Gefühlt wird die Schnelllebigkeit im Trainergeschäft der Fußball-Bundesliga immer extremer. Kaum sind die ersten Spiele der neuen Saison gespielt, da werden erste Trainer ausgetauscht, im Sommer noch mit viel Vertrauen ausgestattete Strategien in den Clubs frühzeitig als falsch verworfen, hektisch nach neuen, nach besseren Lösungen gesucht und die entsprechenden Personen dann installiert.
Und auch wenn die Statistiken belegen, dass sich das in den letzten Jahren, was die Umfänge und Zeitpunkte der ersten Trainerentlassungen betrifft, gar nicht so sehr verändert hat, so setzt sich doch bei den Beobachtern aktuell vielfach zumindest der Eindruck fest, dass die Zeiten in diesem Bereich doch irgendwie unruhiger geworden sind und die Vorgänge rund um diese Personalwechsel von den betroffenen Clubs wohl auch noch nie so wenig professionell in die Medien transportiert worden sind, was natürlich auch an der stetig gestiegenen Medienpräsenz im Profifußball liegen mag.
So ist Viktor Skripnik bei Werder Bremen inzwischen schon seit zwei Spieltagen durch Interimslösung Alexander Nouri auf dem Trainerstuhl ersetzt worden. Auch dieser steht aktuell schon wieder in der Diskussion. Soll er bleiben, soll er seinerseits nun möglichst rasch durch einen erfahreneren Bundesligatrainer ersetzt werden? Von der Vereinsführung hört man dazu derzeit nur Ausflüchte und Phrasen. So darf weiter fleißig spekuliert werden. Sehr zum Nachteil der Mannschaft und der beteiligten Personen.
Noch größer ist das offensichtliche Chaos derzeit beim Nordrivalen Hamburgers SV. Trainer Bruno Labbadia, vor kurzem noch zum Hamburger des Jahres gekürt, steht schon seit Tagen vor dem Aus, musste die gesamte Vorbereitung auf das gestrige Spiel gegen den FC Bayern München im Schatten der Diskussionen rund um seine persönliche Zukunft durchführen. Dass die Mannschaft beim unglücklichen 0:1 gegen den Rekordmeister gestern ordentlich spielte scheint unwichtig, auch nach dem Spiel gab es keine klaren Aussagen vom Verein in der Trainerfrage. Es wäre nicht überraschend wenn die Trennung zwischen dem ‚Dino‘ und seinem Chefcoach noch heute im Laufe des Tages verkündet würde.
Beiden Vereinen, beiden Führungsriegen, ist dabei eines gemein: Die Außendarstellung der Cluboberen ist eine schiere Katastrophe, das ‚Herumgeeiere‘ in der Trainerfrage kaum noch zu toppen. Schwierige Zeiten für die betroffenen Fußballlehrer! Und ein Armutszeugnis in Sachen Strategie und Ausrichtung des Clubs. Offenbar gibt es eine solche Planung offenbar vielfach gar nicht (mehr) wirklich.
Geschäftsführer Frank Baumann ist beim SV Werder Bremen ja selber erst im Sommer als Nachfolger von Thomas Eichin installiert worden. Eichin hätte sich dem Vernehmen nach bereits im letzten Sommer gerne von Trainer Skripnik getrennt. Den internen Machtkampf verlor am Ende aber etwas überraschend der Sportchef. Der Trainer blieb, der Manager ging.
Kann man sicherlich so entscheiden, schließlich gelang unter dem Coach zuletzt der Klassenerhalt. Warum ihm also nicht auch weiterhin vertrauen?
Doch allzu groß kann das Vertrauen dann doch nicht gewesen sein. Nach den ersten Niederlagen der neuen Saison ging das Chaos in Bremen dann nämlich erst so richtig los. Das Ergebnis: Der Übungsleiter musste nach nur drei Spieltagen dann doch auch gehen, wurde durch die Übergangslösung Nouri, der zuvor die Nachwuchsmannschaft betreut hatte, ersetzt.
