Führt die fortschreitende Kommerzialisierung das Waltroper Parkfest in den Untergang?

Nicht nur dieses Ankündigungsplakat für das Parkfest 2023 auf dem Marktplatz in Waltrop hat seine besten Tage offenkundig schon hinter sich. Foto: Robin Patzwaldt

Das Waltroper Parkfest hat seine Ursprünge Ende der 1970er-Jahre. Die damals aufstrebende 30.000-Einwohner-Gemeinde im Kreis Recklinghausen feierte sich und seinen neu errichteten Stadtpark seinerzeit mit einem Fest für die Bürger. Der Rahmen war vergleichsweise bescheiden, aber fröhlich und ungezwungen.

Aus dem kleinen Stadtfest von einst wurde rasch eine regelmäßige Einrichtung, die über die Jahre zunächst kontinuierlich und kräftig wuchs. Sowohl was das Programm betrifft, als auch in Bezug auf den Besucherstrom. Erheiterte in den ersten Jahren noch regelmäßig die Wasserorgel der Freiwilligen Feuerwehr Datteln die Besucher, reichte dieser provinzielle Charme den Veranstaltern schon bald so nicht mehr aus.

Gähnende Leere herrschte am Vorverkaufsstand des Waltroper Parkfestes auf dem Wochenmarkt auch am vergangenen Samstag.

Es entwickelte sich ein rasanter Wettbewerb mit dem Kanalfestival im benachbarten Datteln. Die beiden Städte, die seit jeher eine leidenschaftliche Rivalität verbindet, lieferten sich anhand ihrer Stadtfeste einen knallharten Wettbewerb, frei nach dem Motto größer, prominenter, beliebter.

In jedem Jahr maß man sich an den aktuellen Besucherzahlen. In ihrer Glanzzeit erfreuten sich beide Veranstaltungen an deutlich über 100.000 Besuchern. Ich erinnere mich ganz persönlich noch daran, wie stolz ich war, als Waltrop einmal sogar an der 130.000-Besucher-Marke gekratzt haben soll, wenn es nach der Berichterstattung in der Waltroper Zeitung ging. Die Lokalzeitung verkündete damals stolz, dass dies wieder einmal ein paar Tausend mehr gewesen seien, als in Datteln am Wochenende zuvor. Da konnte man sich als Waltroper ein diebisches Grinsen nicht verkneifen.

Eine aus heutiger Sicht sehr naive Sichtweise, denn es war genau dieser knallharte Wettbewerb, der aus dem einst so gemütlichen, kleinen Stadtfest, eine offenbar immer riskantere Veranstaltung machte, bei der die Planer immer mehr an die Grenzen des Machbaren gehen wollten, und es scheinbar auch taten. Schon um 2010 herum verhagelte ein Schlechtwetterwochenende die Parkfestbilanz gründlich, brachte das scheinbare Erfolgsrezept mächtig ins Wanken. Dennoch wurde der Konkurrenzkampf mit Datteln auch danach unbeirrt fortgesetzt. Das Ergebnis war, dass das Kanalfestival in Datteln irgendwann aufgeben musste. Seit 2017 hat es in Datteln keine vergleichbare Veranstaltung gegeben. Sie war in Datteln damals schlicht nicht mehr zu finanzieren.

In Waltrop aber gehen sie den vertrauten Weg trotz aller beim Nachbarn für jedermann ersichtlich gewordenen Risiken weiter. An jedem letzten Augustwochenende feiert die Stadt im heimischen Moselbachpark mit einer erheblichen Anzahl von B- und C-Promis, angeführt diesmal von Pietro Lombardi, auf den vier Bühnen den ausklingenden Sommer. So auch in diesem Jahr, wenn vom 25.bis 27. August 2023, wieder tausende Gäste in Waltrops Stadtmitte erwartet werden.

