Stan Libuda war vielleicht der beste Spieler, der jemals das Trikot von Schalke04 trug. Vor 25 Jahren starb er. Bald könnte auch sein Grab verschwinden.
Der Haverkamp ist nicht einmal ein richtiger Stadtteil. Ein paar Straßenzüge in Gelsenkirchen Bismarck. Grün ist der Haverkamp, die Vorgärten sind gepflegt. Für Reinhard „Stan“ Libuda war der Haverkamp die Welt. 1943 in Wendlinghausen im Landkreis Lemgo geboren zog seine Familie nach Kriegsende zurück in den Haverkamp. Der war damals ein Bergarbeiterdorf. Die Männer arbeiteten auf den Zechen in der Umgebung. Davon ist kaum noch etwas zu sehen. Das letzte Bergwerk des Stadtteils, Consolidation, stellte 1993 die Förderung ein. Heute wird das ehemalige Maschinenhaus als Theater genutzt.
Im Haverkamp lebte Libuda, hier traf er seine Freunde, hier ließen sie ihn in Ruhe, hier gehörte er dazu und am Ende starb er auch in seinem Dorf. Haverkamp war Heimat, noch mehr als Schalke 04 es für ihn war. Spricht man heute mit den Menschen in dem Quartier, kennen sie alle noch seinen Namen. Aber es großes Thema, sagt ein fröhlicher Frührentner, der mit einem Gartenschlauch seine Blumen gießt, sei Libuda nicht mehr. Und naja, für Fußball würde er sich sowieso nicht allzu sehr interessieren.
Mit neun Jahren meldete ihn sein Vater bei der Jugend von Schalke 04 an. Das war schon damals etwas Besonderes. Schalke nahm nie jeden auf, auch nicht in die Jugendmannschaften. Aber Libuda war nicht irgendwer. Bis heute steht er in dem Ruf, der beste Spieler zu sein, der jemals im Trikot von Schalke 04 spielte. Sein Jugendtrainer Fritz Thelen, ein Schwager der Schalker Legende Ernst Kuzorra, sagte über ihn schon als Jugendlichen: „Ein größeres Talent als Libuda hat Schalke nicht gesehen.“
Von der Jugend wechselte Libuda 1961 in die Profi-Mannschaft der Knappen. Schalke gehörte zu den Top-Mannschaften. 1958 war man zum siebten Mal Meister geworden. Niemand konnte sich damals vorstellen, dass es bis heute die letzte Meisterschaft bleiben sollte.
Da war es auch kein Drama, dass Schalke in der Saison 1964/65 auf dem letzten Platz stand und sportlich abgestiegen war. Der Deutsche Fußballbund stockte die Bundesliga auf 18 Mannschaften auf, Hertha wurde die Lizenz entzogen und Schalke blieb erstklassig. Die Welt, sie war Mitte der 60er Jahre noch in Ordnung. Libuda allerdings war schon zu Borussia Dortmund gewechselt. Auch damals waren die Blau-Weißen und die Schwarz-Gelben einander in tiefer Abneigung verbunden, aber der angebliche Hass war nicht „tief wie ein Schacht“, sondern war auch immer etwas Folkloristisches: Ernst Kuzorra hatte die Borussen trainiert, der frühere BVB-Spieler Rudi Assauer sollte später als Manager gar zum Symbol Schalkes werden.
In Dortmund schreibt Bernd M. Meyer in seinem Buch „1972/72: Die Saison der Träumer“ sei Libuda „kreuzunglücklich“ gewesen. Dass er mit dem BVB den Europapokal der Pokalsieger gewann, seinen wichtigsten Titel, änderte daran nichts. In der nur gut 30 Kilometer entfernten Stadt hätte sich der Haverkamper gefühlt wie im Ausland. Als ihn Günter Siebert 1968 zurück nach Schalke holte, war Libuda wieder glücklich, bei Schalke und sich selbst. „An Gott kommt keiner vorbei“ hatte eine Christengruppe damals in Gelsenkirchen plakatiert. Ein Fan ergänzte den Spruch und schrieb: „Außer Libuda“ hinzu.
Siebert formte damals seine Wunschmannschaft und wollte Schalke dauerhaft an die Spitze führen. Bayern München und Borussia Mönchengladbach dominierten die Bundesliga, Weder Bremen und Schalke 04 wollten zu ihnen aufschließen.
Der Fußball war dabei sich zu professionalisieren, die Bundesliga war kein guter Ort für Fußballromantiker. Die Gehälter der Spieler stiegen und die Vereine wurde zunehmend wie Unternehmen geführt. Einer der diese Vision mittrug war Siebert, der zwar mit dem Herzen Schalker, aber auch ein Geschäftsmann war.
