühen 1960er Jahre waren die Blütezeit einer libertären, anarchischen Satire in den USA, die keine Scham kannte in der Militanz gegen kirchliche Sittenlehren und bürgerliche Doppelmoral.
Heute dagegen bekennt man sich in den USA zwar im allgemeinen gerne zur Meinungsfreiheit, aber wenn es konkret wird, wie im Moment, überwiegen Vorsicht und Anpassungsbereitschaft gegenüber dem Staat, wie sie seit Nineeleven dieses Land beherrschen.
Anders dagegen zeigen heute hunderttausende Franzosen aller Schichten, Kulturen und Religionen, dass man auf die wahre Obszönität des mörderischen Fanatismus der Islamisten auch anders reagieren kann als mit Rücksichtnahme und Bedenkenträgerei. Je suis Charlie eben.
Ich nehme den Hinweis des Autors auf den Antizionismus und Antisemitismus, die sich selbst jetzt in den Reaktionen europäischer Intellektueller und Eliten auf die Anschläge von Paris äußern, sehr ernst.
Und zitiere aus diesem Grund aus einem Essay, der in die gleiche Richtung der Kritik geht:
„Auch jetzt, nach dem Terror von Paris, steht in den öffentlichen Reaktionen und Debatten hierzulande auffällig oft die Warnung vor einer wachsenden Islamfeindlichkeit im Mittelpunkt. (…) So, als sei die Gefahr, die vom politischen Islam als totalitärer Ideologie ausgeht, ansonsten zu vernachlässigen. Ebenfalls bezeichnend ist, wie wenig über die jüdischen Opfer gesprochen wird, die es in einem koscheren Supermarkt in Paris gab. Der Täter hatte sich dieses Geschäft ganz gezielt ausgesucht, wie er selbst sagte: »Ja. Die Juden. Wegen der Unterdrückung, vor allem des ›Islamischen Staats‹, aber überall. Es ist für alle Gegenden, wo Muslime unterdrückt werden. Palästina gehört dazu.«
Das hätte ein Anlass zu sein, eher vor Judenfeindlichkeit zu warnen als vor Islamfeindlichkeit, zumal nach den antisemitischen Aufmärschen des vergangenen Sommers. Doch »jüdische Tote scheinen Europa, ja die Welt bei weitem nicht so zu erschüttern wie Tote anderen Glaubens«, wie Bernhard Torsch auf seinem Blog schreibt. »Es ist fast so, als würde Terrorismus gegen Juden als Normalität wahrgenommen und, schlimmer noch, als Reaktion auf den Nahostkonflikt rationalisiert. Dass man den Skandal der Dauerbedrohung jüdischen Lebens in Europa hingenommen hat, ist aber eine der Wurzeln des Nachtschattengewächses Terrorismus. Kaum jemand schien zu verstehen, dass es nicht nur darum geht, jüdische Menschen und Einrichtungen mit Polizeistreifen zu beschützen, sondern dass die Notwendigkeit für diesen Schutz das eigentliche Problem ist. So wie das eigentliche Problem am islamischen Terrorismus nicht die Qualität der Abwehrmaßnahmen dagegen ist, sondern dass diese Maßnahmen nötig sind.«“
Quelle:
http://lizaswelt.net/2015/01/11/von-deutschem-elend/
@ Walter Stach Als „gelernter Bundesbürger“ sehe ich es in Bezug auf den „Verfassungspatriotismus so wie Du. Diese Verfassung ist das Beste, was den Menschen, die in dem Gebiet leben und lebten, dass sich Deutschland nennt, im letzten Jahrhundert passiert ist. In Bezug auf die Weimarer Republik sagte 1924 ein sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter: „Wenn es etwas gibt, was uns an den Ergebnisses des Krieges versöhnlich stimmt, dann ist es die Errichtung der Republik. Es ist unsere Pflicht gegenüber den Toten des Krieges diese zu schützen und zu erhalten“. Leider gelang dieses Vorhaben nicht, auch deshalb sind WIR in der PFLICHT!!