Doch die Veranstaltung hat ihren Zenit auch hier seit Jahren deutlich erkennbar überschritten. Über den ‚Gewöhnungseffekt‘, der bei einem als langjährigen Besucher einsetzt, haben wir hier im Blog in den vergangenen Jahren schon einmal diskutiert. Auch nach der bitteren Corona-Pause kam die Veranstaltung nur mit deutlich erkennbaren Schwierigkeiten wieder zurück auf die Bühne. Selbst die ansonsten das Parkfest stets sehr positiv begleitende Waltroper Zeitung musste im Vorjahr am Ende einräumen, dass im vergangenen August ein erheblicher Besucherrückgang von 30 Prozent zu verzeichnen war.

Und die Zahlen vor Corona (ca. 60.000 Besucher in 2019), waren ja auch schon längst nicht mehr mit denen zu vergleichen, die das Fest in seinen Glanzzeiten ausgemacht haben. Von 100.000 Besuchern ist schon lange keine Rede mehr, auch wenn die Homepage der Stadt Waltrop das noch immer so ausweist. Im Vorjahr gab es dann offenkundig noch einmal einen signifikanten Einbruch…. Trotzdem gaben sich die Organisatoren in der Lokalzeitung auch Ende 2022 noch zuversichtlich, die Probleme erkannt zu haben und diese in diesem Jahr lösen zu können.

Nun, daran kann bzw. muss man als langjähriger Beobachter der Entwicklung längst erhebliche Zweifel haben. Nicht nur, dass sich das (für Waltroper Verhältnisse offenkundig recht hochpreisige) Programm auch in 2023  abermals dem der Jahre vor Corona anzupassen scheint, demzufolge also keine Trendumkehr hin zu mehr Stadtfest und weniger Kommerz zu erwarten ist, zugleich hat man insbesondere auch in diesem Jahr wieder ordentlich an der Preisschraube gedreht.

Nachdem noch in 2019 der Tageseintritt für das Waltroper Parkfest bei 9 Euro lag (was im Vergleich zu früheren Veranstaltungen schon sehr teuer war), werden für den Eintritt in den Stadtpark diesmal an der Abendkasse fast unglaubliche 14 Euro aufgerufen. Wer da nicht für ein spezielles Konzert kommt, sondern nur einmal kurz eine ‚Runde‘ durch den Stadtpark drehen möchte, der dürfte sich hier regelrecht abgezockt fühlen.

Noch krasser verhält es sich beim 3-Tages-Ticket. Dieses kostet aktuell (nachdem zwei Early-Bird-Angebote von 19 bzw. 21 Euro plus VVK inzwischen abgelaufen sind) unglaubliche 25 Euro (23 plus 2 Euro VVK), nachdem es in 2019 noch mit 14 Euro zu Buche schlug. Der Eintrittspreis hat sich also in der Nach-Corona-Zeit, egal für welches Angebot man sich entscheidet, mehr als deutlich erhöht. Und das bei einem fast unveränderten Angebot. Da fällt es, bei allem Verständnis für die in allen Lebensbereichen deutlich angestiegenen Kosten, schwer diese immense Preisexplosion auch nur ansatzweise nachzuvollziehen.

Die Preise von 2009, die ich beim Stöbern durchs Netz an diesem Wochenende eher zufällig fand, und die offenbar bei aus heutiger Sicht schier unglaublichen 5 Euro für das Tagesticket und 6 Euro für das ‚Festival/3-Tages-Ticket‘ (!!!) lagen, kommen einem da ja schon geradezu unglaublich niedrig vor. Der Tageseintritt hat sich also in nur 14 Jahren knapp verdreifacht (von 5 auf 14 Euro) und das 3-Tages-Ticket sogar (von 6 auf (21 bis) 25) im Schnitt rund vervierfacht. Von weiter zurückliegenden Parkfest-Ausgaben und deren Preisen einmal ganz zu schweigen. Das Gehalt der meisten Besucher kann mit solch exorbitanten Steigerungsraten da wohl nicht mithalten….

