Fußball ist und bleibt Entertainment

adidas brachte mit dem FC Bayern München in den 1970er Jahren das Sport-Sponsoring auf ein neues Level | Foto: Foto: wikipedia / Rolf Horsmann / CC BY-SA 4.0

Die EM blieb als ambivalentes Kuddelmuddel im Kopf hängen: das „Shithole“ Gelsenkirchen mit seinen ewigen ÖPNV-Aussetzern, dazu nette Bilder von holländischen und schottischen Fans. In vier Wochen beginnt der Liga-Betrieb wieder, daher brennt die Frage: was macht der FC Bayern, wie ist die Lage bei Bayer Leverkusen und beim BVB? Thommy Junga und Peter Hesse schauen in ihre Glaskugel. Beide haben ein großes Herz für die Social Media Aktivitäten von Aston Villa und wünschen Preußen Münster alles Gute zum Aufstieg in Liga Zwei.

Peter Hesse: Die EM ist rum, in vier Wochen beginnt die Bundesliga. Im aktuellen Bundesliga Sonderheft von 11 Freunde stellte die Redaktion jedem der 18 Erstligisten eine Frage. Der FC Bayern bekam diese Frage gestellt: „Erst Rangnick, dann wieder Tuchel, jetzt Kompany: hinter der Trainersuche stand kein klarer Plan, das kann nur nach hinten losgehen. Außerdem ist Kompany viel zu unerfahren für den Job bei einem so großen Klub wie den Bayerm. Die Münchener haben diese Frage (im Gegensatz zu den anderen 17 Bundesliga-Clubs) nicht beantwortet – dürfen wir wieder mit einer herausragenden FC-Hollywood-Saison vom FCB rechnen?

Thommy Junga: Wenn keine Antwort ausgesprochen wird, lautet sie ja nicht selten: ja! Die Hollywood-Fraktion ist schon wieder recht aktiv – allen voran Finanz- und Steuerexperte Uli Hoeneß, der Transfers nur bei weiteren Einnahmen als möglich erachtet, während Max Eberl in Frankreich generös 50 Millionen für einen U21-Spieler auf den Tisch legt. Alles schon wieder sehr wild. Das bayerische Transfer-Karussell stottert gehörig, die Ziele wie Xavi Simons sind groß, aber der Stern des Südens scheint einiges an Anziehungskraft verloren zu haben. Jetzt fällt der Neue Hoffnungsträger in der Wackelabwehr, der Japaner Ito, auch schon wieder direkt länger aus. Vielleicht doch wieder den verprellten Jonathan Tah anbaggern? Irgendwie haben die Roten von der Säbener Straße keinen Lauf, aber die Musik beim Training soll ganz toll sein. Das ist aber das Einzige, was man über die Trainingsarbeit von Neutrainer Kompany bisher hört. Mit einer Nicht-EM-Fahrer-Rumpftruppe und 15 A-Jugendlichen tingelt er jetzt über die Dörfer und der Autogrammstift glüht. Bayern wird eine echte Wundertüte zu Saisonbeginn sein.

Christian Streich ist nun nicht mehr Trainer in Freiburg – wie geht es weiter? | Quelle: Wikipedia, Foto: Steven Schaap, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Peter Hesse: Im Breisgau beginnt eine neue Ära: Freiburgs neuer Trainer Julian Schuster sieht durchaus Ähnlichkeiten zu seinem Vorgänger Christian Streich. „Er hat mir 16 Jahre etwas mit auf den Weg gegeben, nicht explizit, aber natürlich haben wir uns sehr viel ausgetauscht – und natürlich steckt in mir auch ganz viel Christian“, sagte Schuster gegenüber Pressevertretern. Er sei mit Streich „nicht immer gleicher Meinung“ gewesen. Wie klappt das zukünftig – ist der SC Freiburg stark und vor allem frisch genug aufgestellt?

Thommy Junga: Das sind große Fußstapfen – keine Frage. Ich weiß auch nicht, ob man sich einen großen Gefallen tut, wenn man jetzt zu sehr auf den Gemeinsamkeiten rumreitet. Das weckt Erwartungen und ruft unter Umständen Geister, die du gar nicht haben wolltest. Vielleicht ist so ein Schnitt ja auch eine gute Möglichkeit Neues einzuführen. Der Kader des SC ist solide und über Jahre gewachsen, die sportliche Qualität vorhanden. Ich finde es spannend zu sehen ob sich systematisch etwas ändert, zum Beispiel ob Schuster mehr den Ball haben will, als all die Jahre zuvor. Für eine Mannschaft, die regelmäßig in Schlagweite zum europäischen Geschäft agiert, wäre dies eigentlich der nächste Schritt. Die Verpflichtungen von Dinkci und Osterhabe lassen aber eher wieder den lauffreudigen Tempo-Fußball vermuten. Ob nun Demut oder Mut regiert, in Freiburg werden sie auf Dauer auch nicht um Veränderungen herumkommen.