„Heute dagegen bekennt man sich in den USA zwar im allgemeinen gerne zur Meinungsfreiheit, aber wenn es konkret wird, wie im Moment, überwiegen Vorsicht und Anpassungsbereitschaft gegenüber dem Staat, wie sie seit Nineeleven dieses Land beherrschen.“
Antiamerikanischer Unfug. Gegenüber ihrem Staat hält die US Presse nicht zurück, weil sie weiß, dass die unabhängigen Institutionen dieses Staates sie schützt. Dergleichen geht die Presse mit jedem anderen Rechtsstaat um. Wovor die zurückschrecken ist Diktaturen usw zu kritisieren, da diese eben nicht die Rechte der Presse respektieren.
#8
Wie bitte? Antiamerikanisch? Größer haben Sie es nicht?
Sie reißen einen Satz meines ausführlichen Textes (#6) aus dem Zusammenhang, um unter die Gürtellinie zu schlagen. Billig.
Die USA haben eine Presse die freier, vielfältiger und bissiger ist, als die deutsche. Die Aussage sie würde sich seit 9/11 in Selbstzensur üben, ist ein typisches antiamerikanisches Vorurteil.
@ Walter Stach + Thomas Weigele
Ja, die Franzosen haben uns den Verfassungspatriotismus voraus. Ich hoffe, dass sich alle europäischen Länder an ihnen ein Beispiel nehmen. Ich bin begeistert über die Bilder aus Paris. Und unserem Rainer Möller (# 1) fällt dazu nichts anderes ein, als von einem „negativen Laizismus“ zu faseln, um damit den Franzosen selbst die Schuld an dem Terroranschlag zuzuschieben. Manchmal lässt er eben doch seine Maske fallen.
>>Auch jetzt, nach dem Terror von Paris, steht in den öffentlichen Reaktionen und Debatten hierzulande auffällig oft die Warnung vor einer wachsenden Islamfeindlichkeit im Mittelpunkt.<<
Man könnte es natürlich auch als positives Zeichen sehen, dass man den Leuten scheinbar nicht erklären zu braucht, dass Mord an Juden Kacke ist und es keine Parteien gibt, die sich offen gegen die "Judaisierung des Abendlandes" aussprechen…
@#4 WALTER Stach:
„Ich frage mich im Moment, warum die Mordserie des NSU in Deutschland bei uns nicht ‘mal annähernd das öffentliche Interesse, die öffentliche Aufmerksamkeit gefunden und zu einer so umfassenden Diskussion geführt hat wird die Terror-morde jetzt in Paris.“
Zum einen wurde recht „erfolgreich“ von Anfang an seitens der Ermittlungsbehörden eine „Eher keine politischen Morde“-PR-Strategie verfolgt, die auch keine Live-Berichterstattung der Medien zur Folge hatte, zum anderen ist grade diese PR-Strategie auch durch die Parteien seit vielen Jahren dafür verantwortlich, dass Nazi-Morde und überhaupt *politische* Nazi-Gewalttaten von vielen Bürgern in das Reich der Fabel verwiesen wurden.
„Das hatten wir doch überwunden, das sind doch heute nur ungezogene Blagen und Spinner ohne gefährlichen Hintergrund“ – noch vor ein paar Monaten Originalzitate aus der Nachbarschaft. Da haben leider auch die Medien sehr lange schlicht gepennt.
Wichtig ist in dieser Situation nicht aus den Augen zu verlieren, dass trotz angeblich religiösen Hintergrund der Tat nicht der Islam der Beweggrund dieses Angriff ist, sondern dass die Tat von einigen wenigen Extremisten ausgeübt wurden, daher sollte sich jeder nochmal vor die Augen führen, dass Muslime genauso wenn nicht sogar betroffener von dem Anschlag sind, da ihre Religion als Rechtfertigung in den Schmutz gezogen wird.