Der Bundesligaskandal, der nie ganz aufgeklärt wurde, passte in die Zeit. In der Saison 70/71 waren nachweislich acht Spiele gekauft worden. Der 1. FC Köln, Arminia Bielefeld, Rot-Weiß-Oberhausen, Rot-Weiß-Essen, MSV-Duisburg, Hertha-BSC, Kickers Offenbach und Eintracht Braunschweig und Schalke 04 waren betroffen oder hatten aktiv bei den Schiebereien mitgemacht. Mal waren es ein paar Spieler, mal der ganze Verein. Arminia Bielefeld und Rot-Weiß Oberhausen hatten sich den Klassenerhalt gekauft. Der Offenbacher Präsident Horst-Gregorio Canellas machte den Skandal öffentlich, sagte aber später, dass er nicht alles was er wusste, bekannt gegeben hatte.
Zu denen, die Geld genommen hatten, um den Ball nicht zu treffen, gehörte auch Libuda. Für 2.400 Mark hatte er mitgeholfen, dass Bielefeld am 17. April 1972 Schalke 0:1 schlug und sich damit den Klassenerhalt sicherte. Als der Skandal hochkam, versuchten sich die Schalke Spieler durch eidesstattliche Versicherungen zu retten. Auch Libuda hob die Hand und musste später lernen, dass man nach einem Meineid vorbestraft ist.
Die Bestechung zerstörte Libudas Karriere und Sieberts Schalker Wunschmannschaft: Schalke sollte nie der große Bayernjäger werden, kam manchmal an die Münchener heran, wurde aber in den 80ern eine Fahrstuhlmannschaft. Libuda erhielt wie viele andere am Bundesligaskandal beteiligte Kicker Spielverbot in Deutschland. Er flog aus der Nationalmannschaft und wechselte zu Racing Straßburg. In Frankreich kam der Mann, dem schon Dortmund fremd war endgültig nicht klar. Als er nach seiner Begnadigung nach Schalke zurückkehrte, kam er nie wieder in die Spur. In der Saison 74/75 wurde er nur noch fünf Mal eingesetzt. Max Merkel sortiert ihn bei den Schalkern aus. Libuda übernimmt Ernst Kuzorras Lottoladen an der Kurt-Schumacher-Straße, die sie heute „Schalker-Meile“ nennen, und fängt an zu saufen. Die Ehe scheitert. Sein ehemaliger Mitspieler Rolf Rüssmann besorgt ihm einen Job bei einem Unternehmen im Haverkamp. So langsam kommt er wieder auf die Beine, dann ein Schlaganfall. Am 25. August 1996 stirbt Libuda.
Sein Grab auf dem Ostfriedhof in Bismarck, nur einen Steinwurf vom Haverkamp entfernt, ist gut gepflegt. Sein Sohn kümmert sich darum. Die Friedhofsgärtnerin erzählt, noch immer kämen viele, um Libudas Ruhestätte zu besuchen. Nein, er sei nicht vergessen. Aber bald sei das alles vorbei. Nach 25 Jahren laufe die Zeit des Grabfelds ab. Libuda hat keine Gruft, deren Zeit man verlängern kann, sondern ein Reihengrab.
Olivier Kruschinski setzt sich dafür ein, das Libuda umgebettet wird. Er soll auf das Fan-Feld des Schalker Friedhofs kommen. Der Gelsenkirchen-Franzose engagiert sich für den Stadtteil Schalke und bringt mit seinen Mythos-Touren Touristen Stahl, Kohle und Schalke näher. Eine der Rundgänge durch die Gelsenkirchener Geschichte nennt sich die „Gräber der Götter“. Bei der machen Kruschinski und seine Gäste immer auch Halt bei Libuda. Der Spieler sei nicht vergessen und werde immer noch verehrt: „Viele haben ihn genauso wie Rolf Rüssmann, Ernst Kuzorra und Charlie Neumann in ihr Herz geschlossen.“ Der Skandal, das Spielergenier, der Meineid, Libuda Lebensweg sei ein Symbol für Schalke. „Konstanz war für ihn nur eine Stadt am Bodensee“
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Jungle World
Moment mal, werter Autor:
"Der 1. FC Köln, Arminia Bielefeld, Rot-Weiß-Oberhausen, Rot-Weiß-Essen, MSV-Duisburg, Hertha-BSC, Kickers Offenbach und Eintracht Braunschweig und Schalke 04 waren betroffen oder hatten aktiv bei den Schiebereien mitgemacht."
Wiebitte?? Also erst einmal die Orthografie. Es heisst Rot- Weiss- Essen. Dann der Inhalt: Weder RWE als Club noch irgendein Essener Spieler waren an dem Betrug beteiligt. Die ehrlichen Essener mussten vielmehr auf Grund der Mauschelei den bitteren Weg in die Zweitklassigkeit antreten und waren direktes Opfer des Betruges. Das kleine Wort "betroffen" macht die Sache nicht besser, denn betroffen waren alle Clubs, der Fussball insgesamt und, vor Allem, die Fans.
Rot Weiss!!! Essen heißt das oder besser gleich RWE!
Und RWE war hier einzig und allein Opfer, und ist dafür niemals in irgendeiner Form entschädigt worden; aus heutiger Sicht unfassbar!
Eigentlich unfassbar, daß der Fussballexperte Laurin sich hier immer noch nicht zu seinem Fehler geäussert hat. Mein Vorschlag: Nennt euch in Zukunft "Ruhr(ohneEssen)barone"