Ostern. Tja, was soll man dazu sagen?
Kindern wird erzählt, der Osterhase käme und verstecke bunte Ostereier. Das ist freilich absoluter Blödsinn. Erwachsene erzählen sich, vor gut 2000 Jahren sei ein grausam zu Tode gefolterter Sektenführer zwei, drei Tage nach seinem Ableben vom Tode auferstanden, habe danach noch das ein oder andere erledigt, um schließlich in den Himmel aufzufahren – zu Gott, der im übrigen sein Vater gewesen sein soll. Diese Story ist offenkundig dermaßen abstrus, dass einem die Geschichte von dem eierlegenden Hasen plausibler vorkommen muss.
Eine heidnische Fruchtbarkeitsstory. Der Hase, wahrscheinlich ein Karnickel – bestens bekannt für seine Rammelei samt arterhaltender Vermehrungsfreude. Das Ei, zugegebenermaßen bei Vögeln deutlich verbreiteter als bei Säugetieren, aber immerhin ein allgemeines Symbol für werdendes Leben. Heidnisch bedeutet hier wie überall: eine Gepflogenheit aus vorchristlicher Zeit. Komisch nur, dass der Osterhase erst zum Ende des 17. Jahrhunderts, also zu einer Zeit, wie sie christlicher kaum hätte sein können, erstmals gesichtet wurde – in der Literatur. Und dass der lustige Bunny in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, also neulich, erst geschafft hatte, sich weltweit bekannt zu machen.
Okay, das Osterei kann auf eine wesentlich längere Geschichte zurückblicken. „Das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, so Wikipedia, führt die Volkssitten um das Ei zu Ostern auf die seit dem 12. Jahrhundert von der Kirche eingeführte „benedictio ovorum“ zurück, die diesen so gesegneten Eiern im Volksglauben vielerlei Kräfte zuwachsen ließ.“ Gesegnete Eier mit vielerlei Kräften. Hallelujah! Unverkennbar, das ist alles Aberglaube. Erzählen Sie so etwas bloß nicht Ihren Kindern!
Andererseits: man kann – zumindest den ganz kleinen – Kindern kaum erzählen, dass ein bestialisch hingerichteter Mann es hingekriegt hätte, irgendwie doch nicht mehr tot zu sein und stattdessen ein paar Wunder herbeizuzaubern, um dann in den Himmel zu fahren. Also: das mit dieser brutalen Hinrichtung sollte man in der heutigen Zeit nicht mehr erzählen. Denn das ist offensichtlich nicht kindgerecht. Jedenfalls nicht für die ganz Kleinen. Der Rest geht eigentlich: in den Himmel kommen – das machen ja eigentlich alle. Ein paar ganz Böse vielleicht nicht; doch die paar Verwandten und Bekannten, die man bislang hat kennenlernen dürfen und die zwischenzeitlich den Löffel abgegeben haben, hielten es durch die Bank ebenfalls so. Völlig normal, so what?!
Und die ganze Zauberei zwischendurch ebenfalls. Ohne Wunder und Gedöns kommt ja heutzutage keine Zeichentrickserie aus. Also auch nichts Besonderes. Nur eben das mit dieser Kreuzigung! Nein wirklich: damit sollte man heutzutage noch etwas warten, bis die Kinder ein wenig älter sind. Inzwischen gehen die entsprechenden Skrupel schon so weit, dass Anstoß daran genommen wird, wenn am Kruzifix im Klassenraum der Grundschule der fast nackte gemarterte Körper mit abgebildet wird. Ein schlichtes Kreuz könne reichen, wird eingewandt. Das ist natürlich Geschmackssache.
Hauptsache, die Kleinen wachsen auf mit der Gewissheit, dass Religion sozusagen etwas ganz Natürliches ist. Wir sind kultiviert, also haben wir Kultur. Weihnachten zum Beispiel. Unser Herr Jesus hat Geburtstag, also gibt es reichlich Geschenke. Die bekommen wir – entweder vom Christkind (komische Sache eigentlich) oder vom Weihnachtsmann (das passt). Ein Geburtstag ist sowieso eine tolle Sache, und wenn es auch noch reichlich Geschenke gibt, kann es kaum noch toller sein. Leider gibt es manchmal Streit an Weihnachten, wofür allerdings unser Herr Jesus nichts kann.
Ostern. Tja, an und für sich nicht so eine tolle Sache, weil hier Jesus seinen Todestag hat. Hatte, genauer genommen, und zwar nicht Ostern, ganz genau genommen, sondern am Freitag zuvor, am Karfreitag. Und da sind wir dann auch traurig. Aber drei Tage später – okay, es sind zwei – aufersteht der eben, und schon sind wir wieder froh. Sehr froh. Komisch ist nur, dass es sich bei Ostern und Karfreitag um sog. bewegliche Feste handelt, unser Herr Jesus also jedes Jahr einen anderen Todestag sein eigen nennt.
