Frei.Wild fühlt sich verfolgt: Der Journalist Thomas Kuban hat es gewagt, die nationalistischen Texte der Band zu kritisieren, nun schlagen die Deutschrocker zurück. Kuban sei gar kein richtiger Journalist, urteilt die Band. Ein Angriff auf persönlicher Ebene, da sich der Nationalismus in den Texten nur schwer leugnen lässt. Frei.Wild-Sänger Burger weiß zudem Erstaunliches zu berichten: Seine ehemalige Band Kaiserjäger sei unpolitisch gewesen. Von unseren Gastautoren Patrick Gensing und Andreas Strippel/publikative.org
Unpolitisch ist im Vokabular von Frei.Wild, deren Fans und ähnlichen Bands ein zentraler Begriff. “Die Band sieht sich als normale Rockband mit lebensnahen, lebensbejahenden Songs fern jeder ideologisch/ politischer Haltung.” Das verkündete Frei.Wild in einer Stellungnahme zu Kubans Kritik an der Band in der ARD-Sendung Günther Jauch.
Nur einen Satz weiter führt de Band dann aber aus: “Bei dem von Kuban zitierten Liedtext „Gutmenschen und Moralapostel“ geht es um scheinheilige Menschen, die anders handeln als sie öffentlich sprechen. Hierzu gehören nicht nur „schwarze Schafe“ in Institutionen wie Kirche und Politik, sondern auch Menschen wie Kuban.”
Persönliche Angriffe auf die Glaubwürdigkeit
Kurzum: Es geht um Kritik an Institutionen, Journalisten und Politikern. Und das soll unpolitisch sein? Ist es keine “Haltung”, wenn man Politikern und Journalisten unterstellt, sie seien verlogen? Doch, das ist eine Haltung – und zwar eine höchst populistische.
Weiterhin geht es darum, mit persönlichen Angriffen auf unliebsame Kritiker (Gutmenschen und Moralapostel) deren Glaubwürdigkeit zu beschädigen, genau wie Frei.Wild es mit Kuban versucht. Es sei “wichtig zu verstehen, dass Kuban kein Journalist im eigentlichen Sinne ist”, erklärt die Band. Kubans Art zu arbeiten sei “das Gegenteil von richtig verstandenem Journalismus”. Ein dreister Vorwurf, hatte Kuban doch lange Jahre undercover recherchiert, viel Geld investiert und seine Gesundheit riskiert. Kuban ist einer der wenigen Journalisten in Deutschland, die wirklich tief in eine Materie eintauchen. Exakt auf diesem Niveau werden Fachjournalisten sonst von NPD & Konsorten attackiert.
“Gegen jeden Extremismus”
Man muss Frei.Wild aber wahrscheinlich zugute halten, dass sie – und viele ihrer Fans, wie man unter anderem in den Kommentaren auf Publikative.org sehen konnte – beispielsweise den Unterschied zwischenNationalsozialismus und Nationalismus schlicht nicht kennen. Nazis sind in der Welt von Frei.Wild die Leute, die Heil Hitler brüllen und in Bomberjacken Schwarze verdreschen. Nationalismus (“Kurz gesagt, ich dulde keine Kritik an diesem heiligen Land, das unsre Heimat ist“ – Südtirol von Frei.Wild) wird dagegen als vermeintlich erstrebenswerter und harmloser Patriotismus verkauft. Übrigens argumentieren überzeugte Nazis genauso, sie sehen sich nicht als aggressive Nationalisten, sondern als ehrbare Patrioten – und alle Gegner als Vaterlandsverräter.
Gegen “jeden Extremismus” zu sein, wie Frei.Wild es nun von sich betont, ist eine altbekannte Strategie der neuen und alten Rechten, um die eigenen politischen Ideen als konforme Realität zu tarnen, die Gemeinsamkeiten mit der radikalen Rechten aber zu vertuschen. Auch von PI-News oder Republikanern und Pro-Parteien sind solche Worthülsen immer wieder zu hören, die aber gar nichts bedeuten, wenn man gleichzeitig offenen Nationalismus propagiert, aggressiv gegen bestimmte Gruppen von Menschen hetzt (wie in Gutmenschen und Moralapostel) und Bilder von angeblichen Tabus bei der Meinungsfreiheit garniert mit Anspielungen auf einen “Stern” transportiert.
