NRW bleibt beim Turbo-Abitur mit acht Jahren. Das ist das Ergebnis des Runden Tisches der Landesregierung. Mit tiefster Überzeugung verkündete Bildungsministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) gegenüber den Medien ihre Überraschung, dass so viele Teilnehmer am Runden Tisch dem zugestimmt haben. Das Eltern, Schüler und 70 Prozent der Bürger im Lande das Turboabitur ablehnen wird von ihr ignoriert. Sie lobt lieber die tolle Kooperation mit den Verbänden bei der Bildungspolitik.
Diese Überraschung ist allerdings wenig glaubwürdig, da bereits bei der ersten Einladung zum Runden Tisch klar war, dass von den 30 anwesenden Verbänden und Initiativen nur drei für eine Rückkehr zum alten Abitur waren. Das sind zwei Elterninitiativen und die Landesschülervertretung NRW. Frau Löhrmann setzt lieber auf die Wünsche der Wirtschaft und die Interessen der Verbände. Das deckt sich nicht mit den Interessen der Allgemeinheit. Die Erziehungsgewerkschaft GEW will die Gesamtschulen voranbringen und dabei stören attraktive Gymnasien. Auch die Landesregierung setzt auf den Ausbau von Gesamt- und Gemeinschaftsschulen. Bei Philologen und einigen Elternverbänden soll das elitäre Gymnasium hochgehalten werden. Da kann der schnelle Abschluss für geförderte Schüler aus bürgerlichen Elternhäusern auch zum Alleinstellungsmerkmal werden. So wird aus einem Konstruktionsfehler eine unendliche Geschichte mit unzähligen Korrekturen. Verbesserungen und Erleichterungen soll es jetzt zumindest geben, für die Schüler an den Gymnasien im Lande – zum Beispiel bei den Hausaufgaben. Nachtsitzungen mit quadratischen Gleichungen und englischer Grammatik sollen demnächst der Vergangenheit angehören. Da drängt sich die Frage auf, warum das erst 10 Jahre nach der Einführung von G8 passiert?
Wirkliche Veränderung würde bedeuten, dass Fächer gestrichen werden, die nicht für einen qualifizierten Abschluss nötig sind. Welchen Sinn der Sportunterricht in der Oberstufe in der 10. und 11. Stunde – also nach 16 Uhr – macht, wird selbst von der redegewandten Ministerin nur schwer zu begründen sein. Warum an den Schulen immer noch bis zu drei Stunden Religion im Stundenplan auftauchen, dürfte nur die Kirchenvertreter am Runden Tisch wirklich freuen. Begründet wird das Festhalten am ungeliebten Status Quo gerne damit, dass man keine Experimente und ständige Richtungsänderungen in der Bildungspolitik will. Genau das ist eingetreten und das liegt in der Verantwortung der Politik. Es würde helfen die wirklichen Experten nach ihren Vorstellungen zu befragen und das sind Eltern, Lehrer und Schüler. Etwas ist jedenfalls sicher – die Diskussion um die Zukunft des Abiturs in NRW ist noch lange nicht am Ende.
Die Entscheidung ist richtig.
Mir fehlen wirkliche Impulse, die dafür Sorgen, dass NRW den Anschluss an die Leistungsspitze in Deutschland erreicht. Hier haben Politik und Schulen versagt.
Die Vorschläge des Autors zur Verschlankung des Stundenplans sind OK. Auch in den 70/80er Jahren war die Klasse 11 eher eine Kinderverwahranstalt in Vorbereitung zum Abitur als produktiver Unterricht. Ein Jahr für Auslandserfahrung etc. Man musste sie sich aber leisten können.
Die Schulpolitik ist auch zu sehr damit beschäftigt, schwächere Kinder zu fördern. Aber aber leistungsstarke Kinder haben ein Recht auf Förderung, die nicht nur darin bestehen kann, das Lehrpersonal zu unterstützen.
Ich war einer der Teilnehmer am RT für die Bürgerinitiativen. Auch wenn ich den obigen Ausführungen an einigen Stellen nicht zustimme (Hausaufgaben werden nicht gestrichen…es ist auch wichtig, dass man alleine und Zuhause übt und nicht nur im Chaos einer Klasse mit 30 anderen Schülern und die Abschaffung von Fächern zugunsten einer noch verstärkten Abschlussfixierung halte ich auch für problematisch!), tatsächlich war der RT ein abgekartetes Spiel. Zu keinem Zeitpunkt war G9 eine ernsthafte Alternative und die Minsterin, die sich gerne als Moideratorin eines Expertengremiums hinstellte, war dies nicht! Der RT wurde von ihrem Haus zu jedem Moment gelenkt. Auch die Verbände, die sie inhaltich stützten, taten dies zum Teil aus völlig sachfernen Gründen.
Die Stellungnahme der Bürgerinitiativen zum RT ist eindeutig und kann gerne eingesehen werden.
@keineEigenverantwortung: Mich würd eher interessieren, auf welchem Gymnasium, das den Namen auch verdient hatte, Sie damals waren. Privatschule? Waldorf?
das schwierige an der Schule ist, dass sie Grundlagen bilden soll…
studiere ich eine Fachrichtung ergeben sich die Inhalte und die Tiefe des Stoffe mehr oder minder aus den angestrebten beruflichen Profil.
Schulbildung ist viel zielloser und daher gibts auch viel größere Differenzen, was Schulbildung denn nun beinhalten soll. Eigentlich kann man doch erst, wenn man davon eine Vision hat, festlegen, wieviele Schuljahre das dauern soll.
die wichtigste Veränderung im Schulsystem wäre für mich erstmal die Einführung des Pflichtfaches Informatik … Kinder und Jugendliche müssen ja lernen, wieso es in Zukunft immer weniger Bedarf an menschlicher Arbeitskraft gibt
#3: Ein ganz normales öffentliches Gymnasium im Ruhrgebiet.
Damals gab es noch alle 14 Tage Unterricht am Samstag, und in der Oberstufe waren wir auch bis in den Nachmittag in der Schule. Natürlich ohne Mensa etc. Hausaufgaben wurden vor der Schule, in den Pausen oder im ÖPNV gemacht. Nachhilfe war unbekannt. Nachmittags waren wir an der frischen Luft. Die Unterstützung der Eltern ging bis zum Ende der Grundschule. Meine Eltern lernten damals nach dem Krieg in sehr großen Klassen nahezu ohne Schulmaterial.
Rückblickend bin ich mit dem Gymnasium sehr zufrieden, wenn man davon absieht, dass sich die Schule für die Zeit nach der Schule nicht interessierte.
An die Klassen 11 und 4 (2. Halbjahr) erinnere ich mich an die Zeiten großer Langweile.
In der 4. Klasse war der Stoff nach dem 1. Halbjahr durch. Er wurde dann noch vertieft. bis ihn auch alle verstanden hatten.