Je suis Charlie
@ Tom
Die religiösen Hintergründe waren bei den Morden in Paris genauso wenig nur angeblich wie die rassistischen Hintergründe bei den Morden der NSU hier in Deutschland. Terror hat ganz verschiedene Hintergründe. Es mag ihnen nicht gefallen, aber die Religion ist davon nicht ausgenommen.
Und was die Masse der friedlichen Muslime betrifft, müssen sie sich hier stellvertretend um die auch keine Sorgen machen. Die kriegen das schon selber hin, ihre Religion gegen den religiösen Terrorimus zu verteidigen.
Arnold -15-,
„die Religionen sind davon nicht ausgenommen“…..
Das war und das ist unbestritten so.
Zurecht wird in der aktuellen Diskussion daran erinnert, daß es noch nicht so lange her ist, wo sich in Nordirland Christen gegenseitig durch Terrorakte getötet haben.
Und wohin radikaler Fanatismus führen kann, wenn man die „Werte des christlichen Abendlandes“ gefährdet sieht, hat der Terrorist Brevik in Norwegen mit seinem Massenmord nachdrücklich bewiesen.
„Terror hat eben ganz verschiedene Hintergründe“, ja, auch das ist so..
Ich habe bei einschlägigen Diskussionen, auch hier bei den Ruhrbaronen, u.a.rückblickend auf den sog.3o Krieg, gefragt, ob Kriege, ob Terrorakte oftmals wie vorgeben tatsächlich der Religion, der Religionen wegen geführt bzw. begangen wurden und werden oder ob die Religion nicht häufig lediglich der Rechtfertigung, der Begründung für Kriege und Terrorakte dienten und dienen, die letztlich auf andere Ziele , andere Zwecke ausgerichtet waren und sind, nämlich auf machtpolitische, profanen- weltliche.
Es mag so sein -sh.der sog.3o jährige Krieg-, daß es -von Anfang an oder im Laufe eines Konfliktes- eine Gemengelage von Beidem gibt und unklar ist -in der subjektiven Wahrnehmung oder objektiv-, welches Interesse das dominate ist – das religiose oder das machtpoltiisch-weltliche.
Mir geht das jedenfalls mit Blick auf den sog.Nah-Ostkonlikt so -Israel/Palästina (Juden/Muslime) -Syrien/Irak/Türkei/IS -sunnitische, schiidstische Muslime und…?) einschließlich der machtpolitisch- profanen-weltlichen Interesse der USA, Russlands, der EU u.a. so.
Was waren für die Terroristen in Paris , besser wohl für „ihre Hintermänner, für ihre direkten/indirekten Auftraggeber „, die wirklichen Motive – „rein religiliöse -Beleidigung des Propheten oder letztendlich profane-politsche im Kampf um die weltliche Herrschafschaftsmacht im Nahen Osten und darüberhinaus?
Das frage ich mich für den sog.IS generell -foglich auch für diejenigen, in in seinem Namen Terrorakte begehen.
@ Walter Stach,
Sie fragen nach den „wahren“ Motiven. Nun, wir können die Attentäter von Paris nicht mehr befragen. Aber wenn man sich die Vita der Kerouachi-Brüder duchliest, so sind sie von Klein-kriminellen zu den „ganz“ großen Gangstern aufgestiegen.
Möglicherweise findet in der islamischen Welt seit Jahren (vom Westen vielleicht nicht so erkannt) schon lange eine „Aufklärung“ statt. Allerdings geht sie hier den umgekehrten Weg.
Hin zu mehr Religiosität, begründet möglicherweise mit einem Unbehagen in der Moderne, das die Akteure von IS, Boko-Haram, Al-Quaida etc. teilen. Denn eines muss man konstatieren,
primär richtet sich die Gewalt dieser Gruppen gegen Moslems. Moslems, die kein Problem mit der Moderne haben und deshalb „Ungläubige“ geworden sind.