Unpolitisches KeltenkreuzKeltenkreuz
Selbst ein Keltenkreuz auf einem CD-Cover erscheint in der Frei.Wild-Welt geradezu unpolitisch. So behauptet FW-Sänger Burger im Interview mit denRuhrnachrichten, seine ehemalige Band Kaiserjäger sei keine rechtsextreme Gruppe gewesen, sondern eine “Band von drei Jugendlichen, die darin ein dreiviertel Jahr lang Akkorde geübt hat. Es ging um Liebe, Freundschaft und Alkohol.” Alles wie gehabt, ganz unpolitisch.
Kaiserjäger – Meine Heimat heißt Tirol
eine Gruppe von Glatzen
kämpft dagegen an,
gegen Weicheier wie Raver,
Hippies und Punks
reagieren wir heftig
Allerdings kursieren Demo-Aufnahmen der Kaiserjäger, die heute noch in Frei.Wild-Fankreisen gehandelt werden. Auf dem Cover einer solchen CD ist ein Keltenkreuz zu sehen. Dieses Symbol wird in der rechtsextremen Bewegung oft benutzt – und zwar für die rassistische White-Power-Bewegung. Ob die Band dieses Cover selbst gestaltete oder ob es von Fans kreiert wurde, ist unklar, wahrscheinlich ist es ein Bootleg – klar ist aber, dass die Kaiserjäger ebenfalls keine unpolitische Band waren, so wie Burger es sich nun zurecht legt.
“Suche Kaiserjäger”
Burger verharmlost durch solche Aussagen vielmehr rechtsradikale Bands. Denn der Erfolg von Frei.Wild lässt auch das Interesse an Burgers ehemaliger Band wachsen, nicht nur bei Journalisten, sondern auch bei Fans. So suchen Frei-Wild-Anhänger nach der Kaiserjäger-CD, wie beispielsweise hier. Ein User kommentiert die Inhalte der CD so:
Ich möchte ja nichts sagen, aber Kaiserjäger mit dem Burger als Sänger waren eine tiefbraune Band. Das sieht man bereits an dem Cover der CD und von den Texten will ich gar nicht erst anfangen. Nazidreck!
Das interessiert andere Frei.Wild-Fans nicht: “Ist doch im Endeffekt jedem selbst überlassen aus welchen Motiven er das hört. Mich persönlich interessiert es einfach,weil ich einfach ein Freiwild Fan bin.” Interesse an rechtsextremen Bands – dank Frei.Wild – und alles ganz harmlos, denn Burger betonte ja, es handele sich um eine unpolitische Band.
Und so landet man schnell und direkt im härtesten Nazi-Rock: Wenn man beispielsweise bei Last.fm nach den Kaiserjägern sucht, wird als ähnliche Band “Noie Werte” aufgeführt; diese Gruppe lieferte den Soundtrack für das NSU-Bekennervideo. Alles ganz unpolitisch also… Auch sind Burgers Bands auf diversen Samplern zu finden, die im Netz angeboten und auf denen härteste NS-Bands einträchtig neben Frei.Wild aufgeführt werden. Für solche Veröffentlichungen hat die Band wahrscheinlich keine Erlaubnis gegeben, doch vielleicht könnten die Frei.Wild-Fans zumindest einmal kurz darüber nachdenken, warum wohl viele Nazis diese Band so mögen.
Gegen Faschisten und Nazis
Dass man als Südtiroler Rechter mit gutem Gewissen gegen Faschisten sein kann, erklärt sich aus dem Nationalismus und über die Versuche der italienischen Faschisten, Südtirol als uritalienisch zu betrachten. Und die Nationalsozialisten schlugen ohne Not ihrem italienischen Verbündeten eine Umsiedlung der Südtiroler vor. Hier ist die Ablehnung zweier Gruppen innerhalb der radikalen Rechten in erster Linie ein Reflex auf die als Bedrohung wahrgenommen Haltung gegenüber Südtirol.