Nun konnte dieser die Mannschaft offenbar ganz gut erreichen, lieferte mit der Truppe zwei ordentliche Spiele ab, von denen er zumindest das gestrige gegen den VfL Wolfsburg verdient mit 2:1 gewinnen konnte.
Ob er nun bleiben darf? Sicherlich eine berechtigte Frage nach dem Spiel. Und natürlich kann man sich auch dagegen entscheiden. Schließlich steht hier für Bremen viel auf dem Spiel. Doch was Baumann nun in dieser Frage äußert, die Unentschlossenheit die hier ganz offen ans Tageslicht kommt, die beschädigt nicht nur den Trainer Nouri, die wirft auch ein schlechtes Licht auf Manager Baumann.
Möchte man seinen Club wirklich von solch ungeschickt vor der Kamera agierenden Leuten vertreten sehen? Hier droht ein Verein auf diversen Ebenen beschädigt zu werden. Völlig unnötig!
Und auch in Hamburg ist das Bild, welches die Führungskräfte in den letzten Tagen abgegeben haben, mindestens ebenso schlecht.
Der Sportliche Leiter, Dietmar Beiersdorfer, verweigert hier seit Wochen schon klare Aussagen in der Trainerfrage. Häufig schweigt er schlicht, doch wenn er sich mal äußert, dann schaden seine Interviews häufig dem Club und dem Coach mehr als sie nutzen.
So durfte Coach Bruno Labbadia, ganz ohne irgendwelche Rückendeckung, bereits in den letzten Tagen ein wahres Spießrutenlaufen erdulden. Im Vorfeld der Begegnung des HSV gegen den FC Bayern (0:1) gestern, ging es eigentlich nur noch um die Trainerfrage. Sein Abgang schien, da die Rückendeckung für den Übungsleiter zuletzt über Wochen schon völlig ausblieb, beschlossene Sache zu sein.
Ob Sieg oder Niederlage gegen den Rekordmeister schien hier nicht einmal mehr wirklich zu interessieren. Und so wunderte es auch in diesem Falle eben nicht, dass es selbst nach guter Leistung der Hanseaten gegen die Süddeutschen, keine klare Aussage in Richtung Trainer zu hören war. Ein PR-Desaster.
Und auch hier geht der Club-Boss insgesamt wohl deutlich beschädigter aus der Angelegenheit hervor als der vor der Entlassung stehende Trainer. So geht man in diesen Situationen mit Verein und Trainern einfach nicht um.
Das haben beide Clubs hier gemeinsam. Bremen und Hamburg scheinen vielmehr ein Führungsproblem zu haben und eben gar nicht so sehr ein Trainerproblem.
Solange diese Führungskräfte dort im Amt sind, solange sie sich zumindest so verhalten wie sie es aktuell tun, so lange wird es schwer für diese Vereine in ruhiges Fahrwasser zu kommen.
Manchmal geht es nämlich gar nicht so sehr um einzelne Spielergebnisse. Hier scheint die grundsätzliche Ausrichtung des Vereins das Problem zu sein. Nur, solange das dort niemand wahrhaben will, solange wird es für jeden zukünftigen Trainer dort rasch wieder sehr schwer werden…
Diese permanente Traditionsduselei, die solche Vereine dazu verleitet, Jeden ins gehobene Management als "neue Gallionsfigur" hochzuloben, wenn er nur mal zwei Tore oder einen Jugendpokal für den Verein geholt hatte, ist eine neue Perversion von Fußballtradition.
Klar haben Leute wie Beiersdorfer, Labbadia, Skripnik, Baumann, Eichin oder wie sie alle heißen, Medienerfahrung en masse und können vor der Kamera drei Worte in einen gültigen Satz bringen, aber für einen modern geführten Verein fehlen fast allen (bis auf Eichin, der genau zum richtigen Zeitpunkt Werder verlassen hat) die erforderlichen Management-Kenntnisse und -Methoden, um z.B. die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt für den Verein zu begeistern.