Ich persönlich halte auch Verweise von jihadistischen Gruppen auf die Gemengenlage
Israel Palästina für ein vorgeschobenes Argument. Wohlwissend, daß man immer auf interessierte Kreise im Westen trifft, die diese Argumentation goutieren.
Angefangen hat das alles in den 70er Jahren, seit dem Anschlag auf Olympia. Vermutlich hat aber damals niemand außer den Israelis selbst, die Tragweite dessen erkannt. Auch damals ging es nicht primär um dem Israel-Palästina Konflikt. Auch damals war das schon ein moslemisch-nicht moslemisch geprägter Konflikt. Es fiel halt nur nicht auf, weil damals die weiblichen Terroristinnen nicht tief verschleiert, sondern in Jeans und T-Shirt die Bomben geschmissen haben.
Ein weiteres „wahres“ Motiv könnte sein, daß der „Kampf gegen die Ungläubigen“ auch ein
Business ist. Irgendwer muss den Leuten ja die Waffen verkaufen. Irgendwer muss den Leuten ja Geld für die Waffenkäufe gegeben haben. Oder?
KClemens
ja, möglicherweise ist das so wie angenommen.
In dem Zusammenhang , nicht unmittelbar die Terrormorde in Paris betrfeffend, aber zum Thema Religion-Politik- Konflikte-Terror- Krieg gehörend, finde ich es nachdenkenswert, daß in Israel aus Kreisen derjenigen, die immer noch auf eine friedliche Lösung des Konfliktes „um Palästina“ bemüht sind,
neuerdings (!!) die Sorge formuliert wird, der Konflikt werde u.a. wegen der sich verschärfenden Problematik um die heiligen Stätten in Jerusalem, jetzt mehr und mehr zu einem religiösen. D.h., a.) nach deren Auffassung war er das bisher nicht, jedenfalls nicht primär und b.), er wäre nach deren Auffassung als Religionskonflikt wesentlich problematischer, wesentlich gefährlicher als ein Konflikt, in dem es „nur“ um profane-weltliche Belange gehen würde wie die der Sicherheit der staatlichen Existenz Israels nach Außen, die Sicherheit der Staatsbürger im Innern, die Gründung eines 2.Staates auf palästinensischem Gebiet, die Festlegung der territoriale Grenzen für Israel und für die eines selbständigen Staates der Palästinenser.
Kann man daraus eine Bestätigung der These herleiten, nach der Religionskonflikte, nach der religös motivierte Konflikkte, nach der Konflikte, in denen die Religion als Mittel zum Zweck dient, mehr als andere von besonderem Fanatismus, von besonderer Rücksichtslosigkeit , von besonderem Hass auf den Gegner besimmt und geprägt sind?
Sh. dazu z.B;
-„………in Jerusalem, wo der Konflkt zunehmend im Namen Gottes ausgetragen wird.
„……….Dazu paßt der geplante Gesetzesentwurf, der Iisraels Status als jüdische Nation über die
Demokratie stellt,………“
Zitate aus einem Artikel von Nicola Abe‘ „Fels in der Brandung“ in
DER SPIEGEL 2/2o15 S.76 ff.
Mir geht es mit diesem Beitrag und mit den Zitaten nicht darum, zu der unendliche Geschichte um den Konflikt zwischen Israel und Palästina einen weiteren Beitrag zu liefern und es geht mir erstrecht nciht darum, von den Terromorden in Paris abzulenken, sondern darum, „Munition zu liefern“ zur These von der besonderen Gefährlichkeit, der besonderen Bedrohlichkeit, der vo extremem Hass bestimmten Religionskonflikte, religiös motiverter Konflinkten bzw. der Konflikte, wo die Religion Mittel zum Zweck ist.
Ich bin doch ein bisschen überrascht, dass meine Unterscheidung zwischen dem „positiven“ (eher proreligiösen und prokommunitären) Laizismus der USA und dem „negativen“ (eher antireligiösen und antikommunitären) Laizismus Frankreichs in dieser Weise angegriffen wird.