Das ist kein Einzelfall: Nationalisten verschiedener Länder kommen sich immer wieder ins Gehege, wie beispielsweise das Auseinanderbrechen einer rechtsradikalen EU-Fraktion gezeigt hat. Eine Internationale der Nationalisten ist halt nur schwer mit dieser Ideologie zu vereinbaren.
So rebellisch wie die Texte von Heino
Themen wie Nation und Herkunft, Patriotismus und Kultur als unpolitisch zu verkaufen war schon immer ein Erfolgsgeheimnis der politischen Rechten. Dabei ist gerade anderes herum. Nichts ist politischer, als das Gerede von Heimat, Volk und Nation. In ihm ist die Frage aufgehoben, wer auf welche Weise teilhaben soll an dieser Gesellschaft und auch an ihrem Staat. Ebenso ist Patriotismus nicht unpolitisch, weil es eben nicht die konkrete Liebe zu einem Ort und Menschen meint, denen man sich verbunden fühlt, sondern die Zuneigung zu einer wie immer auch gedachten Abstraktion, die mit Kitsch über Volksmythen und Erdverbundenheit aufgepeppt wird.
Heraus kommt im Falle von Frei.Wild Blut-Boden-Romantik, die sich so wahrscheinlich nicht mal mehr viele Interpreten in der so genannten Volksmusik trauen. Die Texte der Band sind dabei in etwa so rebellisch wie die von Heino – frei und wild ist daran gar nichts.
Crossposting: Der Artikel erschien bereits auf dem Blog publikative.org
Ich lese den ganzen Artikel hindurch immer nur Dinge wie „das findet sich auch bei Nazis“, „ganz ähnlich wie Rechtsextreme es auch machen“ und „wie es in rechten Kreisen auch ausgedrückt wird“. Wer ununterbrochen sowas schriebt, sollte nicht andere wegen ihres Populismusses kritisieren. Nazis aßen auch Brot, und – empört euch gegen die Gesellschaft!- sie trugen auch Hosen, wie es ihnen heute noch Milliarden von Menschen nacheifern!
Das gilt auch für die kruden Argumente im letzten Drittel des Artikels. Das Keltenkreuz ist in erster Linie ein keltisches Kreuz. Wer es heute benutzt, drückt damit seine Sympathie zu alten, vorchristlichen Traditionen aus. Das kann er zwar im Schlechten, aber eben auch im Guten meinen.
Von dem absurden Missgriff, die computergenerierten Vorschläge von Last.fm als Argument heranzuziehen, will ich gar nicht erst reden. Ups, schon passiert.
Es scheint mir, die Band wird von einer sich beleidigt fühlenden Linken Szene dämonisiert.
Links vonne Elbe (02.11.2012)…
Bochum: Steinbrück-Vortrag: Von Spenden war nie die Rede – und die Stadtwerke schweigen (Ruhrbarone) – Siehe auch: DerWesten, RP-Online und Peer Steinbrücks Transparenz, Armin Laschets laue Ablenkung und wie NPD und Sevim Dagdelen…
Ich habe dazu heute einen WDR5-Beitrag gehört („Morgenecho“, nicht im Internetangebot), und war, in Unkenntnis der Zusammenhänge – ich kenne diese Band nicht – ganz platt, wie da ein PR-Beitrag für die Band mit O-Tönen ihrer Fans in der Halle gesendet wurde, ohne einen Kritiker oder den namentlich genannten Thomas Kuban überhaupt zu Wort kommen zu lassen. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass sowas unjournalistisches über einen öffentlichen-rechtlichen Sender, und dann auch noch sein „Informationsprogramm“ geht, aber man lernt ja immer dazu ;-(
@Hubert #1
auf Grund einer BGH-entscheidung ist die Verwendung des Keltenkreus seit 2008 in Deutschland verboten.
@Wolfgang Wendland
„auf Grund einer BGH-entscheidung ist die Verwendung des Keltenkreus seit 2008 in Deutschland verboten.“
Also eine konkrete Straftat?
Wenn du dich so gut auskennst, warum zeigst du sie dann nicht an?