Sein Geburtstag – klare Sache. Weihnachten fällt jedes Jahr auf den 25. Dezember; da müsste er also Geburtstag haben. Aber ein wandernder Todestag? Vermutlich auch so ein Wunder. Auf jeden Fall ist es ganz schön kompliziert zu berechnen, wann in welchem Jahr eigentlich Ostern ist. Da haben Mathematiker jahrhundertelang dran getüftelt, am richtigen Osterdatum. Dieses Jahr meinen sogar Westchristen wie Ostchristen, dass am gleichen Tag, nämlich heute, Ostern sei. Das ist aber eher die Ausnahme.
Manchmal liegt der Ostertermin auch richtig gehend paradox. Ostern ist am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlings-Vollmond, allerdings ist damit noch nicht geklärt, wann eigentlich Vollmond ist. Der astronomische oder der zyklische Vollmond. Und wenn dann einer am Samstag davor oder der andere am Sonntag danach und der Frühlingsanfang mittendrin. Oh, Jesus! Wahrscheinlich rein zufälligerweise begehen die Juden um diese Zeit herum, also um die Osterzeit, ihr Pessach- oder Passahfest. Was dies alles mit der Kreuzigung unseres Herrn Jesus zu tun hat?
Nichts. Wirklich gar nichts. Absolut nichts. Im Gegenteil: es ist nicht anzunehmen, dass der jüdische Klerus den Massengaudi Massenhinrichtung genau auf Passah gelegt hätte. Die christlichen Mathematiker hatten darauf zu achten, dass ihre Ostertermine möglichst nicht mit den Passahterminen genau identisch waren. An den Osterhasen glaubt sowieso kein Mensch ab einem gewissen Lebensalter. Und selbstverständlich hatten die christlichen Missionare die heidnischen, also vor-christlichen Fruchtbarkeitsrituale in ihre Missionstätigkeit in Bezug auf Ostern miteinbezogen, um nicht allzu früh zu enden wie der von ihnen proklamierte Sohn Gottes.
Wie auch immer: heute ist Ostern. Heute deshalb, weil sich diese Terminierung im Laufe der christlichen Geschichte, in (einem Teil) der Kirchengeschichte so entwickelt hatte. Offensichtlich kann es sich beim Osterfest nicht um einen Jahrestag handeln, am dem sich neutestamentarische Episoden jähren. Christen feiern heute die von ihnen geglaubte Auferstehung Jesu Christi, gewiss der mythische Kern dieser größten Weltreligion. Die etwa zweieinviertel Millionen Anhänger dieser Religion glauben dabei weder alle Dasgleiche noch glauben sie auf dieselbe Art und Weise.
Zweifellos stellen sich viele Christen unter Auferstehung die Wiederbelebung eines Leichnams vor, wie sie auch von der Mehrheit der Nicht-Christen interpretiert werden dürfte. In allen vier Evangelien des Neuen Testaments wird trotz der unverkennbaren Vorliebe für Zaubereigeschichten auf den vermeintlichen Vorgang der Auferstehung nicht näher eingegangen. Die christliche Theologie wertet die Auferstehung Jesu als Sieg des Lebens über den Tod, errungen durch die bedingungslose Liebe Gottes zu den Menschen. Diese Liebe kläre die Beziehung Mensch-Welt-Gott.
Religion, na klar. Glaubenssache. Aber klar ist: es ist Ostern. Das ist nicht nur Religion, sondern auch Brauchtum, Firlefanz zur Abwechslung, Familienbespaßung, etc. Sie wissen schon. Also: machen Sie etwas draus! Und morgen ist nochmal Ostern – ein Wunder, das sich jeder theologischen Betrachtung entzieht, vielmehr auf den politischen Einfluss von Kirchen und Gewerkschaften zurückgeführt werden muss. Kein Vergleich zum großen christlichen Heilsversprechen, aber ein zusätzlicher freier Tag. Immerhin. Frohe Ostern!
Vielleicht mal ein Ausflug nach Xanten (heute dürfte da Hochbetrieb sein – im Dom, in der Eisdiele am Dom, auf den Radwegen um Xanten herum…).
Und da findet man u.a.:
„Nichts. Wirklich gar nichts. Absolut nichts.“ Nichts Neues nämlich.
[…] Ostern II: Gedankensplitter zum Fest … ruhrbarone […]
2 1/2 Milliarden Christen sind es, du ach so pfiffiger Wortakrobat …
@ delahaye (# 4):
Selbstredend Milliarden, nicht Millionen.
Ansonsten: Danke fürs Kompliment!
Ohoh! Wie kann man sich nur selber so ein Armutszeugnis schreiben?
Das ist weder witzig noch geistreich. Da kommt mir der Gedanke, dass ein Jünger einer unglaubwürdigen und untergehenden Ideologie sich versucht damit zu trösten, dass andere Weltanschauungen noch unglaubwürdiger sind.