Der Sache nach dürfte diese Unterscheidung doch unumstritten sein. Communitarianism ist in den USA eine anerkannte politische Philosophie, communautarisme ist in Frankreich eher ein Schimpfwort.
In der Tat bin ich in dieser Frage eher proamerikanisch; aber gegenüber Heni ist es mir wichtiger zu betonen, dass man mit beiden Modelle leben kann – aber nur so lange, wie das jeweilige Modell gleichermaßen auf alle Religionsgemeinschaften angewendet wird.
@Walter Stach,
vielleicht ist der Schwenk in Israel, weg von einer Demokratie, hin zu einer eher religiös angelegten Staatsform auch ein „Verdienst“ der doch recht großen Gruppe von strenggläubigen Juden, oder eine Art Gegenleistung dafür, daß auch für die Gruppe der strenggläubigen Juden die Wehrpflicht gilt.
Kein sich demokratisch nennender, und sich grundsätzlich so verstehender Staat sollte so tief sinken und vor potentiell demokratie- und verfassungsfeindlichen Gruppen einen Kotau machen, nur um die einzelnen Gruppen zu
befrieden und um Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Religion: nein danke. (bringt nix oder Leid)
Gewalt: nein danke. (bringt nur Leid)
Der Unterschied:
– Gewalt als einer der „letzten Mohikaner“ neben aller möglicher heutzutage sinnlos schönredepflichtiger Scheiße ist uneingeschränkt ablehnbar (wie z.B. Faschismus – gelobt sei, wenn man nicht mehr denken muss)
– Religion hat im Vergleich das doch noch etwas höhere Ansehen. Sie genießt damit einen gewissen Relativierungsspielraum, der oft in Form von Verharmlosung genutzt wird.
Was wofür instrumentalisiert wird (religiöse Motive für Gewalt; Gewalt für das Durchsetzen der Ziele religiösen Fanatismus; die Angst vor dem Islam für die Verunglimpfung einer ganzen Religion; die zum dogmatischen Selbstläufer verkommene Antidiskriminierungshysterie für den Raub des Rechtes auf Widerstand gegen ethnische Überfremdung im eigenen Land…), ist letztlich egal.
Wichtig ist nur, dass die Instrumentalisierung einerseits im Sinne der politischen Korrektheit immer schön einfach und selektiv abläuft, während man sich andererseits gefälligst immer so lange zu Tode zu differenzieren hat, bis sich das moderne beschränkte Gutmenschenweltbild alle Hintertüren aufhalten kann, die es für seine Psychohygiene braucht („Nein, vielleicht meinen die das gar nicht so… Vielleicht meinen die das ganz anders und wir verstehen es nur nicht…“ Blablabla usw.). Das wird noch so lange gehen, bis man die Welt wieder zu einer flachen Scheibe erklärt, weil alles andere – wie momentan eben nur Faschismus und Gewalt – plötzlich gegen irgendwelche vorgekauten „heiligen“ Sichtweisen verstößt.
Wird bestimmt lustig!
@KClemens Nein, es war kein nur von Moslems-Nichtmoslems geprägter Konflikt, er begann auch nicht mit München 72. Der „Schwarze September“ bezog sich auf die Entführung und Sprengung dreier Flugzeuge durch palästinensische Terroristen auf Dawson Field und dem anschließenden Krieg der jordanischen Armee gegen die Palästinenser im September 70, in dem sehr kurzfristig auch Syrien verwickelt war.
Als ich 71 für mehrere Wochen in Israel war, war diese Auseinandersetzung durchaus bei den Palästinensern mit denen ich zu tun hatte, durchaus noch Thema.
Die orthodoxen Juden spielten damals keine große Rolle, sondern machten nur durch einzelne Steinwürfe auf Busse und Sammeltaxis am Sabbat in Jerusalem auf sich aufmerksam. Das ist heute durchaus anders.