Diese neue Peinlichkeit, am Samstagabend einem Labbadia noch ins Ohr zu lügen, man wisse selbst nicht, wie es mit seinem Job weitergeht, um ihn dann wenige Stunden später am Telefon ungeniert rauszuschmeißen, hat nichts mit Professionalität zu tun – das ist die pure Verweigerung eines permanent dümmlich grinsenden Beiersdorfer, endlich erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen.
Den Auftritt von Beiersdorfer heute nach der inzwischen erfolgten Beurlaubung von Labbadia fand ich erneut unterirdisch. Der scheint für den Job schlicht ungeeignet zu sein. Labbadia mag man vieles vorwerfen in Hamburg, aber das grundlegende Problem scheint mir weiter oben im Club zu liegen. Und die Rolle von Investor Kühne ist ja nun auch wohl keine 'glückliche'. Da kann man froh sein, wenn es dem eigenen Lieblingsclub aktuell in dieser Beziehung besser geht. Traurig, was da gerade im Norden abläuft.
Robin,
in Sachen Beiersdorf teile ich Deine Einschätzung.
Falls der HSV Beiersdorf aufgrund eines konkret auf den HSV ausgerichteten Anforderungsprofiles ausgewählt haben sollte, dann frage ich mich nach dessen Kriterien. Da ist doch etwas gewaltig schiefgelaufen!
Gleiches gilt für die Trainer-Auswahl und die damalige Entscheidung für Labadia.
Wir BVB-Fans wissen mit Blick auf Bremen und den HSV -und auf andere!-um so mehr die Arbeit von Watzke und Zork zu schätzen, ohne sie damit zu Unfehlbaren zu ernennen, die jeglicher Fan-Kritik entzogen sind. Und wir wissen eben auch mit Blick auf den HSV, auf Bremen, auf……was wir mit Tuchel haben. Mir scheint, auch international wird Tuchel schon jetzt als "Spitzentrainer" wertgeschätzt.
PS
Ich habe zunehmend den Eindruck, dass die Kölner die Chance haben, dank ihres jetzigen Managers und ihres jetzigen Trainers , die ich für überdurchschnittlich qualifiziert halte -im Vergleich zum Liga-Durschnitt-, sich sportlich vom Bundesliga-Mittelmaß "ins erste Drittel" vor zu arbeiten. Bremen und Hamburg könnten von den Kölner lernen!!!
Robin,
müssen wir nach der 5.Niederlage für So4 jetzt nicht nur über den HSV und Bremen diskutieren ?
Ich habe allerdings dazu schon vor einigen Tagen hier bei den Ruhrbaronen gesagt, daß mir zur momentanen Situation von S04 nichts Erklärendes einfällt, schon gar nicht bezogen auf den Manager und den Trainer. Mir fehlen zu So4 , zu den Ursachen der Misere, ganz einfach die Worte.
In Hoffenheim kann man verlieren, Walter. In Anbetracht der vier Buli-Niederlagen zuvor formt sich nun aber so langsam tatsächlich ein Bild, welches doch völlig unerwartet kommt. Neue Erkenntnisse konnte ich aus dem heutigen Spiel der Knappen allerdings nicht gewinnen. Immer noch der Stand von Donnerstag, als wir darüber ja auch schon einmal diskutiert haben. Nur die Spiele werden weniger. Ob da doch eine Situation entsteht, wie sie der BVB vor rund 2 Jahren erlebt hat? Bis zur Winterpause sollten ja rund 20 Punkte her, wenn man nicht unten reinrutschen will. Bei noch 12 Spielen in der Hinrunde sicherlich möglich mit dem Kader. 6 Siege und 2 Unentschieden sollten bei dem Personal eigentlich kein Problem sein. Aber das haben wir beim BVB Ende 2014 ja auch gedacht… Bin gespannt. Jetzt gegen Gladbach. Auch kein Selbstläufer.
Das Unwort des Jahres: Beiersdorfern!!