Für weniger Kleinkariertheit und wieder mehr Miteinander in der Politik

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) scheint inzwischen oft genervt. Foto: Roland W. Waniek

Zu Beginn der Corona-Pandemie zeigten sich unsere Spitzenpolitiker überraschend durchweg lösungsorientiert und pragmatisch. Alle, oder sagen wir nahezu alle, waren in Anbetracht der zuvor so noch nie miterlebten Bedrohung durch das Virus bemüht gemeinsam an den bestmöglichen Lösungen und Auswegen zu arbeiten. Viele Menschen in diesem Land, darunter auch ich, haben das damals als sehr wohltuend empfunden.

Plötzlich war das kleinkarierte Gezänk, das einem den Spaß an der Politik schon einmal nehmen kann, fast vollständig verschwunden. Mehr Respekt und Anerkennung, auch für den politischen Gegner, waren an der Tagesordnung. Diese ungewohnte Sachlichkeit, das Bemühen um gemeinsame Entscheidungen, schwanden eigentlich erst mit Beginn des Bundestagswahlkampfs im Sommer 2021. Plötzlich wurde sich wieder vermehrt profiliert und abgegrenzt. Dennoch blieb ein gewisses Maß an Sachlichkeit und Respekt auch danach erst einmal erhalten.

Jetzt, noch einmal rund ein Jahr später, ist die Lage aber leider wieder eine völlig andere. Politisch, aber auch was den Umgang der Spitzenpolitiker untereinander betrifft. Spätestens mit Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine im Februar, ist das altbekannte Gezänk, das viele lösungsorientierte Menschen abschreckt, wieder zurück.

Die vergangenen Tage und Stunden bildeten einen unschönen neuen Höhepunkt dieser abschreckenden Kleinkariertheit. Und das völlig unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Dabei wäre ein fairer, respektvoller Umgang mit dem Kontrahenten und seiner Meinung und vor seiner Leistung unverändert wichtig, ja vielleicht wichtiger als jemals in den vergangenen Jahrzehnten.

Aus jeder Differenz eine große politische Sache machen zu wollen, wird dem nahenden, kritischen Winter 2022/23 einfach so nicht gereicht. Egal ob es Vertreter der CDU/CSU in Berlin sind, die wie Friedrich Merz und Jens Spahn in diesen Tagen die großen Besserwisser rauskehren, obwohl sie und ihre Partei mit Kanzlerin Angela Merkel ja in den vergangenen 16 Jahren erst jedermann bewiesen haben, dass sie es wohl auch nicht alles so perfekt geregelt haben, oder aber ob es ein Wirtschaftsminister Robert Habeck ist, der aus offensichtlich ideologischen Gründen einen (zumindest kurzfristigen) Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke immer noch ablehnt, obwohl eigentlich alles dafür zu sprechen scheint, die Meiler noch mindestens in das kommende Frühjahr weiter zu betreiben.  Für den interessierten Wähler wirkt beides abschreckend. Die Liste der Kleinkariertheiten und des wieder härter werdenden Wettstreits ließe sich an dieser Stelle noch leicht fortsetzen. Genannt sei hier nur das Stichwort Waffenlieferungen an die Ukraine.

Auf der anderen Seite wird ein offenkundig missratener Talkshow-Auftritt des Wirtschaftsministers vom politischen Gegner gerade mit scheinbarem Vergnügen bis zum Maximalen als Thema aufgeblasen, obwohl auch einem Robert Habeck, dessen Job in diesen Tagen sicherlich kaum einer in diesem Lande haben möchte, da er wohl dermaßen fordernd und kompliziert ist, dass einem Fehler fast automatisch passieren dürften, ein solcher Fauxpas nach sicherlich extrem anstrengenden Wochen wohl durchaus zugestanden werden müsste.

Gerade auch ein Jens Spahn müsste sich ja noch sehr gut an seine letzten Tage als verantwortlicher Minister im Gesundheitsministerium erinnern, als ihm häufig offenkundige Überforderung vorgeworfen wurde. Doch statt jetzt mit Verständnis zu reagieren und eine gewisse Größe zu zeigen, ist ausgerechnet Spahn unter den ersten ‚Steinewerfern‘ in Richtung Habeck zu finden, wie er am heutigen Donnerstag im Bundestag noch einmal frisch unter Beweis stellte. Abschreckend!

Es tut der Sache insgesamt einfach nicht gut, wie sich der Umgangston, wie sich das Miteinander unter den Protagonisten im politischen Berlin und darüber hinaus zuletzt entwickelt hat. Bei mir, und ich wette auch garantiert bei vielen anderen, führt die Rückkehr dieser Kleinkariertheit und der Profilierungssicht jedenfalls schon wieder zu einem gewissen Grad an Politikverdrossenheit.

Ich wünschte mir einfach, unsere ‚Politiker‘ hätten das wohltuende und in erster Linie zunächst einmal lösungsorientierte  Arbeitsklima vom Beginn der Pandemie, was uns alle gemeinsam hier in Deutschland eigentlich recht erfolgreich durch die ersten rund 18 Monate der Corona-Zeit gebracht hat, noch länger beibehalten können. Leider ist das offenkundig aber nicht der Fall….

 

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Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
2 Jahre zuvor

Entschuldigung, aber das ist seltener Quatsch, der hier geschrieben wird.
Auch zu Coronazeiten gehörte der jetzt bemängelte Politikstil zum Werkzeugkasten der Opposition und der „kritischen“ Medien.
Der Maskenskandal incl. Untersuchungsausschuß in NRW hat sich in Luft aufgelöst.
Daß die Regelungen von NRW denen der meisten Bundesländer entsprach, hinderte nicht daran kontrafaktisch von Locker-Laschet zu faseln.
Die im Vergleich zu Bayern viel erfolgreichere Bekämpfung von lokalen Ausbrüchen in sozial benachteiligten Regionen und in der Nachbarschaft von Hotspots hinderte niemanden daran die verfassungswidrigen Regelungen des Egomanen in München abzufeiern.
Und Talkshowdauergast Lauterbach wurde zum „Gesundheitsminister der Herzen“ (Tagesspiegel) für Deutschlands Panikfraktion, die bis heute nicht wahr haben will, daß die von Streeck vorgelegten Zahlen bei allen methodischen Mängeln für eine Querschnittserhebung stimmten und bestätigt wurden und der besagte damalige Abgeordnete genau so häufig daneben lag wie richtig (und dieses Schicksal mit anderen teilte), aber für seine dosiert vorgetragenen Panikausbrüche konstant Zustimmung erfuhr.

Nur weil das Endergebnis der Coronapolitik offensichtlich der Haltung des Autors entspricht, heißt dies nicht, es wären nicht ganz so lautere Mittel zum Einsatz gekommen, um dieses durchzusetzen.

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