Fünf Jahre Antideutsche Aktion Berlin: „The real antigerman sind und bleiben nun einmal wir!“


Seit fünf Jahren gibt es die Antideutsche Aktion Berlin. Ein guter Anlass, sich einmal zu unterhalten. Das Gespräch führten Elke Wittich und Stefan Laurin. 

Ruhrbarone: Fünf Jahre Antideutsche Aktion Berlin. Zum Jubiläum habt ihr prompt etwas Unangenehmes erlebt: Euer FB-Account wurde gesperrt.

Antideutsche Aktion Berlin: Ja, letzte Woche hat es uns kalt erwischt. Unser Facebookseite wurde wegen sogenannter „Hassreden“ gesperrt. In einer Meldung wurden wir vage auf einen Verstoß gegen die „Gemeinschaftsstandards“ von Facebook hingewiesen.

Ruhrbarone: Nun seid ihr keine Seite, auf der sogenannte Hassreden zum Alltag gehören.  Ihr arbeitet ja eher mit Fragen, Fakten und Humor. Wie sehr ihr Euch selbst und was war der Grund, die Antideutsche Aktion zu gründen?

ADAB: Angefangen haben wir vor fünf Jahren mit der recht simplen Idee, eine Struktur zu schaffen, die in der Lage ist, etwas größere Aktionen zu stemmen, als mal einen Vortrag an einer Uni zu veranstalten. Wir wollten ausloten was geht und intervenieren, wo wir es für notwendig hielten. Außerdem ging uns der Ausdruck, der innerhalb antideutscher Kreise zu diesem Zeitpunkt kultiviert wurde, mächtig auf die Nerven. Überall Panzerbildchen und Katzenmemes, aber wenn Jakob Augstein mal wieder irgendwo aufgetreten ist, dann hat das niemanden gejuckt.

Wenn man sowas 5 Jahre lang macht, dann baut man sich natürlich eine stattliche Gegnerschaft auf. Anfangs haben wir vor allem in linken und antideutschen Kreisen für Aufregung gesorgt. Heute ist der Kreis deutlich größer. Und damit sind wir wieder beim Problem vom Anfang: Natürlich findet man bei uns keine „Hassreden“ im Sinne von rechter Hetze oder rechtswidrigen Inhalten, aber der Begriff ist so schwammig, dass darunter alles fällt, was bei möglichst vielen Leuten aneckt. Kontroverse Positionen, die nicht mehrheitsfähig sind, haben damit ein verdammt großes Problem.

Ruhrbarone: Erschwert das Gerede von „Hatespeech“ offene, harte Debatten?

ADAB: Für uns war es die erste Sperrung und damit der erste direkte Kontakt mit diesem Vorwurf. Aber natürlich wird das zum Problem, wenn so ein inhaltsleerer Vorwurf gegen alles und jeden in Stellung gebracht werden kann. Die Meinungsfreiheit wird dadurch eingeschränkt und Kritik, die nicht konsensfähig ist,  diskreditiert.

Am meisten stört uns dabei, dass wir von Facebook noch nicht mal eine genaue Begründung bekommen haben, welche Aussage und welches Posting genau der Grund für die Sperre war. Daher ist auch völlig offen, aus welcher Ecke da möglicherweise die Beschwerden kamen.

Ruhrbarone: Im Vorgespräch sagtest Du, eigentlich müsste man eine Kampagne gegen die zunehmenden Hatespeech-Regeln machen.

ADAB: Ja, das stimmt. Kampagne trifft es da auch nicht so ganz. Ich denke, wir sollten alles erdenkliche tun, die Meinungsfreiheit gegen das Heiko-Maas-Netzgesetz und dieses Gerede von Hatespeech zu verteidigen. Dem sollten sich alle liberalen Geister in diesem Lande verpflichtet fühlen. Als antideutsche Kritiker ist aber natürlich diese Verbindung zwischen moralischer Überlegenheit gegen rechte Hetzer – die Heiko Maas ja gerne an den Tag legt – und das zur Tat schreiten im Sinne der deutschen Wohlfühlgemeinschaft nochmal ein augenscheinlicher Punkt, den man kritisieren sollte. Es ist ja auch keine wirkliche Überraschung, dass die Leute mit den meisten Erfahrungen was solche Sperrungen angeht, ausgemachte Islamkritiker sind.

Ruhrbarone: Was glaubst Du, wer hat Euch gemeldet?

