Ein frisches, kühles Fiege-Pils, eine Currywurst und ein entspannter oder auch aufregender Abend im Bermuda3Eck – für viele Bochumerinnen und Bochumer gibt es kaum Besseres. In normalen Zeiten wird das Treiben in Bochums Kneipenviertel gerne mit einem Augenzwinkern mit dem Ballermann verglichen. Als es aber im März diesen Jahres zum Lockdown kam, war von Normalität nichts mehr zu spüren – weder für Bochumerinnen und Bochumer, die ausgehen wollten noch für Gastronomen, Kino- und Clubbetreiber. Nur langsam wurden die Maßnahmen – unter Beachtung strenger Hygieneauflagen – gelockert. Unser Gastautor Olaf in der Beek ist Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der FDP Bochum.
Gespräche mit Betroffenen eröffnen einen ernüchternden Blick auf die harten Zahlen und Fakten. Die Unternehmen im Bewirtungs- und Beherbergungsgewerbe gehen auf dem Zahnfleisch.
Nicht nur machen sich die vielen Wochen, in denen überhaupt kein Umsatz erzielt werden konnte bemerkbar, auch nach den Wiedereröffnungen schlagen geringere Belegungen und die aufwendige Einhaltung der Hygienemaßnahmen zu Buche. Eine zeitnahe Rückkehr zu einer irgendwie gearteten Normalität steht in den Sternen. Ohne Zweifel ist hier die Politik gefragt, die ein passgenaues Ineinandergreifen aller Ebenen vorantreiben muss. Weder kann eine Kommune allein die gebeutelten Betriebe retten noch kann der Bund oder das Land mit der einen zentralen Maßnahme die Ausgehkultur wieder in sicheres Fahrwasser steuern.
Die Soforthilfen der NRW-Koalition aus CDU und FDP haben unkompliziert und schnell geholfen und dort angesetzt, wo die Maßnahmen des Bundes nicht ausreichend waren. Gleichzeitig kann das nur ein Anfang gewesen sein. In Bochum soll nun die Vergnügungssteuer bis Ende 2021 ausgesetzt werden. Dieser Schritt ist richtig, geht aber noch nicht weit genug – insbesondere dann nicht, wenn man den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus nach Dortmund wagt. Dort soll die Vergnügungssteuer nämlich bis 2025 ausgesetzt werden. Die Stadt Bochum sollte hier einen Schritt weiter gehen und die Vergnügungssteuer komplett abschaffen. Sie ist nicht nur eine unnötige Bagatellsteuer, in diesem Zusammenhang schafft sie auch einen waschechten Standortnachteil für unsere Stadt. Bochumer Betriebe sollten dieses Geld lieber investieren oder zum Bedienen von Verbindlichkeiten nutzen können, als es an die Stadt abführen zu müssen.
Besonders Clubs und Diskotheken haben aktuell kaum Chancen, Umsätze zu generieren. Betreibern, die in dieser schwierigen Zeit kreative Lösungen entwickelt haben, sollten dabei nicht unnötig Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie beispielsweise die Möglichkeit des Tanzens in ein sinnvolles Hygienekonzept integrieren können. Auch mit Blick auf die Clublandschaft besteht die Gefahr, dass sich ein Abschmelzen der Szene durch Insolvenzen negativ auf die Gastronomie in Bochum insgesamt auswirkt.
