Frühlingsfest(ival) auf PACT Zollverein

Multiverse von Louis Vanhaverbeken (Foto: Jolien Fangard)

Vom 31.3-2.4. fand auf PACT Zollverein das jährliche Frühlingsfest statt. Das „Performing Arts Choreographische Zentrum NRW Tanzlandschaft Ruhr“ – so der arg spröde Name hinter dem Akronym – und dessen Leiter Stefan Hilterhaus sind sich nur zu bewusst, dass Performance und Tanz in all seinen zeitgenössischen Ausprägungen nicht eben leicht ihr Publikum finden, selbst wenn sie oft mehr Aufmerksamkeit verdient hätten und meist weitaus zugänglicher sind, als gemeinhin vermutet. Deshalb sind neben dem hochkarätigen internationalen Programm auch immer wieder Formate wie das „Frühlingsfest(ival)“ auf dem Spielplan, um aktiv Schwellenängste abzubauen.

Eingebettet in ein kostenloses Rahmenprogramm, das sich an alle Altersgruppen richtete, waren an den drei Tagen mehrere Performances und eine interaktive Audioinstallation zu erleben. Unnötig zu erwähnen, dass wie immer bei PACT die Eintrittspreise für wirklich jeden erschwinglich waren und im Bereich einer Kinokarte angesiedelt sind. Und wenn wir schon bei Kino sind: Am Freitagabend zeigte die Serbin Dragana Bulut ihre Performance „Return Of The Zombie – Episode 3“ auf der großen Bühne. Eine kluge wie witzige Arbeit über die Figur des Zombies als kulturelles Phänomen mit drei Darstellerinnen und 15 StatistInnen aus dem Viertel.  Durch minimale theatralisch Zeichen mutiert darin Bulut selbst langsam zum Zombie, doch auch das Stück selbst wird mehr und mehr äußerst humorvoll zum theatralen immer wiederkehrenden Untoten. Die darin mittransportierte Kapitalismus- und Kulturkritik, die der Zombiefigur anhaftet, wird beinahe beiläufig erörtert. Dass die Arbeit dennoch kraftvoll daher kommt, liegt zum einen an der erstaunlichen Präsenz Bluluts selbst und an ihrem herausragenden Gespür für den Einsatz der minimalen Mittel, die sich auf wenige Kostüme, weiße Kontaktlinsen, ein Mikrofon und eine Nebelmaschine beschränken.

Während die Vorstellung am Freitag zwar gut besucht war, war die Fest(ival)-Atmosphäre im und um das Haus durchaus noch ausbaubar. In diesem Punkt waren der Samstag und insbesondere der Sonntag deutlich stärker. Wesentlich bedingt durch das Programm von Start2Play, die gemeinsam mit spielenden Kindern das ehemalige Kauengebäude mehr und mehr mit fragilen, fantastischen Architektur-Skulpturen bevölkerten.

Den Abschluss des ersten Tages bildete das Konzert der gerade sehr gehypten Band „Lea Porcelain“. Unverständlich allerdings, warum sich zu diesem Konzert nicht mehr reines Musikpublikum zur Zeche aufgemacht hat. Die Neo-New-Waver spielten ihr brilliant gemachtes Joy-Division-Reenactment fast ausschließlich vor Publikum, das zuvor schon bei den Zombies war. All die Leute, die immer meckern, dass der ganz heiße Pop-Musik-Scheiß immer nur in Köln oder Berlin passiert, waren nicht da.

Das Abendprogramm des Samstags bestritten Anna Massoni und Vania Vaneau mit dem Tanzstück „Ornement“. Vielleicht nicht die beste Wahl im Rahmen dieses Frühlingsfest(ivals). Allzu hermetisch und ausgedacht kommt „Ornement“ daher, sinnliche Reize bietet die Arbeit kaum. Selbst dem aufgeschlossenen Besucher konnte die Kombination aus mühsam kratzender und rumpelnder Soundcollage und bierernstem Zeitlupen-Tanz die Avantgarde-Pickel ins Gesicht treiben. Dazu mangelte es der Bewegungs-Ausführung allzuoft an der nötigen Präzision und die angestrebte nahtlose Verschmelzung zwischen zerknitterten Folien auf der Bühne und den beiden Tänzerinnen wurde kaum erlebbar. Es wäre verständlich, wenn jemand, der hier seinen Erstkontakt mit PACT beging, nicht wiederkommen würde.

