Gasheizungen verlieren Marktanteile. Öko auf dem Vormarsch

Das sind Holzpellets Foto: Flickr.com/thingermejig

Jeder Wohnung braucht eine Heizung. Jahrelang war Öl Marktführer. Doch heute spielen die Flüssigbrenner kaum noch eine Rolle bei Neubauten. Und jetzt geht es auch der anderen fossilen Quelle an den Kragen. Seit vier Jahren geht der Marktanteil der Gasheizungen in Neubauten zurück. Mittlerweile um über 15 Prozent – und da war noch nicht die Rede vom Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. An die Stelle der traditionellen Wärmebringer treten Ökoenergien: Erdwärme, Pellets, Holz und Solarthermie. Hand aufs Herz – wer kennt einen Bauherrn, der nicht dran denkt, sich eine alternative Heizung zu kaufen?

Robert Bloos aus dem Dorf Maicha bei Gunzenhausen in Mittelfranken ist ein Baum von einem Mann. Groß, kräftig mit harten Händen. Robert Bloos kann anpacken. Der frühere LKW-Fahrer baut Heizungen für Holzschnipsel oder Biomasse. Seine erste Anlage hat er 1982 selbst zusammen geschmiedet. Seine Werkstatt war damals vielleicht 10 Quadratmeter groß. „Ich hab mir die Anlage gebaut, weil ich weg wollte vom Öl“, sagt Bloos. Den Treibstoff für seine Heizung sieht der Macher überall herumliegen. „Im Wald verrottet Holz. Das kann man doch verbrennen.“

Unabhängigkeit, das war die Idee des Franken. Und diese Idee war gut. Denn immer mehr Menschen wollen sich unabhängig machen, wenn sie ihre Wohnungen heizen. Ob Pellets, Holzschnipsel, Wärmepumpen oder Sonnenheizungen. Hauptsache weg vom Preischaos im Öl- und Gasgeschäft und von den Pipelines nach Russland. Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben, bis ins Jahr 2020 rund 15 Prozent der deutschen Haushalte in die energetische Freiheit zu entlassen. Bereits jetzt wollen immer weniger Menschen einen Gasanschluss, wenn sie ein Haus errichten. Nach Daten des Bundesamtes für Statistik, die mir vorab vorliegen, fiel der Marktanteil für Gasanschlüsse in Neubauten innerhalb von nur vier Jahren von 75 Prozent auf unter 60. Gleichzeitig stieg der Anteil der Öko-Heizer von unter 5 auf über 26 Prozent.

Der positive Nebeneffekt: Die Umwelt wird geschont, denn die neue Energie ist Kohlendioxidneutral. Es wird nicht mehr Klimagas ausgestoßen, als beim Wachsen der Pflanzen vernichtet wird. Für Robert Bloos hat sich der Einsatz bereits jetzt gelohnt. Unter dem Namen „Heizomat“ verkauft er seine Schnipselbrenner in alle Welt. Er liefert nach Neuseeland, nach Russland, nach Österreich und Oberbayern. Im vergangenen Jahr setzte seine Firma 38 Mio Euro um. Über 200 Mann finden bei Bloos Arbeit. Tendenz steigend.

Gerade bei Neubauten kann man beobachten, wie stark der Zug zum unabhängigen Heizen mittlerweile geworden ist. Verena Gorris vom Bundesverband Wärmepumpen berichtet, dass je nach Region bis zu 45 Prozent der Neubauten mit Wärmepumpen ausgerüstet werden. Zum Beispiel in Thüringen. „Da sind wir nur noch einen Prozentpunkt hinter den Gasanschlüssen.“ Das besondere bei Wärmepumpen ist ihre Haltbarkeit. In geschlossenen Kreisläufen wird der Temperaturunterschied zwischen der Heizung und der Umwelt ausgenutzt, um Energie zu gewinnen. Einmal installiert muss über Jahrzehnte kein Geld in die Anlagen gesteckt werden.

Doch bei aller Begeisterung für die Energiesauger sind diese nicht völlig unabhängig. Wärmepumpen brauchen Strom, um das Wasser durch die Leitungen der Anlagen zu pressen. Diese Energie stammt aus Kohle- oder Atomkraftwerken. Doch auch hier verteidigt Gorris ihre Heizungen. Man ziehe etwa zweieinhalbmal mehr Energie aus der Pumpe als man hineinstecke.

Aber nicht nur die Wärmepumpen boomen. Auch Holzpellet-Heizungen spüren den Schub. „Wenn die Leute heute noch Geld ausgeben, dann stecken Sie das in ihr eigenes Heim. Davon profitieren wir – auch in der Krise“, sagt Martin Bentele vom Deutschen Energie-Pellet-Verband. Selbst Preisschwankungen für die Pellets können den Aufschwung bislang nicht bremsen. „Die Leute sind bereit für ihre Unabhängigkeit zu bezahlen.“ Den Brennstoff kann man bei verschiedenen Händlern kaufen, ohne von Konzernen abhängig zu sein. „Hier funktioniert der Markt noch“, meint Bentele.

Eine Einschätzung, die der Bundesindustrieverband Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) teilt. Tatsache sei, dass sich die Struktur im Heizungsmarkt ändere, sagt Andreas Lücke vom Verband. Selbst bei solarthermischen Anlagen, die Sonnenlicht in Wärme verwandeln, sei der Boom zu spüren. Als Ergänzung zu konventionellen Heizungen oder zu den alternativen Energieformen seien im vergangenen Jahr rund 210.000 Anlagen installiert worden. Das bedeutet, nahezu jeder dritte Heizkessel, der in Deutschland neu eingebaut wurde, bekommt Unterstützung vom Solardach. „Das ist eine gigantische Menge“, sagt Lücke.