Die von der Koalition im Bund beschlossene Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes im Gegensatz zu den kreativen Ideen vieler Gastronome sind jedoch lediglich der Versuch, den wirtschaftlichen Einbruch auf die Zeiten nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr zu vertagen. Das ist nicht nur unehrliche Wahlkampftaktik sondern schafft Zombieunternehmen, die bei bis dahin gesunden Unternehmen eine Kettenreaktion auslösen können: beliefert ein eigentlich gesundes Unternehmen ein Unternehmen, das eigentlich längst insolvent ist und Verbindlichkeiten nicht begleichen kann, so wird auch das gesunde Unternehmen mit in den Abgrund gerissen. Das zerstört nicht nur das in der Wirtschaft so wichtige vertrauen, sondern womöglich weitaus mehr Arbeitsplätze als durch eine ehrliche Politik. Ehrlich wären zinslose Steuerstundungen, weil sich die heute für Unternehmen anfallenden Vorauszahlungen noch auf die sehr erfolgreichen Jahre 2017 und 2018 beziehen. Da sich aber schon jetzt abzeichnet, dass Steuerstundungen, also der Verzicht auf Steuervorauszahlungen, nicht ausreichen werden, um die Liquidität der betroffenen Unternehmen sicherzustellen, braucht es weitergehende Maßnahmen. Ein verlängertes Steuerjahr wäre eine solche. Eine weitere bestünde in der Verlängerung der Herabsetzung der Mehrwertsteuer auf dauerhaft 7 % für die Gastronomie, um besser durch die Krise zu kommen. Abschließend soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags nicht zuletzt auch für gastronomische Einzelunternehmen eine dringend benötigte Entlastung darstellen würde, die dabei helfen kann, in der Krise aufgenommene KfW-Darlehen zurückzahlen zu können.
Der Weg aus der Corona-Krise ist hart und unbequem. Aber wir wollen ihn gemeinsam gehen, denn: Es ist auch Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen und damit Bochums Ausgehkultur zu erhalten und ihr durch die Krise zu helfen. Die Branche selbst – davon konnte ich mich in vielen persönlichen Gesprächen überzeugen – ist mehr als Willens, dabei kreativ und engagiert mitzuwirken. Hier ist noch lange nicht Schicht im Schacht.
Alles richtig, aber ein paar Punkte doch vergessen.
Nach dem Bayern-Debakel wäre es zuallerst mal sehr nötig, klare gesetzliche Regelungen zu erlassen, die ein "Mitnutzen" durch die Polizei der in Restaurants etc. hinterlegten Namen und Adressen absolut verbieten. Da hat man den Verschwörungstheoretikern blank in die Karten gespielt, hatten diese ua davor gewarnt, die Daten würden am Ende anderweitig missbraucht werden. Keine Glanzleistung.
Und dann fehlt mir doch ein wenig die Betrachtung der Langfristigkeit: wie Prof Streeck zuletzt sagte, müßen wir lernen, mit dem Virus zu leben und aufhören, auf die bloßen Infektionszahlen zu gucken wie das Kaninchen auf die Schlange. Auch halte ich den Ansatz für falsch, alles mit Blick auf einen Impfstoff zu organisieren und bis dahin Ausnahmemodus zu spielen (Herr Streeck hat es ähnlich formuliert). Für viele virale Krankheiten haben wir bis heute keinen Impfstoff (HIV, Dengue etc.), obwohl daran teilweise seit Jahrzehnten geforscht wird und Milliarden darin investiert wurden und weiterhin werden. Wir sollten hier langsam doch mehr Mut aufbringen und viele Maßnahmen neu bewerten und auch deutlich besser abwägen gegen die möglichen Schäden, die sie verursachen könnten (das wurde bisher ziemlich wenig bis gar nicht gemacht, jedenfalls nicht öffentlich nachvollziehbar; ein "es werden sonst sehr viele Menschen sterben" kann nicht als Argument gegen alles gelten, wiefern die Wahrscheinlichkeit zu prüfen ist, ob das auch so stimmt – genug Erkenntnisse liegen ja inzwischen vor). Wir werden es kaum schaffen, noch ein weiteres Jahr oder noch länger die gesamte Gastro-, Hotel- und Kulturbranche in einer Art "höchstens 1/3 der maximal möglichen Auslastung und Belegung"-Modus zu fahren. Das kann sich niemand in diesen Branchen leisten und das alles staatlich quer zu finanzieren wird ebenfalls nicht möglich sein, wiefern wie die ganzen dafür zu machenden Schulden unseren Kindern hinterlassen. Der Staat muß nicht nur Leben und Gesundheit seiner Bürger bestmöglich schützen, sondern auch deren Lebens- und Existenzgrundlagen. Dazu zählt auch die Gesundheit, aber eben nicht alleine.
