Fandet Ihr die Stimmung beim Fußballländerspiel am Dienstag in Wien auch so übertrieben nationalistisch und aggressiv? Muss die Stimmung im Stadion bei einem Länderspiel zwischen Österreich und Deutschland wirklich so feindselig sein, dass schon bei den Nationalhymnen vor dem Anpfiff lautstark gepfiffen wird? Von unserem Gastautor Robin Patzwaldt.
Ich muss vielleicht kurz erläutern, dass ich eigentlich eher ein großer Vereinsfußballfan bin. Bei mir in der Familie ist es so, dass man die Fußballverbundenheit zur Bundesliga quasi schon vom Kindergarten an mitbekommt.
Als gebürtigem Dortmunder blieb mir somit (fast) keine Wahl, ich wurde mit der Einschulung quasi automatisch BVB-Fan. Eine Tatsache, die ich nicht bereue. In den letzten ca. 35 Jahren seit meinem ersten Bundesligaspiel im Stadion hatte ich als Fußballfan sehr viel Spaß.
Meine Begeisterung als Fan steigerte sich in der Jugend dabei zunächst so sehr, dass ich nach Niederlagen meiner Borussia irgendwann nicht mehr in die Disco gegangen bin, oder ähnlich spaßbremsende Aktionen für mich selber beschloss, wenn mir eine Niederlage ‚meines‘ BVB mal allzu sehr auf den Magen geschlagen war.
Und obwohl mir der Club vom Borsigplatz in den letzten Jahren immer sehr wichtig war, verspürte ich in mir wirklich niemals den Drang Fans anderer Vereine Gewalt anzutun, oder ähnliche Dinge. Schließlich hatte ich selbst unter meinen besten Freunden schon damals in der Schule immer eine bunte Mischung von Fans verschiedener Teams. Sich gegenseitig bei Niederlagen aufziehen, heftig diskutieren, das gehörte natürlich dazu. Gewalt? Ernsthafte beleidingende Äußerungen? Das kam uns nicht in den Sinn.
Auch wäre ich bisher trotz großer Begeisterung für meinen Club noch nie auf die Idee gekommen im Falle sportlichen Misserfolgs in Tränen auszubrechen, wie ich es im Laufe der Jahre bei anderen Fans mehrfach sah.
Mit fortschreitendem Alter (ich bin jetzt Anfang 40) relativierte sich auch mein ‚Fanatismus‘ zum BVB langsam etwas. Niederlagen sind für mich auch heute noch ein Grund mich gerne mal kräftig aufzuregen, ich lasse mir mein Tagesprogramm bzw. meine Wochenendplanung davon aber nicht mehr beeinflussen, so wie vielleicht noch vor 20 Jahren.
Wenn man erst einmal gemerkt hat das Fußball am Ende auch nur ein großes Geschäft ist, Spieler in der Gegenwart kaum noch Verbundenheit zu ihren Clubs empfinden, und auch der vereinstreueste Spieler irgendwann mal zum direkten Konkurrenten wechseln kann, dann relativiert sich doch vieles. Heute freue ich mich über Erfolge meines Teams, sehe die Sache aber als das was sie wohl auch nur sein sollte: Unterhaltung. Welche Nationalität ein Spieler des BVB dabei hatte und hat, das war und ist mir schon immer ziemlich egal gewesen. Möglichst sympathisch sollte ein Spieler meines Lieblingsclubs sein, einen freundlichen Charakter haben. Wo er her kam, für welche Nationalmannschaft er spielte, das war mir immer schon fast ‚wurscht‘.
Ein großer Fan der deutschen Nationalmannschaft war ich somit nie. Dort spielten immer höchstens 2 oder 3 ‚meiner‘ Lieblinge aus Dortmund. Ich hatte schon immer ein Problem damit plötzlich Spielern die Daumen zu drücken, die ich im ‚Ligaalltag‘ als Konkurrenten meiner Lieblingsmannschaft betrachtet habe.
So war es mir immer irgendwie fremd beispielsweise Oliver Kahn plötzlich zujubeln zu sollen, nachdem er ‚unserem‘ Heiko Herrlich kurz zuvor noch ‚das Ohr abbeißen wollte‘ (die Älteren werden sich noch erinnern), nur weil er ein paar Tage später dann plötzlich den Bundesadler auf der Brust trug, statt des sonst üblichen Bayern-Logos.
