Sie wollten nicht mehr in Turnhallen hausen – dagegen haben im März und April geflüchtete Menschen lang vor dem Bochumer Rathaus protestiert. Am vergangenen Dienstag sollten einige von ihnen umziehen, in eine Zeltstadt mitten im Nirgendwo. Nachdem die Stadt vor Wochen gemachte Zusagen nicht einhält, setzt sie nun auf Repression. Spätestens jetzt ist klar: Sie hat die Menschen – hart gesagt – schlicht verarscht. Ein Kommentar.
Am Dienstag sollten Geflüchtete, die zum Teil seit Monaten in der Turnhalle Querenburger Straße untergebracht sind, umgesiedelt werden – in eine Zeltanlage in der Kollegstraße, mitten im Nirgendwo zwischen Hochschule und Kemnader See. Etwa 70 Menschen wehrten sich gegen den unfreiwilligen Umzug, protestierten vor der Unterkunft. Nach Angaben von UnterstützerInnen drohte die Stadt Bochum damit, den Menschen sämtliche Leistungen zu streichen und den Protest gewaltsam räumen zu lassen.
Der Protest – ein Nachspiel des Protestcamps von Geflüchteten vor dem Bochumer Rathaus vor zwei Monaten – zeigt dreierlei. Erstens: Die Unterbringungszustände für geflüchtete Menschen in Bochum sind nach wie vor unhaltbar. Zweitens: Die Stadt hat keinerlei Interesse daran, das zu ändern. Und drittens: Sie demonstriert jetzt in administrativer Kälte, wer am längeren Hebel sitzt.
Zwei Wochen lang hatten Ende März Menschen, die – stellvertretend für damals mehr als 1000 Geflüchtete in Bochum – in Turnhallen untergebracht waren, gegen die unwürdigen Zustände und die Untätigkeit der Stadt protestiert. Zwei Monate hatte die Stadt Zeit, die zugesagten Verbesserungen bei der Wohnungssuche, beim Angebot von Beschäftigungsmöglichkeiten und der langfristigen Verbesserung der Lebenssituation der in Bochum Angekommenen umzusetzen. Passiert ist offenbar kaum etwas. Es seien erst rund 2000 Geflüchtete in eigenen Wohnungen untergebracht, hatte Stadtdirektor Michael Townsend nach WAZ-Berichten den Protestierenden am Dienstag gesagt – so viele waren es schon im April. Man wolle sich jetzt um Beschäftigungsmöglichkeiten kümmern, hatte die Stabstelle Operative Flüchtlingsarbeit in einem der regelmäßigen Gespräche, die es seit dem Protestcamp gab, zugesagt. Das sollte schon seit acht Wochen passieren. Die einzige Zusage aus dem April, die anscheinend gehalten wird, ist die schnellere Bearbeitung der Asylanträge in einer neuen Außenstelle des BAMF. Damit aber hat die Stadt Bochum nicht wirklich etwas zu tun.
Stattdessen setzt die Verwaltung auf Repression. Die Ankündigung aus der letzten Woche, überprüfen zu wollen, ob sich Geflüchtete auch an dem Ort aufhalten, an dem sie gemeldet sind, und die, die das nicht tun, gegebenenfalls finanziell zu sanktionieren, ist ein Teil der Strategie, die offene Drohung, den jetzt an der Hans-Böckler-Schule Protestierenden die Leistungen zu streichen und die Turnhalle gewaltsam räumen zu lassen, sollten sie sich der Umsiedlung nicht beugen, ein weiterer. Dazu gehört auch, dass die Stadt nach Gutdünken entscheidet, mit wem sie kommuniziert und mit wem nicht. Mehrere Presseanfragen zur Unterbringung von Geflüchteten in der Stadt blieben, entgegen der gesetzlichen Auskunftspflicht, auf mehrfache Nachfrage wochenlang ohne jede Reaktion.
Die vollmundigen „Zugeständnisse“ – W-LAN im Zelt-Lager und ein Shuttle-Service – sieht die Stadt offenbar als großzügiges Entgegenkommen. Tatsächlich sind sie ein schlechter Witz. Sie sollten eine Selbstverständlichkeit sein, wenn eine Sammelunterkunft mitten ins Nirgendwo gestellt wird. Nie mehr als das Allernötigste zu gewähren, legitime Forderungen herunterzuspielen und Störende auszuhungern, das scheint hier das leitende Motiv zu sein. Um so sehr einzuschüchtern, dass sich keine Nachahmer finden. Und um klar zu machen, dass sich die Stadt Störungen nicht gefallen lässt.
Die Protestierenden werden noch einige Tage in der Turnhalle bleiben. Reinigung, Verpflegung und Betreuung durch Sozialarbeiter werden, so sagen UnterstützerInnen, eingestellt. Es bleibt abzuwarten, wie lange dieser Zustand anhält. Und was die Stadt sich dann einfallen lässt.
[…] Geflüchtete in Bochum: Am längeren Hebel “Sie wollten nicht mehr in Turnhallen hausen – dagegen haben im März und April geflüchtete Menschen lang vor dem Bochumer Rathaus protestiert. Am vergangenen Dienstag sollten einige von ihnen umziehen, in eine Zeltstadt mitten im Nirgendwo. Nachdem die Stadt vor Wochen gemachte Zusagen nicht einhält, setzt sie nun auf Repression. Spätestens jetzt ist klar: Sie hat die Menschen – hart gesagt – schlicht verarscht. (…) Die vollmundigen „Zugeständnisse“ – W-LAN im Zelt-Lager und ein Shuttle-Service – sieht die Stadt offenbar als großzügiges Entgegenkommen. Tatsächlich sind sie ein schlechter Witz. Sie sollten eine Selbstverständlichkeit sein, wenn eine Sammelunterkunft mitten ins Nirgendwo gestellt wird. Nie mehr als das Allernötigste zu gewähren, legitime Forderungen herunterzuspielen und Störende auszuhungern, das scheint hier das leitende Motiv zu sein. Um so sehr einzuschüchtern, dass sich keine Nachahmer finden. Und um klar zu machen, dass sich die Stadt Störungen nicht gefallen lässt…” Artikel von Alexandra Gehrhardt vom 2. Juni 2016 bei den Ruhrbaronen […]