Als Ursache für den Boom macht Lücke die hohen Preise für Gas und Öl aus und die im Verhältnis dazu berechenbaren Umrüstkosten der Altheizungen. „Die Leute sind bereit richtig tief in die Taschen zu greifen, um sich möglichst unabhängig zu machen.“

Zumal die staatlichen Anreize groß sind. Über Förderprogramme bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder der Bundesanstalt für Wirtschaft (BAFA) kann jeder bis zu 15 Prozent seiner Kosten erstattet bekommen. Das ist mehr als die Abwrackprämie für Autos. „Die Leute akzeptieren das“, sagt Lücke. Eine Forsa-Umfrage fand Anfang des Jahres heraus, dass in den kommenden fünf Jahren über 20 Prozent der Hausbesitzer ihre Wohnungen auf Ökowärme umstellen wollen.

Ein weiterer Grund für die Bereitschaft Geld zu investieren liegt nach Ansicht des Pelletverbandes im Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland. „Das ist ein Marketing, das wir gar nicht bezahlen können“, sagt Pellet-Lobbyist Bentele.

Egal ob begründet oder nicht. Die großen Energiekonzerne fangen an, die alternativen Energien zu spüren. Zumal seit Anfang des Jahres ein Gesetz gilt, nach dem bei Neubauten ein Teil der Energie aus Erneuerbaren Quellen kommen muss.

Vor allem die Gasversorger sehen ihre Felle wegschwimmen, wenn immer mehr Neubauten ohne Gasanschluss auskommen. Vor kurzem beklagte der Vertriebsvorstand des Branchenführers E.on Ruhrgas, Henning Deters, öffentlich, das Gas an Bedeutung verliert. „Klimaschutz ist nicht gleichbedeutend mit erneuerbaren Energien.“ Und weiter forderte Deters: „Die Benachteiligung von Erdgas im Hauptabsatzmarkt, dem Wärmemarkt, muss ein Ende haben.“ Wie genau sich diese Benachteiligung bemerkbar macht, wollte Deters nicht sagen. Aber seine Worte machen klar, dass der Rückgang drastisch ist. Vor ein paar Jahren waren die alternativen Energien im Wärmemarkt kaum statistisch nachweisbar – heute wachsen sie dynamisch, während die Gasanschlüsse einbrechen.

Wie drastisch die Tendenz teilweise ist, kann man beim Regionalversorger Gelsenwasser im Ruhrgebiet beobachten. Innerhalb von nur vier Jahren sank hier die Zahl der Gasneuanschlüsse um mehr als 60 Prozent auf 800. Zum Teil sei dies auf die Flaute im Häuserbau zurückzuführen, sagte Gelsenwasservorstand Manfred Scholle. Aber eben auch auf neue Heizungsformen.

E.on-Vorstand Deters fordert die Bundesregierung auf deshalb, die „richtigen Rahmenbedingungen“ zu setzen, damit auch Gasanschlüsse in Zukunft weiter attraktiv bleiben. Denn Erdgas sei immer noch wirtschaftlich besser und sicherer als Ökopower.

Der fränkische Heizungsbauer Robert Bloos kann das nicht nachvollziehen. Er hat gerade eine neue Fertigungshalle auf einem aufgegebenen Truppenübungsplatz eröffnet. Er will Heizungen bauen, die auch Strom erzeugen können. Seine größte Anlage hat bereits jetzt eine Energieausbeute von drei Megawatt. Damit kann ein kleines Dorf versorgt werden. Gerade im ländlichen Raum könne die Heizung und Stromversorgung mit den vorhandenen Materialien sichergestellt werden, sagt Bloss und macht eine Rechnung auf. Ein Hektar Raps gibt sechs Tonnen Rapstroh. Wenn man das verbrennt, kann man die Asche als Dünger nutzen und spart noch über 2000 Kubikmeter Gas ein. Das entspricht dem Jahresverbrauch einer 4-köpfigen Familie. „Warum sollen wir abhängig bleiben? Wir versorgen uns selbst“, sagt Bloos. Das sei der richtige Weg in die Zukunft.

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Thomas Freding
Thomas Freding
15 Jahre zuvor

Da kommen eine Menge „Pluspunkte“ für Pelletheizungen & Co zusammen; das stellt der Artikel kurz und knapp dar. Gleichzeitig ist er ausgesprochen einseitig, denn er verschweigt ein paar gravierende Nachteile.

Wie im Text erwähnt, gibt es für Holzpellets einen Markt. Der Preis auf diesem Markt ist durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Und wenn die Pelletheizungen weiter so stark zulegen, dann wächst entsprechend die Nachfrage, während das Angebot nicht gleichartig mitwächst. Wer wagt eine Preisprognose für den Brennstoff?

Holzfeuerungsanlagen „spucken“ leider wesentlich mehr Feinstäube in die Luft als Gasheizungen. Wird es zu einer Verschärfung der Richtlinien kommen? Werden „Pelletheizer“ gezwungen werden entsprechende Filter einzubauen?

Zum Thema Erdwärmepumpen gehören auch die Bedenken der „Wasserschützer“, die sich um die Störung der Grundwasserhorizonte und die Risiken durch austretende Wärmetauscherflüssigkeiten sorgenvolle Gedanken machen.

Diese und andere „Minuspunkte“ sollten mit ins Kalkül gezogen werden, d.h. sorgfältig mit bedacht werden. Sie sollen nicht dazu führen, den Weg in Richtung mehr Unabhängigkeit von ausländischen Primärbrennstoffen zu senken!

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