Fußball-Kommentatoren kommen nicht „in die Tiefe“

Viele Philosophen Schule von Athen Bild: Raffael Lizenz: Gemeinfrei

Ist Fußball ohne Abi und Latinum überhaupt noch zu kapieren? Von unserem Gastautor Wilhelm Klümper.

Ist Fußball ohne Abi und Latinum überhaupt noch zu kapieren? Man stelle sich mal ganz normal-tüchtige Bürger vor, die nach der Haupt- oder Realschule eine Lehre gemacht haben und nun tagtäglich im Supermarkt, im Stahlwerk oder in der Schreinerei arbeiten. Für einen Fußballfan und Freizeit-Kicker seit den Kindheitstagen ist die Übertragung der Fußball-Europameisterschaft in der ARD oder dem ZDF (warum eigentlich beide und daher doppelt teuer?) natürlich nach Feierabend Pflichtprogramm.

Wer glaubt, Fußball sei eigentlich ganz einfach, das Runde müsse ins Eckige, wird von den TV-Kommentaren eines Besseren belehrt. Da werden Pässe „antizipiert“, Chancen „generiert“, das Gegenpressing „initiiert“, der Raum „interpretiert“ und alles Mögliche rund ums Runde „kreiert“. Da gibt es sogar Mannschaften mit „Kollektivintelligenz“.

Die TV-Fußball-Expertenblase von ARD und ZDF spricht eine Sprache, die nicht von jedem Bürger verstanden werden muss. Allerdings finanziert jeder Bürger mit seinen GEZ-Zwangsgebühren die Taktik-Schwurbeleien der klugschwätzenden Kommentatoren. Es ist eine Unverschämtheit, dass das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen durch seine abgehobene Sprache ausgerechnet beim Fußball eine gehörige Anzahl von Gebührenzahlern kulturell ausgrenzt.

Der Stahlkocher, Schreiner oder Verkäufer sollte nicht googeln oder zum Wörterbuch greifen müssen, um die von ihm bezahlten Kommentatoren zu verstehen. Vielmehr sollten sich diese mal häufiger in die Stehkurve beispielsweise eines Drittliga-Fußballvereins stellen, um die wortgewaltige, ungekünstelte Sprache des Fußballs kennenzulernen.

Da macht der Reporter doch lieber brave Stichwortgeber-Interviews mit nichtssagenden Trainern. Da wird schulterklopfend unter Kumpanen geklugscheißert, wenig bis nichts erklärt. Hauptsache, man ist und bleibt unter sich. Die Kicker kommen zuweilen „in die Tiefe“, die Kommentatoren leider nicht.

Allen wichtigtuenden TV-Schwätzern sei zugerufen: Entscheidend ist und bleibt auf‘m Platz

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Emscher-Lippizianer
Emscher-Lippizianer
3 Jahre zuvor

I werd narrisch…. Aber der Onkel von Herrn Ströbele kommentiert leider nicht mehr.

https://amp.welt.de/geschichte/kopf-des-tages/article232259095/Herbert-Zimmermann-Die-Stimme-des-Wunders-von-Bern.html

sneaking_beauty
sneaking_beauty
3 Jahre zuvor

Ach Du meine Güte… Ruhrbarone go Brendan O'Neill.

Es ist reichlich arrogant, zu denken, dass Schreiner oder Verkäuferinnen nicht wissen, was "initiieren", "kreiieren" oder "interpretieren" bedeuten. Ob Ihr's glaubt oder nicht, diese Worte hören viele von ihnen auch oft auf Arbeit.

Diese Denkweise ist anti-intellektuell, miefig, vor allem aber arbeiterfeindlich, ist es doch meilenweit entfernt von der alten Idee der "self-education" aus der britischen Arbeiterbewegung. Müssen sich Kommentator*innen jetzt danach richten, was sich Ihre Kritiker aus der Mittelschicht über das vermeintliche fehlende Vokabular in der Arbeiterschaft zusammenreimen? Das klingt mir mehr nach dem Proletkult der KPD und später der DDR.

Stefan Laurin
Admin
3 Jahre zuvor

@sneaking_beauty: Du wirst in den wenigsten Zeitungs- und Magazintexten Fremdworte finden. Und zwar um möglichst vielen Menschen die Gelegenheit zu geben, sie zu lesen. Das nennt man dann ein niedrigschwelliges Angebot. Dahinter steckt die demokratische Überzeugung, möglichst viele Menschen erreichen zu wollen. Und solche Texte kann man auch schreiben oder sprechen – wenn man etwas mit Sprache umgehen kann.

Helmut Junge
Helmut Junge
3 Jahre zuvor

@Stefan Laurin, Menschen mit weniger Schulbildung sind oft durchaus interessiert zu verstehen, was im Zusammenhang mit Fußball gesagt und geschrieben wird. Denn da wollen sie ja mitreden können. Die paar Wörter sind schnell gelernt, wenn es wichtig ist. Ich habe von solchen Leuten schon Unterhaltungen mitbekommen, die vor Insiderfachwissen nur so strotzten. Das gilt speziell für Fußball.

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