Das Virus scheint deutlich weniger gefährlich, als wir am Anfang alle zu recht annehmen mußten. Ungefährlich ist es sicherlich nicht, das kann man kaum behaupten, aber es ist nicht der "Mega-Killer-Virus", der zu einer Million Toten führt allein in Deutschland. Das mag zum Teil auch an den Maßnahmen liegen (allein, darüber eine valide Aussage zu machen ist schwierig), zum Teil aber auch sicherlich daran, daß wir es am Anfang berechtigter Weise für schlimmer gehalten haben, als es vielleicht tatsächlich ist. Da wir inzwischen aber über einen veritablen wirtschaftlichen Schaden reden müßen (und sinkender Wohlstand heißt bekannter Weise sinkende Lebenserwartung), sollten wir doch langsam darüber diskutieren, wie wir wieder in normale Fahrwasser kommen können. Das scheint mir auch verfassungsrechtlich geboten. Daß wir im März einen Lockdown hatten, war dort angesichts der Kenntnislage gerechtfertigt. Inzwischen wissen wir aber deutlich mehr und müßen somit die Lage neu bewerten (vielleicht unter Hinzuziehung von etwas mehr Expertise als nur die des RKI; es fehlt an ökonomischer/volkswirtschaftlicher Expertise ebenso wie an sozialpsychologischer/soziologischer; dies finde ich bei der Strategie der Bundesregierung und der Landesregierungen wirklich merkwürdig: während man sonst nirgends zu viel Scham hat, Heere von externen Beratern zu engagieren (siehe Scheuer, VdL), verläßt man sich beim größten Eingriff in die Grundrechte und die Wirtschaft seit Existenz der BRD auf eine einzige Bundesbehörde. Das ist entweder sehr nachlässig oder aber sehr unklug).
Wir warten seit Wochen darauf, dass bei unserer Wohnungstür eine Tür- und Lippendichtung erneuert wird (ja, die Dinger heißen so …). Die Firma hat schon oft für uns gearbeitet und erklärte uns, dass es dieses Mal Wochen dauern könnte, bis die Mitarbeiter kämen. Viele Kunden hätten nicht vor zu verreisen, sie lassen neue Fenster einbauen, Türen richten und wollten Markisen für Balkone, Terrassen. Auf diese Markisen müssten sie allerdings zwei Monate oder länger warten, weil… Nun ja, Herr in der Beek, der Markt halt … Geld, das man für eine Reise, für Gastronomie, für modische Kleidung (wann soll man die anziehen, wenn man nicht ins Restaurant geht, wenn die Hochzeitsfeier verschoben wurde usw. usw.) ausgegeben hätte, stand für Renovierungen, Reparaturen und – ja, die Markisen – zur Verfügung. Der Sommer ist um, die Leute bekommen die Markisen halt nun im Herbst …
Verreist man wieder, gibt man sein Geld für soundsoviel Biere, Curry-Wurst, Cocktails usw. aus, dann klingelt dort die Kasse und in dem Betrieb dessen Mitarbeiter wir so sehnlich erwarten, werden weniger Überstunden gemacht. Der Markt …
Wenn Steuererleichterungen, finanzielle Unterstützung usw. für die Gastronomie, dann auch für Geschäfte, die modische Kleidung verkaufen und in die Röhre kucken, weil die Kunden im home office sitzen, ihre alten Jeans und Sweatshirts tragen? Auch Hilfen für Parkhäuser in Innenstädten, die weniger genutzt wurden? Fragen über Fragen …