Szene aus dem Jahr 1982, als der FC Bayern gegen Aston Villa spielte | Credit: Marcel Antonisse / wikipedia / CC-BY-SA 4.0

Peter Hesse: Geezer Butler und Ozzy Osborne von Black Sabbath werben als Birminhamer Urgesteine für das Trikot von Aston Villa. In einem Reel, der mit dem Black Sabbath-Klassiker „Paranoid“ unterlegt ist, geben sich Trainer Unai Emery sowie die Spieler Ollie Watkins, Emiliano Martinez und John McGinn in dem Video die Ehre. Nachdem das Team von Rot Weiss  Essen schon in der Saison 2016/17 mit dem Kreator Song ‚Apokalypticon‘ eingelaufen ist, bekommen wir jetzt noch weitere Fußball-Heavy Metal-Zusammenarbeiten in der neuen Liga serviert?

Thommy Junga: Ich fand das über Jahre äußerst befremdlich, dass bei jedem Bochum-Heimspiel „Highway to Hell“ gespielt wurde. Für einen Verein, der in der Regel mit einem Fuß über dem Abgrund hing, eine eher unglückliche Wahl. Aber in Sachen Marketing und Klub-Identität haben sie an der Castroper Straße n den vergangenen Jahren kräftig aufgeholt, die Stadionmusik ist allerdings immer noch Murks. Dass allerdings Ozzy Osborne und Geezer Butler als waschechte Villans den Spaß mit der Trikot-Präsentation mitgemacht haben, das finde ich hingegen echt cool. Fußball ist und bleibt Entertainment, auch wenn wir alle manchmal etwas mehr aus ihm machen, als er es leisten kann. Diese Variante von Werbung ist mir auf jeden Fall lieber als die ewig knurrigen Gesichter im Halbschatten, wenn irgendwelche neuen Hipster-Jerseys vorgestellt werden. Da werden dann immer zur Sicherheit drei verschiedene Wappenküsser aufgenommen – man weiß ja nie, ob nicht noch einer geht.

Der Mythos von Helmut Rahn liefert die DNA von Rot-Weiß Essen | Foto: Peter Hesse

Peter Hesse: Seit vielen Jahren hat Friedrich Küppersbusch eine wöchentliche Kolumne in der taz, früher hat er schriftlich in rund 10 Fragen die Lage der Woche beantwortet – seit ein paar Jahren kommt das Ganze als Video-Kolumne. Als letzte Frage wurde ihm immer die Frage „…und was machen die Borussen?“ gestellt, wo er dann als BVB-Fan Rede und Antwort gestellt hat, was gerade so los ist rund um die Strobel-Allee. Als der schwarz-gelbe Rheinmetall-Deal bekannt wurde, sagte Küppersbusch zum taz-Reporter, dass er zukünftig nur noch Fragen zu Rot Weiss Essen beantworten möchte. Ich finde es sehr beachtlich, mit welcher Konsequenz er das durchzieht – wie siehst du das?

Thommy Junga: Ich kann das nachvollziehen, denn dieser Deal ist schon ein schwerer Schlag für jeden geradegestrickten Fan. Jetzt ist Herr Küppersbusch natürlich auch kein 08/15-Fan, eher der meinungsfeste Coverboy einer ganz bestimmten Filterblase. Da kann man schon mal dramatisch werden. Aber: so eine Ehe zwischen Klub und Fan kann tatsächlich schon mal enden und dann geht auch das Fanleben irgendwann wieder weiter. Ich kenne jemanden, der sich wegen des Wiesenhof-Sponsorings völlig von seiner alten Liebe Werder Bremen entfremdet hat – und denen das auch heute noch gehörig übel nimmt. Je größer die Verbundenheit, desto größer wohl auch die Fallhöhe für Enttäuschungen. Abgesehen davon ist natürlich auch in Essen nicht alles Eitel Sonnenschein, wenn man da an das Umfeld denkt. Das könnte eine echte Serie der Enttäuschungen werden…

Endlich wieder zweite Liga heißt es für den SC Preussen Münster | Foto: Peter Hesse

Peter Hesse: In die zweite Liga ist Preußen Münster zum ersten Mal nach 33 Jahren wieder in die zweite Liga aufgestiegen. Die Schwarz-Grünen haben derzeit kein zweitligataugliches Stadion. Nun soll das Stadion um insgesamt 20.000 Plätze erweitert werden und der Umbau soll in den kommenden Jahren während des laufenden Spielbetriebs erfolgen. Die Stadt Münster hat dafür ein Bau-Volumen von rund 88 Millionen Euro veranschlagt. Fernab der Spielstätte: ist der Kader stark genug, um sich in Liga zwei zu behaupten? Oder werden das Preußen ihrem Gurkenland-Rivalen aus Osnabrück gleichziehen – und direkt nach einem Jahr wieder absteigen?

Thommy Junga: Münster war ja ewig und drei Tage in der Unterklassigkeit gefangen, das hinterlässt Spuren. Sei es ein nicht zeitgemäßes Stadion oder eben ein recht unerfahrener Kader, der bisher auch nur mit wenigen gestandenen Profis unterfüttert wurde. Bei Projekten wie Münster kommt es immer auf die Dynamik an. Läufst du nach sechs Spieltagen schon der Kapelle hinterher, dann tut jeder Spieltag nur noch weh und es wird zäh. Ich traue dem Umfeld in Münster aber dieses Feuer zu, dass dir den entscheidenden Antrieb geben kann. Zwischen all den Riesen aus Hamburg, Köln und Schalke kennt Münster genau seine Rolle, das ist ebenfalls sicher ein Vorteil. Wenn die Neuzugänge einschlagen und diese emotionale  Heimstimmung greift ist für Münster der Klassenerhalt drin.

 

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