@Walter Sch
#18 „Dazu paßt der geplante Gesetzesentwurf, der Iisraels Status als jüdische Nation über die
Demokratie stellt,………”
@KClemens
#20 „..vielleicht ist der Schwenk in Israel, weg von einer Demokratie, hin zu einer eher religiös angelegten Staatsform auch ein “Verdienst” der doch recht großen Gruppe von strenggläubigen Juden, oder eine Art Gegenleistung dafür, daß auch für die Gruppe der strenggläubigen Juden die Wehrpflicht gilt…“
Etwa eine halbe Millionen Chassiden und Haredim gehen nicht zum Milität und dies sind NUR die Männer, für nicht-chassidische/haredische Männer beträgt die Militärzeit 3 Jahre, gleichzeitig nehmen diese Herrschaften inkl. ihrer zahlreichen Nachwuchses alle Privilegien des Staates an. „Normale“ Orthodoxe und Sekulare studieren den Tanach in ihrer Freizeit und die restliche Zeit arbeiten sie für die immer größere Steuerlast. Nicht zu vergessen, „normale“ orthodoxe und sekulare Frauen gehen 2 Jahre zur Zahal oder Leisten Ersatzdienst.
Es ist ein Zeichen der Demokratie, dass nicht eine immer größer werdene Gruppe nur nimmt. Selbst heftige Kritiker am eigenen Staat wie M.Zimmerman, Zuckerman, etc. mahnen seit Jahren auf diese Defizit hin, das bei der Gründung nicht bedacht wurde, da damals gerade einmal 300 Chassiden/Haredim im Lande lebten.
Aber es geht um mehr um die Definition von Demokratie zu einem jüdischen Staat, sondern das die bisherige Trennung zwischen Staat und Religion aufgehoben wird. Dies betrifft nämlich nur die Juden an sich. Ein Jude, dessen Vater jüdisch ist gilt nach dem Beth Din (das zuständig ist für sänmtliche Bereiche des Familien-, Ehe-, Scheidungs- und Sterberechts) als Nicht-Jude und hat damit nicht die Möglichkeit in Israel zu heiraten. Nach der Änderung wird es diese Trennung nicht mehr geben, weil jeder Jude jeden heiraten kann OHNE vorher im Ausland zunächst zu heiraten. Ähnlich bzw. komplizierter ist es mit dem Scheidungsrecht (Gat), u.s.w.
Es ist also viel komplexer und das Jüdische schließt die Demokratie nicht aus, umgekert schon!
@Thomas Weigle,
ich bezog mich deshalb auf das Attentat in München, weil dies eben nicht im Nahen Osten, sondern in Europa geschah.
Auch bei früheren Konflikten im Nahen Osten wissen wir nicht genau, inwieweit religiös geprägte Motive da ausschlaggebend waren, weil es niemals ein Thema in der öffentlichen Diskussion war, und durch die bestehende Problematik des kalten Krieges vollkommen überdeckt wurde.
Ich persönlich halte es für nicht unwahrscheinlich, daß schon damals um die Vorherrschaft des „wahren“ Islams in der Region gekämpft wurde.
Und es ging auch nicht um die Zahl der damaligen (70er Jahre) orthodoxen Juden, sondern um deren heutige Rolle.
@ Aimée
Leider werde ich nicht ganz schlau aus Ihrem Post. Einerseits erkenne ich eine gewisse Kritik daran,
daß bestimmte Gruppen sich das für sie vorteilhafte aus der Demokratie herauspicken. Andererseits
verstehe ich den Bezug zum letzten Satz nicht.
@KClemens,
#25, „Andererseits verstehe ich den Bezug zum letzten Satz nicht.“
Ich schrieb doch, die Situation in Israel ist komplexer und unverständlich für Außenstehende. Ein „jüdischer Staat“ per Definition schließt die Demokratie aufgrund der religiösen Vorschriften ein; eine Demokratie per Defition vermöglicht bestimmten religiösen Gruppen sich der Verantwortung zu entziehen.