Ähnlich krass ist die Entwicklung übrigens auch bei den in Waltrop aufgerufenen Bierpreisen. Ursprünglich mal ein Fest, bei dem man als Jugendlicher sogar ein paar Dosen Bier im Rucksack ungehindert mit in den Stadtpark mitbringen durfte, so wie noch in meiner Jugend in den 1980er- und 1990-er Jahren, als der Kommerz noch im Hintergrund stand und die Veranstalter und die Bierstände betreibenden Vereine trotzdem ihren Schnitt machten, können sich die aktuellen Bierpreise mit denen bei Top-Veranstaltungen messen, übertreffen diese zum Teil sogar deutlich. Da tröstet es auch nicht, dass die Preise für Softdrinks in Waltrop 2023 diesmal nicht erhöht werden.

In diesem Jahr wird das 0,3 Liter-Bier in Waltrop auf dem Parkfest stolze 3,50 Euro kosten. Mit einem Preis von knapp 1,17 Euro pro 100 Milliliter Gerstensaft übertrifft man damit nicht nur den Bierpreis im Dortmunder ‚Westfalenstadion‘, wo das 0,5 Liter-Pils bei Heimspielen des BVB aktuell ‚nur‘ 4,90 Euro kostet, also 100 Milliliter 0,98 Euro, deutlich, sondern das Waltroper Parkfest verlangt damit sogar mehr für sein Frischgezapftes als jeder andere Fußball-Bundesligist für sein Stadionbier. Diese Tatsache muss man erst einmal kurz auf sich wirken lassen, wie ich finde….

Die teuersten Bundesligastadien sind in Sachen Bierausschank derzeit übrigens Bremen und München mit jeweils 5,50 Euro für 0,5 Liter, also 1,10 Euro für 100 Milliliter. Zur Erinnerung: Im Waltroper Stadtpark wird das Bier in diesem Jahr knapp 1,17 Euro pro 100 Milliliter kosten. Ganz schön hoch gegriffen, für eine solche Provinzveranstaltung, wie ich finde.

Da wird es vielen Besuchern naturgemäß schwer fallen, sich so unbeschwert mit Kumpels einen zu ‚heben‘, wie wir das früher immer gemacht haben. Und wie sich das in Waltrop in diesem Jahr noch einmal klar gestiegene Preisniveau am Ende insgesamt auf die Besucher- und Umsatzzahlen des Parkfestes auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Nimmt man jedoch einmal den in diesem Jahr augenfällig ruhig verlaufenden Vorverkauf auf dem Waltroper Wochenmarkt zum Maßstab (siehe zweites Foto oben), wird der Niedergang des Waltroper Parkfestes wohl auch in 2023 weitergehen. Und sollte die aktuellen Wettervorhersagen Recht behalten, dass es zum Ende der laufenden Woche hin einen deutlichen Wettersturz geben wird, könnte das geradezu dramatische Folgen für die Kassen der Veranstalter und Organisatoren haben. Erst recht, wenn es dabei am Wochenende zu erheblichen Niederschlägen kommen sollte. Und damit haben sie in Waltrop vor gut zehn Jahren ja schon einmal sehr schlechte Erfahrungen machen müssen.

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vormals SvG
vormals SvG
1 Jahr zuvor

@ Autor: Das ist doch der bekannte Weg solcher Veranstaltungen: Durch und von Vereinen, Privatinitiativen und -menschen mit viel Herzblut und unbezahlter Eigenarbeit aufgebaut, werden sie irgendwann von den Geiern übernommen; oft mit Unterstützung (nicht selten auch zu dem persönlichen Nutzen) der Lokalpolitik. Da werden Agenturen beauftragt, denen die familiäre oder persönliche Nähe zu Entscheidern nicht schadet. Da mischt plötzlich jeder mit, schließlich kann man ja Geld verdiene. Auf dem ersten „Ausländerfest“ in Gütersloh am Internationalen Kindergarten waren 40 Gäste, am vergangenen WE beim politisch korrekten „Gütersloh International“ knapp 10.000. Das Gleiche für die Loveparade, die inzwischen vollkommen durchkommerzialisierten „CSD“-Paraden und unzählige andere. Der Kapitalismus wird den Menchen nicht übergestülpt, der gründet tief in den meisten Herzen.

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