Und weiter geht´s:
https://www.derwesten.de/staedte/oberhausen/rocken-rechtsradikale-bands-im-helvete-in-oberhausen-id7249946.html
Nach Diskussionen über das Frei.Wild-Konzert in Dortmund sorgt vermeintlicher Rechtsrock auch in Oberhausen für Aufmerksamkeit. Die Antifaschistische Initiative Oberhausen wirft dem Betreiber des Musikclubs „Helvete“ vor, rechtsradikale Bands auftreten zu lassen. Dieser weist die Vorwürfe entschieden zurück.
@ Helmut Junge #5
z. B. weil BGH-Entscheidungen nicht für Italien gelten. 😉 Außerdem dürfte die Herrstellung der CD ca. 10 bis 12 Jahre her sein.
Okay, die Sache mit dem Keltenkreuz nehme ich zurück. Auf der CD ist tatsächlich son hässliches Nazikreuz zu sehen, das nichts mehr mit Kelten zu tun hat.
Aber schon schade, dass wir uns Dinge verbieten lassen, bloß weil irgendwelche Dummbolzen sie auch benutzen. Womit wir wieder bei Hosen und Brot wären…
Ich wundere mich, dass im publikative-Artikel nicht einmal auf die geistige Nähe Phillip Burgers zu und zeitweise politische Unterstützung für den verstorbenen Jörg Haider und seine fremdenfeindliche FPÖ eingegangen wird. Nicht umsonst durfte man Haider nach oberstem Gerichtsentscheid als „politischen Ziehvater des rechtsextremen Terrorismus“ bezeichnen.
[…] Frei.Wild – Der “unpolitischer” Hass und das Keltenkreuz […]
[…] Frei.Wild – Der “unpolitischer” Hass und das Keltenkreuz […]
Nun, die Einschätzung der Band bezüglich Herrn Kuban ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Seinen waghalsigen Mut in allen Ehren, jedoch ist es ja nicht so, dass diese Erkenntnisse nun bahnbrechende Erfolge bedeuteten. Letztendlich ist er ein ziemlich leichtsinniger Mensch, der sich in Gefahr begibt, um Dinge zu filmen, die allgemein bekannt sind. Natürlich gibt es Hinterzimmern irgendwelcher Dorfkneipen immer mal wieder Neonazi-Konzerte, und es ist ziemlich sicher anzunehmen, dass hierbei auch das eine oder andere Mal verfassungswidrige Parolen fallen. Um das zu wissen brauchte man keinen Herrn Kuban. Ob man das nun als Superjournalismus schlechthin feiert bleibt jedem selbst überlassen-
Ihr Kommentar wirft Frei.Wild und Fans vor, den Unterschied zwischen NS und Nationalismus nicht zu kennen, zeugt aber ebenso von Ihrer eigenen Unkenntnis des Unterschiedes zwischen Heimatverbundenheit und den erstgenannten Ideologien. Und doch: ein Bezug zur Heimat kann sehr wohl unpolitisch erfolgen, da eine Verbundenheit zum geografischen Raum und dessen Kultur mit einem wie auch immer gearteten politischen oder staatlichen System überhaupt nichts zu tun haben muss. Kann, aber eben nicht muss.
Der erste Kommentator (Hubert) legt zurecht dar, wie einfach es sich gemacht wird, der Band ans Bein zu pinkeln. Vorgeschlagene Links auf Musikportalen sollen nun also als Beweis dienen? Sampler, an denen die Band nicht mitgewirkt hat und auf die sie keinen Einfluss hatte (wie Sie selbst zugeben) werden dennoch herangezogen, um Frei.Wild in ein braunes Licht zu tauchen. Ganz nebenbei wird nochmal die NSU-Terrorzelle eingeworfen, damit beim Leser ein möglichst brandgefährliches Bild hängenbleibt.
Genau das ist die Art von „Journalismus“, die Frei.Wild kritisieren – zu Recht!!
[…] Neu ist so etwas leider nicht. In Deutschland ist rechte Ideologie schon immer "unpolitisch" – die Auswirkungen sind bekannt! Allerdings ist die Toleranz dieser armen […]
[…] soviel lokalpatriotischem Überschwang kann man schonmal übersehen, dass sich offenbar Leute mit fragwürdigem Musikgeschmack in Szene […]