Ein Vergleich, der allerdings etwas hinkt, da die Situation aufgrund des nicht vorhandenen „Kriegeszustandes“ mit allen Formen der Sicherheitsmaßnahmen hier nicht existiert. Das BGE (bedingungslose Grundeinkommen) ist in Deutschland auch nicht umzusetzen, nimmt man nun Israel leben die Chassiden und Haredim von einem BGE. Das Problem ist in ca. 10 Jahren (nach Berechnungen von M. Zimmerman u.a.) werden 50 % der Bevölkerung dies dann bekommen.
Verscherfend kommt hinzu, dass durch den „Exodus“ in Frankreich immer mehr Franzosen jüdischen Glaubens nach Israel Aliya machen, ausgestattet mit mehr Rücklagen (gegenüber den Einheimischen) kaufen sie Immobilien, die sich Sabre (Einheimische, in Israel geborene Juden) nicht leisten können und schon gar nicht Sekulare.
Sozialer Wohnraum existiert NUR für Chassiden und Hasiden.
Will man den Ausbau von Siedlungen (einen Neubau gibt es nämlich nicht) verhindern und damit wieder die Spirale der Sanktionen u.a. der EU, dann muss man anfangen alle Bevölkerungsteille in die Finanzierung einzubeziehen.
Fakt ist, Israel ist so groß wie Hessen und nach Angaben der JA werden allein 25.000 Franzosen jüdischen Glaubens einwandern.
Frankreich Mutterland der Religionskritik, dort die Inklusiveness und Biederkeit der USA, UK, Australiens.
Die Artikel des Australiers und in slate haben diskutiert, ob der Charlie Hebdo Religionskritik ist oder rassistisch. Sagen wir mal, er ist beides – ist es dann nicht nachvollziehbar, wenn Leute dem Charlie Hebdo in seinem Rassismus nicht folgen wollen?
Und wie sieht es mit den Volkswirtschaften aus und der Fairness in den Gesellschaften? Frankreichs Wirtschaft schafft weniger Arbeitsplätze als die der USA, so dass Minderheiten hohe Arbeitslosigkeit hinnehmen müssen, und Frankreichs Universitäten sind für die Unterschicht schwerer zugänglich als die in USA. Insofern ist der Charlie Hebdo mit seinem Rassismus Teil des französischer mainstreams.
@Aimee,
danke für Deine weiteren Ausführungen, denen ich anmerke, daß Du diese Entwicklung durchaus kritisch siehst. Das kam für mich im ersten Post nicht so klar ‚rüber.
@ R Liga # 27
Wo genau ist Charlie Hebdo rassistisch? Oder meinen sie, das Religionsgemeinsschaften mit Rassen gleichgesetzt werden können?
Die Armut der Unterschichten ist schon deswegen in den USA größer als in Frankreich, weil die USA keine vergleichbare Arbeits- und Sozialgesetzgebung haben. Frankreichs Universitäten erheben keine Studiengebühren.Die in den USA liegen bei mindesten 10.000 $ pro Jahr. Die höchsten liegen bei 40.000 $.
@KClemens,
#28,
wie ich schrieb, die Definition als „jüdischen Staat“ schließt die Demokratie ein, z.B. die Gesetze der Thora haben nur Gültigkeit bis „menschliche“ Gesetze geschaffen werden. Damit können sich z.B. Rassisten wie Kahanisten nicht mehr auf religiöse Auslegungen wie „Din Moser“ berufen, sondern es gelten nur die Gesetze des Parlaments. Dies war bisher im Strafrecht zwar der Fall, aber eben nicht für den Bereich des Familien-, Ehe- und Scheidungsrechts, nicht welches Recht es auf „lebenslange finanzielle Unterstützung“ es gibt etc. Wie geschrieben, es kann nicht sein, dass Chassiden und Hasedim ihr Leben lang studieren, unabhängig, dass das Ziel nicht ist (was oft mißverstanden wird) z.B. Rabbiner zu werden, sondern Lernen um des Lernen willens. In diesen Kreisen ist es fast ein „Hobby“, dass jedes männlich Mitlied Thora + Talmud studiert, unerheblich ob eine Begabung vorliegt. Dem gegenüber kennt das „religiöse“ Scheidungsrecht (da es kein Zivilrecht gibt) keine Unterhaltsleistung Frauen gegenüber, so arbeiten alle geschiedenen Frauen Vollzeit, weil das Kindergeld und der Kindesunterhalt zu wenig ist (nicht einmal um annähernd die Betreuung zu finanzieren) um zu existieren. Zwar auch schon erwähnt, aber Sozialer Wohnungsbau für Sekulare existiert nicht.