Die Nationalmannschaft betrachtete ich somit immer schon eher beiläufig, und längst nicht so emotional wie den Vereinsfußball.
Nun aber zurück zum jüngsten Länderspiel Österreich gegen Deutschland in Wien aus dieser Woche.
Klar, die Rivalität Österreichs zu Deutschland verfolgt mich als interessierten Sportbeobachter auch schon ein paar Jahre. Egal ob Tennis-Daviscup, Fußballländerspiele, oder sonst eine Sportart. Mir ist klar, dass David gegen Goliath immer einen gewissen Reiz hat. Die Rivalität zu Österreich ist altbekannt und im Laufe der letzten Jahrzehnte hat man diesbezüglich schon einiges erlebt. Auch die vergleichbare Konkurrenz/Rivalität zu unseren niederländischen Nachbarn kennt man.
Was ich nun am Dienstag im TV sah, dass ließ mich aber vor der Mattscheibe aber schon staunen. Schnell war es vorbei mit meiner eher gemütlichen Stimmung vor dem Bildschirm.
Ausgerechnet während der laufenden Aktion ‚Fair Play‘ der Fifa stimmten die versammelten Fans des Nachbarlandes schon während der Nationalhymne ein gigantisches Pfeifkonzert an, sangen während der Begegnung im Ernst-Happel-Stadion minutenlang anti-deutsche Gesänge und bejubelten lautstark Foulspiele an Gegnern, wie ich es so schon lange nicht mehr erlebt hatte. Da nützt offenbar keine der Fair-Play-Aktionen irgendetwas. Erschreckend!
Und selbst ich, der ich eigentlich so gar nicht nationalistisch eingestellt bin, habe im Laufe des Spiels mehr und mehr ‚den Deutschen‘ die Daumen gedrückt, weil mir diese aggressive Grundstimmung im Stadion so sehr missfiel. Mein Blutdruck stieg auffällig, aufgrund dieser aufgeheizten Atmosphäre in der Arena, die selbst der Stadionsprecher vor Ort durch lautstarke Gesangsaufforderungen weiter mit anfachte.
Ich war über mich selber etwas erschrocken, weil ich sonst bei Länderspielen eigentlich eher die Spieler entspannt beobachte, welche mir aus der Bundesliga schon bekannt sind. Und da hatten am Dienstag die Österreicher ja quasi genauso viele Aktive zu bieten, wie die Vertretung des DFB. Bei diesen Anlässen sehe ich schöne Aktionen von mir sympathischen Spielern immer gerne, egal für welche Nationalmannschaft sie spielen.
Aber nachdem die Österreicher im Stadion die Stimmung so sehr gepuscht hatten, wollte ich dann doch mehr als sonst, dass Deutschland am Ende möglichst gewinnt. Diese negative Stimmung sollte nicht auch noch mit sportlichem Erfolg belohnt werden. Und das hat ja auch geklappt.
Gut, dass diese völlig unnötig aggressive und fast schon feindselige Stimmung, die viele Fans dort verbreitet haben, am Ende nicht auch zu sportlichem Erfolg geführt hat.
Zu hoffen bleibt, aus meiner Sicht, dass die Fans hierzulande es deutlich besser machen, wenn es in Kürze zum Rückspiel kommt.
Wie wiedersinnig dieser ‚Hass‘ in den Stadien, gerade auch bei Länderspielen, aber ist, das zeigt ein Blick in die hiesige Bundesliga: Denn schließlich wird in der deutschen Eliteliga am Wochenende bestimmt wieder kräftig gefeiert, wenn ein Österreicher für sein deutsches Ligateam Tore erzielt, oder den sportlichen Sieg durch eine geglückte Rettungstat sicherstellt.
Und sollten zukünftig irgendwann einmal ausschließlich Österreicher beim BVB, oder auch bei Schalke 04 spielen, die Masse der Fans dieses Team würde eine Meisterschaft selbstverständlich lautstark bejubeln.
Vereinsfans ist es doch, das ist meine Beobachtung, in der Regel ganz egal aus welcher Nationalmannschaft die beteiligten Spieler einer Meistermannschaft ihres Clubs stammen. Das ist garantiert auch in Österreich umgekehrt nicht anders. Warum dann also, liebe Österreicher, bei einem Länderspiel so heftig gegen ein Team pfeifen? Wenn ein ‚Piefke‘ demnächst Euer Team zum Österreichischen Meister macht, dann jubelt Ihr ihm doch bestimmt auch wieder kräftig zu, oder?