ADAB: Puh ja, darüber kann ich nur spekulieren. Facebook hat uns dazu, wie erwähnt, keinerlei Anhaltspunkte gegeben. Fakt ist, dass wir im letzten Jahr mit Sicherheit einige Leute gegen uns aufgebracht haben. Angefangen bei irgendwelchen Erdogan-Fans, die sich daran stören, dass wir uns für ‚Hayir‘, das ‚Nein‘ beim Verfassungsreferendum in der Türkei eingesetzt haben, und weiter geht es über Sympathisanten der Berliner SPD, die uns unsere Kritik am Berliner Bürgermeister Michael Müller und dessen öffentlichem Auftreten im März mit, vom Verfassungsschutz als solche eingestuften, Islamisten übel nehmen. Es könnten aber auch einfach verirrte Rechte gewesen sein, die sich an dem Wort „antideutsch“ gerieben haben. Die Liste ist lang.

Ruhrbarone: Wie erlebt Ihr den Wandel des Worts „antideutsch“ von einer politischen Zuschreibung hin zu einem Schimpfwort, mit dem, wenn ich mich nicht irre, gerade AfD-Anhänger, aber auch manche Linke praktisch jeden belegen, der ihnen grad nicht passt, von Angela Merkel bis zur FDP?

ADAB: Wir erleben diesen Wandel, wie jede neue Modewelle in Bezug auf diesen Begriff. Als wir uns gründeten galt „antideutsch“ maximal noch in einigen linken Jugendverbänden und in dem einen oder anderen Elektroschuppen als schicklich. Es galt also diesen Begriff wieder in den Schmutz zu ziehen. Uns wäre es unangenehm – als authentische Vaterlandsverräter – wenn der Begriff kein Gebrauch als Schimpfwort in diesem Land mehr finden würde. Deshalb stört es uns keineswegs, dass in der politischen Auseinandersetzung dieser Begriff als höchst ehrabschneidend missverstanden wird und gerade wieder in Mode gekommen ist.

The real antigerman sind und bleiben nun einmal wir!

Ruhrbarone: Mir hat sich nie erschlossen, warum es unter Antideutschen so häufig vorkommt, dass Auseinandersetzungen nicht sachlich geführt werden, sondern zum Beispiel in Nebensätzen  Attackierte gern wüst beschimpft, persönlich beleidigt oder lächerlich gemacht werden. Woran liegt das?  Gehört Manierenlosigkeit wirklich zwingend zum Antideutsch-Sein dazu und möchte das vielleicht daran liegen, dass die Reaktionen auf Eure FB-Sperre eher verhalten ausfielen?

ADAB: Ob das jetzt ein Alleinstellungsmerkmal von Antideutschen ist, erschließt sich uns nicht. Aber Polemik ist ein wichtiger Bestandteil antideutscher Kritik. Dass im Handgemenge ab und zu unflätige Begriffe fallen oder insgesamt über das Ziel hinausgeschossen wird, lässt sich aber nicht leugnen.

Wir versuchen auf einem schmalen Grad zu wandeln, was natürlich einigen bitter aufstößt. Weshalb dann aber eine Solidarisierung in dem konkreten Fall ausbleibt, können wir uns politisch nicht erklären. Persönlich und aus anderen Gründen aber nur zu gut.

Ruhrbarone: Während der letzten Beschneidungsdebatte waren es durchaus auch Antideutsche, die sich gegen die Brit Mila positionierten. Gehört aber zur Solidarität mit Israel und den Juden nicht auch, dass man die Religion so akzeptiert, wie sie ist und deswegen Beschneidung und Schächten akzeptiert beziehungsweise sich wenigstens öffentlich nicht dagegen äußert und damit denen Argumente liefert, für die diese Themen eigentlich nur ein Vorwand sind, Juden das Leben in Deutschland so schwer wie möglich zu machen?

ADAB: Antisemitisch motivierte Hetzkampagnen unter dem Deckmantel der Religionskritik gilt es selbstverständlich als solche zu denunzieren. Das bedeutet aber nicht die Aufgabe des Universalismus. Beziehungsweise die Aufgabe der Kritik der deutschen Ideologie. Wer halbwegs vernunftbegabt ist, wird sich auch nicht mit den Antizionisten der „Jüdischen Stimme für ein gerechten Frieden in Nahost“ oder der „Jewish Antifa Berlin“ solidarisieren. Und darüber hinaus muss auch die Zusammenarbeit jüdischer Organisationen mit islamistischen Vereinen – wie während der Beschneidungsdebatte geschehen – kritisiert werden.

 

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