Entscheidungsfreiheit? Lieber nicht – bei deutscher Rente

Und: Arm im Alter? (Foto von Tim Mossholder auf Unsplash)

Man gibt den Menschen eine Wahl. Zwei Rentenversicherungen. Die eine ist teurer, weil Provisionen für Vermittler drinstecken. Die andere ist günstiger – aber man muss das Honorar für die Beratung selbst zahlen. Was tun die meisten Deutschen? Sie nehmen die teurere Variante – natürlich. Sagt nicht irgendein Bauchgefühl, sondern eine repräsentative Studie der Fachhochschule Dortmund.

Über 2.000 Menschen zwischen 25 und 55 Jahren wurden online von einem KI-Avatar zu einer Rentenversicherung beraten. Zur Wahl standen zwei Varianten: ein „Bruttotarif“ mit Provision oder ein günstigerer „Nettotarif“ mit zusätzlichem Honorar. Selbst wenn das Honorar niedriger war als die auf 20 Jahre gerechnete Ersparnis, wählten viele trotzdem den teureren Bruttotarif. Die Studie zeigt: Schon das bloße Anbieten einer Alternative erhöht die Abschlussquote – aber die Entscheidung fällt oft irrational. Durchgeführt wurde das Experiment im Februar 2025 von Prof. Dr. Matthias Beenken und Prof. Dr. Lukas Linnenbrink mit Unterstützung des Instituts HEUTE UND MORGEN.

Mehr als 2.000 Leute haben mitgemacht. Sie konnten selbst entscheiden – ganz transparent. Und sie haben sich mehrheitlich gegen das entschieden, was langfristig für sie besser gewesen wäre. Warum? Weil das Honorar sofort sichtbar ist. Die Ersparnis aber erst in der Zukunft. Weil es sich besser anfühlt, wenn „alles schon drin“ ist – auch wenn es mehr kostet. Und weil viele Deutsche offenbar nicht selbst entscheiden wollen.

Das ist kein Einzelfall. Wir sehen das überall: beim Heizungsgesetz, bei der Bahn, beim Steuerstaat. Entscheidungen sollen bitte jemand anderes treffen. Und wenn’s dann nicht klappt, kann man meckern. Funktioniert ja. In Wahrheit fürchten Deutsche aber oft nicht die falsche Entscheidung, sondern die Verantwortung dafür. Das ist unbequem.

Die Studie zeigt nicht nur etwas über Rentenversicherungen. Sie zeigt, wie schwer sich dieses Land mit Entscheidungsfreiheit tut. Freiheit ist schön – solange sie nicht bedeutet, dass man selbst denkt, vergleicht, abwägt. Geld kassieren, andere entscheiden lassen, mit jeder Entscheidung unzufrieden sein – und im Zweifel dann auch noch unter bunter Pyrotechnik auf Marktplätzen „Ost-, Ost-, Ostdeutschland“ schreien. So oder so: Deutschland in a nutshell.

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