Ganz anders allerdings bei der interaktiven Soundinstallation  „Voicing Pieces“ von Begüm Erciyas. Eine ungemein kluge und technisch perfekte Arbeit, bei der der Zuschauer selbst an drei Stationen Texte lesen muss, die er dann wieder über Kopfhörer hört. Dabei werden zahlreiche Möglichkeiten der Liveklangbearbeitung eingesetzt, um aus der eigenen Stimme des Zuschauer/Akteurs Atmosphären zu schaffen und den ohnehin sehr intelligenten Text mit zusätzlichen Ebenen zu versehen. Von Station zu Station wird dabei der Text komplexer und formt sich zuletzt zu einem Theaterstück, das der Zuschauer / Akteur mit sich und für sich selbst spielt.

Am Sonntagabend beschloss dann Louis Vanhaverbek mit „Multiverse“ das Frühlingsfest(ival). Eine Ein-Mann-Objekttheater-Performance, die gleichermaßen obskur wie bezaubernd daher kam. Vanhaverbek beschäftigt sich darin mit dem Universum und steigt ein mit zu Beats gerappten Schöpfungsmythen verschiedener Kulturen. Dann startet er mit einer zur Rakete umfunktionierten Putzmittelflasche ins All. Dort kreisen bekanntlich allerlei Planeten umeinander und Vanhaverbek lässt es ebenfalls mächtig kreisen. Sein bevorzugtes Utensil sind dabei Plattenspieler, von denen einerseits die jeweilige Musik kommt, die aber gleichfalls auch allerlei absurde Gegenstände in Bewegung versetzen. Selbst albernste Aktionen – darunter das Backen und Wenden eines Pfannkuchens, die Verwandlung in ein blondes Baywatch-Girl und die Verwendung einer Curver-Plastikkiste als Unterhose – führt Vanhaverbek mit tiefstem Ernst und unbedingter Liebe zu den Dingen aus. Genau darüber funktioniert nicht nur der Humor der Performance, sondern das gesamte Stück.

Plakat für das Frühlingsfest(ival) von Labor b Designbüro

Dass trotz des weitgehend runden Programms erst am Sonntag wirklich Festival-Stimmung auf dem Gelände aufkam, mag verschiedene Gründe haben. Zum einen liegt PACT doch etwas zu weit ab von der Straße und auch entfernt vom üblichen Zollvereintourismus, so dass sich Laufkundschaft kaum einstellen kann. Schon bei der Anfahrt verwundert es etwas, dass an der Straßenbahnhaltestelle „Zollverein“ zwar auf den Zugang zur Zeche und zum Ruhrmuseum hingewiesen wird, an der Haltestelle „Abzweig Katernberg“ allerdings nicht auf den Zugang zu PACT (und  zur Folkwang-Universität). Da könnte die EVAG durchaus nachbessern. Auch ist PACT von der Straße aus kaum wahrzunehmen. Auf der Fläche neben dem SANAA-Kubus würden sich die vier gelben Buchstaben in meterhoher Ausführung eigentlich ganz gut machen. Allerdings war auch das Plakat für das Frühlingsfest(ival) graphisch nicht optimal. Das hinterlegte Bild eines blühenden Baumes kam sehr blass daher, die Produktionsfotos waren zu klein und vielleicht auch zu wenig aussagekräftig, um wirklich Lust zu machen. Auch wenn es stets eine Gratwanderung zwischen Anspruch und breiterer Ansprache ist, hätte hier vielleicht etwas zugänglichere Grafik gut getan, denn PACT hat eigentlich das Potenzial mit Veranstaltungen wie dem Frühlingsfest(ival) auch zum Mittelpunkt für das Viertel zu werden, ohne dabei sein künstlerisches Niveau zu verraten.

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