Im fünften Teil seine Serie ‚Fußball im Nationalsozialismus‘ beschäftigt sich Ruhrbarone-Gastautor Thomas Weigle heute mit einigen persönlichen Gedanken, passend zum an diesem Wochenende anstehenden Volkstrauertag:
„Von Julius Hirsch habe ich zum ersten Mal im Jahr 2000 in der Ausstellung zum 100-jährigen Jubiläum des DFB gehört … Doch die Namen und die Schicksale der Opfer waren damals noch fast unbekannt… Wir beschlossen daher, die Rolle des Verbandes wissenschaftlich unabhängig aufzuarbeiten.“ Diese Einstellung von Theo Zwanziger unterscheidet sich fundamental von der des unsäglichen Hermann Neuberger, der als Vize 1972 Herbergers Bitte, den in Kanada lebenden Rekordtorschützen Gottfried Fuchs, der 1912 10 Tore im Spiel gegen Russland erzielte, zur Eröffnung des Münchener Olympiastadions 72 einzuladen ablehnte.
Neuberger wollte keinen Präzedenzfall schaffen. Mit anderen Worten, der hat sehr genau um die Verfolgung und Ermordung unzähliger jüdischer Fußballer gewusst, aber den Mund gehalten. Dafür als Präsident jegliche Kritik innerhalb des DFB gegenüber der Militärjunta in Argentinien vom Tisch gefegt. Dafür durfte dann der unbelehrbare Altnazi Rudel der DFB-Elf in deren WM-Quartier seine Aufwartung machen.
Stellvertretend für die vielen jüdischen Fußballer die Opfer des Holocaust wurden, seien die folgenden Fußballer genannt, die in den hiesigen Vereinen spielten und wirkten:
ALEXANDER ERNST Schalke 04 1942 Auschwitz
ERICH ANDRE Alemania Aachen Auschwitz 1942
JULIUS HESSE Arminia Bielefeld Theresienstadt 1942
LEO ISACK ETB Schwarz-Weiß Essen Sachsenhausen
AUGUST HAHN Schalke 04 Theresienstadt 1942
FRITZ REUSCH Alemania Aachen Maydanek o.J.
DR.KARL LEVEN Dürener SC Treblinka 1942
FRITZ MOSS Alemania Aachen 1944 in Auschwitz für tot erklärt
ALFRED ROSEN BMG Riga-Salaspils 1942
MAX SALOMON Alemania Aachen Auschwitz 1943
ROBERT SALOMON Alemania Aachen 1944 in Auschwitz für tot erklärt
LEO SAUER Schalke 04 Stutthof 1945
DR.WALTER SPIER Fortuna Düsseldorf Auschwitz 1945
(Quelle: 11 Freunde VERLORENE HELDEN)
Skrentny: JULIUS HIRSCH.NATIONALSPIELER.ERMORDET. Die Werkstatt, Göttingen 2012
Laut Skrentny wurde erstmals bundesweit 1971 im Spiegel über die dunkle Vergangenheit des deutschen Sports und seiner Verbände berichtet. Mir persönlich war der Name Fuchs schon seit Mitte der 60er bekannt. Dass er Jude war und den Nazis nur knapp entkommen war, habe ich erst sehr viel später erfahren.
GOTTFRIED FUCHS war ein hoch dekorierter Soldat im Ersten Weltkrieg, wie andere jüdische Frontkämpfer auch. Das hat ihnen alles nichts genutzt, viele „vaterländische“ Organisationen verwehrten ihnen schon vor 33 die Mitgliedschaft.
Wenn man die Aufrufe zum Volkstrauertag in der Weimarer Republik und dann zum „Heldengedenktag“ in der NS-Zeit liest, in der die Opfer des Weltkrieges glorifiziert werden, ist die Haltung gegenüber den jüdischen Soldaten, die mit in dieser viel beschworenen Kampfgemeinschaft kämpften und litten umso unverständlicher.
Auch jüdische Deutsche waren 1914 vom nationalen Taumel befallen, stellvertretend möchte ich hier Victor Klemperer zitieren: „Ich habe schließlich in meiner Kriegssehnsucht doch nur den Drang nach dem Erleben des Außerordentlichen. Der Krieg ist höchste Sensation und einzige dem Kulturmenschen noch verbliebene Kartharsis… der Krieg kann ganze Geschlechter unsterblich machen.“
Stellvertretend für den nationalen Pathos der auch schon in der Weimarer Republik gepflegt wurde, lesen wir im Kicker 1930, der den Toten gedenkt, die „Schulter an Schulter mit uns Überlebenden gekämpft haben und fremde Erde im Dienst an der Heimat mit edlem deutschen Blut gerötet haben.“
In der Nazizeit wird dann aus dem Vollen geschöpft: „Am Heldengedenktag blicken wir zurück, aber nur deshalb blicken wir zurück, damit wir aus solchem Rückblick Kraft schöpfen zum Vorwärtsschreiten; auch die Kreuze auf Kriegsgräbern und Ehrenmalen weisen nicht nur zurück, sie weisen uns in die Zukunft und reden eine fordernde Sprache.“ (Ravensberger Sonntagsblatt, 8.3.36) Ein Jahr später erklärt Wehrminister Blomberg. „Wir ehren die Toten, indem wir dem Führer dienen.“ Da war dann endgültig kein Platz mehr für die jüdischen Frontkämpfer mehr, denn Juden sollten und durften keineswegs Adolf Nazi dienen, weder tot noch lebendig. Ab 39/40 „durften“ sie dann zumindest als Arbeitssklaven wieder dem „Führer dienen.“ Nun war endgültig auch die Schonfrist für die ehemaligen jüdischen Frontkämpfer vorbei, ihnen waren ja in den ersten Jahren des 3.Reiches gewisse „Privilegien“ eingeräumt worden.
Mehr zum Thema deutscher Fußball und die Juden, auch über „Walter Bensemann, den Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte“, demnächst hier bei den Ruhrbaronen.
Mehr zum Thema Volkstrauertag und „Heldengedenktag“ unter Neuzugang Kriegerdenkmal bei www.haller-zeitraeume.de Die Haller Zeiträume sind ein virtuelles Heimatmuseum, dass einzige dieser Art in NRW, so weit ich weiß.
Hallo!
Auch wenn es an der schrecklichen Wahrheit „Der Ermordung in Ausschwitz“ nichts ändert. Ihre Recherche ist nicht ganz fehlerfrei…. Der namentlich genannte „Fortuna-Spieler“ hieß Waldemar und war kein Spieler. In den Versammlungsprotokollen taucht sein Name letzmalig bei der Jahreshauptversammlung am 20.1.1931 auf. Dabei übernahm er eine Position im Spielausschuss. Dr. Waldemar Spier ist bis heute das einzig bekannte jüdische Schicksal bei Fortuna. VG
Danke für die Berichtigung, natürlich hätte die Formulierung über der Liste der Ermordeten und Verfolgten heißen müssen „spielten und/oder wirkten“ statt nur „…und…“