Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und die Deutschlandstiftung Integration vergeben zum ersten Mal ein Stipendium an Nachwuchsjournalisten mit Migrationsbiografie. Schnell sein – die Bewerbungsphase endet bereits am 31. August 2023. Was dahinter steckt, wer sich bewerben kann, und warum das Programm so wichtig ist, erklärt Mikolaj Ciechanowicz, Geschäftsführer der Deutschlandstiftung Integration, im Interview.
Herr Ciechanowicz, das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und die Deutschlandstiftung Integration kooperieren erstmals bei einem Stipendium. Was genau steckt dahinter?
Mikolaj Ciechanowicz: Als Deutschlandstiftung Integration setzen wir uns mit diversen Programmen und Projekten für Vielfalt und Chancengleichheit von Menschen mit Migrationsbiografie in Deutschland ein. Seit über zehn Jahren begleiten wir mit dem ideellen Stipendienprogramm Geh Deinen Weg (GDW) talentierte und engagierte Erwachsene mit Migrationsbiografie auf ihrem Karriereweg und bieten ihnen ein Mentoring, Workshops und exklusive Events sowie ein großes Netzwerk an. Häufig sind unsere Stipendiaten die erste Person im Familien- und Bekanntenkreis, die einen Studienabschluss anstreben. Folglich fehlen Ansprechpersonen oder Netzwerke, die ihre Erfahrungen aus dem Bildungs- und Karriereweg teilen können.
Das Geh-Deinen-Weg-Journalismus-Stipendium knüpft daran an. Mit diesem Stipendium fördern wir erstmalig Nachwuchsjournalisten mit Migrationsbiografie, um gezielt das Thema Chancengleichheit in den deutschen Medien voranzutreiben. Die Vernetzung untereinander und die Kontakte in die deutsche Medienlandschaft sollen die jungen Mentees nachhaltig auf ihrem journalistischen Karriereweg stärken. Wir sind froh über die Zusammenarbeit mit dem Spiegel und darüber, dass wir gemeinsam die Diversität im Journalismus stärken werden.
Wieso braucht es im Jahr 2023 überhaupt ein Diversitäts-Stipendium für Redaktionen?
Mikolaj Ciechanowicz: In den Redaktionen der verschiedenen Medienhäuser sieht es nicht anders aus als in den Reihen der Politik oder im öffentlichen Dienst – Menschen mit Migrationsbiografie sind stark unterpräsentiert. Der Anteil bei den Medienschaffenden mit Migrationsbiografie liegt bei unter zehn Prozent. Hier fehlt es also an Identifikationspersonen und Vorbildern für Menschen mit einer Migrationsgeschichte, die den Anreiz geben können, sich für eine Position in den Medien zu bewerben oder überhaupt das Interesse für den Journalismus zu wecken. Diversere Redaktionen bilden die heutige Gesellschaft ab und sorgen damit auch für eine differenziertere Berichterstattung.
Wie genau trägt denn das Stipendium zur Vielfalt und Repräsentation in den deutschen Medien bei?
Mikolaj Ciechanowicz: Die Kooperation zwischen der Deutschlandstiftung Integration und dem Spiegel basiert auf dem gemeinsamen Verständnis, dass die Förderung von Nachwuchsjournalisten mit Migrationsbiografie sowohl die Berichterstattung deutscher Medienhäuser stärkt als auch das Vertrauen der Gesellschaft in die Medientätigen festigt. Journalisten mit Migrationsbiografie können und sollen nicht nur über integrations- und migrationsbezogene Themen berichten, sondern bringen durch ihre Perspektiven, Erkenntnisse und Erfahrungen sowie ihre eigenen Expertisen in allen Bereichen der Redaktionen ein. Dies erweitert die Bandbreite journalistischer Inhalte, steigert deren Qualität und trägt zur Authentizität und Glaubwürdigkeit der Berichterstattung bei. Außerdem bietet das Stipendium talentierten Nachwuchsjournalist:innen mit Migrationsgeschichte eine Plattform, um ihre Erfahrungen einzubringen und fördert so das Verständnis zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in unserer Gesellschaft.
Welche Kriterien müssen Bewerberinnen und Bewerber erfüllen?
Mikolaj Ciechanowicz: Um sich bei uns zu bewerben sollte man zwischen 21 und 29 Jahre alt sein, eine eigene oder familiäre Migrationsbiografie haben und erste deutschsprachige journalistische Erfahrungen mitbringen, sei es durch ein Studium, eine Ausbildung oder journalistische Veröffentlichungen. Uns ist zudem wichtig, dass die Personen sich extracurricular engagieren und eine hohe Motivation und Bereitschaft mitbringen, mittelfristig gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Ein großes Interesse an Politik, Wirtschaft, Zeitgeschichte und aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen setzen wir bei jungen Journalisten natürlich voraus.
Und wie werden die ausgewählten Medienmacherinnen und Medienmacher mit Migrationsbiografie während des Stipendiums unterstützt und gefördert?
Mikolaj Ciechanowicz: Beim GDW-Journalismus-Stipendium handelt es sich ebenfalls um eine ideelle Förderung. Auf Grundlage ihrer Erfahrung, Interessen und Biografie wird den Stipendiaten eine erfahrene Mentorin oder ein erfahrener Mentor vom Spiegel zur Seite gestellt und die Nachwuchstalente werden mit Rat und Tat auf ihrem journalistischen Weg begleitet. Außerdem erhalten sie die Möglichkeit, Praktika und Schnuppertage in den verschiedenen Bereichen und Ressorts der Spiegel Redaktion zu absolvieren und hier wichtige berufliche Kontakte zu knüpfen.
Ihnen stehen Spiegel interne Fortbildungsmöglichkeiten offen, ebenso wie das Seminar-Workshopprogramm des regulären Geh Deinen Weg -Programms der Deutschlandstiftung Integration.
Wie hat sich die Deutschlandstiftung bislang für Vielfalt in den Medien eingesetzt?
Mikolaj Ciechanowicz: Eine unserer wichtigsten Aufgaben als Stiftung seit 2008 ist es, die vielfältigen Stimmen unserer Stipendiatinnen und Stipendiaten aus den unterschiedlichsten Programmen in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Wir vermitteln regelmäßig aus einem Pool von über 1.500 talentierten jungen Menschen mit Migrationsbiografien Ansprechpersonen an Medien, und können vor allem auch bei Themen, die nicht in erster Linie den Bereich “Migration und Integration” betreffen, kompetente und interessante Gesprächs- und Interviewpartner bereitstellen.
Die Deutschlandstiftung Integration kooperiert erstmals direkt mit einem großen Verlag bei einem Stipendium. Können sich denn auch andere Medienhäuser bei Ihnen melden, wenn sie ein Diversitäts-Programm aufsetzen möchten.
Mikolaj Ciechanowicz: Selbstverständlich. Es freut uns, dass sich der Spiegel als erstes Nachrichtenmagazin mit uns als Deutschlandstiftung Integration aktiv für mehr Diversität im Journalismus einsetzt. Wir verstehen das Geh Deinen Weg-Journalismus-Stipendium als Startschuss und Basis für weitere Diversitäts-Maßnahmen und laden andere Medienhäuser herzlich ein, Partner des Geh Deinen Weg-Journalismus-Stipendiums zu werden. Die Deutschlandstiftung baut Allianzen in vielen Bereichen der Gesellschaft und die Medienlandschaft spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Hier kann man sich bewerben: https://www.deutschlandstiftung.net/projekte/geh-deinen-weg-programm/journalismus-stipendium-geh-deinen-weg