So geht es eben nicht…. falls dir bekannt ist, Occupy Israel hat u.a. 500.000 Menschen auf die Beine gestellt (bei 7 Mill. Einwohner), weil eben die Probleme offensichtlich sind.
@R.Liga
#27,
ähnlich wie Arnold, wie kann Religionskritik oder Satire rassistisch sein?
In der USA herrscht aboslute Meinungsfreiheit , Holocaustleugung it nicht verboten. Nehmen wir nun einmal die Karikaturen von CH, es ist Satire und „Foreskinman“ ein Online Comic aus den USA. Dort hat das aboslut Böse einen Name „Super- Mohel (Mohel= jüdischer Beschneider). Es geht dort in Julius Streichers „Stürmer“ Manier um übelste Hetze, mittelalterliche Ritualmordlegenden, kurzum übelste antijüdische Hetze.
Da es erlaubt ist, ist es eben Hetze, es gab weder Anschläge noch kann man dies als „den ameriakanischen Mainstream“ definieren und es ist keine Satire!
Zu den Studiengebühren, wie Arnold feststellte (daher ist es auch nicht aufgeführt) erhebt Frankreich keine Studiengebühren und weltweit ist die USA auf Platz 2:
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/wo-das-studium-fuer-auslaendische-studenten-am-teuersten-ist-a-917328.html
Ergänzend zu Frankreich, dort existiert auch für alle die Krankenkasse (in den USA haben diese nur die wenigsten) und im Gegensatz zu Deutschland kann man einen ausländischen Partner (als Franzose) eintragen lassen. Der ist dann auch krankenversichert 🙂
wg. Charlie Hebdo rassistisch:
Das ist eine These, die der Australier Chad Parkhill und der US Amerikaner Jordan Weissman in den Artikeln aufgestellt haben, die vom Ruhrbarone Autor Clemens Heni netterweise verlinkt wurden.
Die Religionskritik Charlie Hebdos ist für mich rassistisch, wenn ich Cartoons sehe, in denen Menschen mit anderer Hautfarbe und anderer Rassen , nicht anderer Religionen, als Idioten verunglimpft werden.
wg. Zugang zu Arbeitsstellen und Universitäten in Frankreich und USA
zu Arbeitsstellen in Frankreich :
„So ist die Arbeitslosenrate in den Banlieue und damit auch unter den Immigranten mit ca. 22 Prozent (2005) mehr als doppelt so hoch wie der Landesdurchschnitt. Besonders problematisch ist die Lage der 15- bis 24-Jährigen, die zu 42 Prozent keine Arbeit gefunden haben.“
zu Universitäten in Frankreich:
„Noch deutlicher zeigt sich der soziale Unterschied bei den Diplomabschlüssen: Ohne Abschlüsse blieben im Jahre 2005 landesweit 25 Prozent der Jugendlichen, unter den Einwanderern beträgt diese Anteil rund 48 Prozent.“ beides Sabine Riedel 2007
zu Arbeitsstellen in USA:
„Immigrant unemployment rate same as American-born workers“ CNN 24.5.2013
zu Universitäten in USA:
„Asian students earn 45 percent of engineering PhDs awarded in the US despite comprising only 5.6 percent of the population.“ Huffingtonpost 15.6.2013