Am 14. August 2024 veröffentlichte die Gruppe „Dissens Duisburg“ auf Instagram ihre Gründungserklärung: Man möchte Solidarität mit Israel zeigen. Gerade in Zeiten, in denen die antisemitische Internationale aus linken und islamistischen Kräften vereint gegen den jüdischen Staat agiert.
Dissens möchte in Duisburg ein Gegenangebot schaffen: Für Menschen, die über den zunehmenden Antisemitismus besorgt sind und sich solidarisch mit Israel zeigen. Das aktuell an sieben Fronten gleichzeitig gegen seine Vernichtung kämpft.
Vorgestern traf ich mich mit den Aktivisten, die mir teilweise von den bisherigen Pro-Israel-Demonstrationen im Oktober und Mai bekannt und vom Israeltag im Juni bekannt sind.
Dissens Duisburg
Das Epizentrum von Duisburg: Durch diese Stadt verliefen im letzten Jahr die von der (inzwischen verbotenen) „Palästina Solidarität Duisburg“ veranstalteten Hass-Demonstrationen. Teilweise mit positiver Resonanz in der Nachbarschaft. Hier, quasi auf feindlichem Gebiet, trafen sich am Donnerstag rund ein dutzend Aktivisten der neu gegründeten Gruppe „Dissens Duisburg“.
Die Ruhrbarone hatten ein paar Fragen.
Ruhrbarone: Ich bin heute bei Dissens Duisburg, danke für die Einladung. Was macht ihr genau?
Dissens: Wir haben uns, entsprechend unseres Selbstverständnisses, was wir auch bereits online haben, vor einiger Zeit zusammengefunden, um uns vor allen Dingen auf die Entwicklungen, die seit dem 7. Oktober 2023 im Gange sind, auseinanderzusetzen. Auch um entsprechend darauf zu reagieren, was vor allen Dingen seitdem gerade auch in Duisburg passiert ist.
Ruhrbarone: Wie habt ihr euch gefunden?
Dissens: Wir haben uns bei verschiedenen Demonstrationen getroffen und fanden dann alle irgendwie, dass das sehr mau aussah. Gerade der Rückhalt aus der linken Szene.
Ruhrbarone: Ihr meint jetzt die Gegendemos zu den früheren Aufmärschen der inzwischen verbotenen Palästina Solidarität Duisburg?
Dissens: Genau, da war eigentlich nicht viel los. Die Gegendemo zur Palästina-Demo am 9. Oktober 2023, da waren etwa 50 Leute spontan vor Ort. Das war für mich nachvollziehbar. Aber die Demo am 28. Oktober am Hauptbahnhof damals, da waren wir 25 Teilnehmer. Für mich war das einmal erschreckend, was aus der Linken geworden ist. Weil ich kenne das anders und es wurde mir klar: Die paar Leute, die man da hat: Da müssen wir aufeinander aufpassen.
Ruhrbarone: Die verbotene „Palästina Solidarität Duisburg“ sprach immer vom „Zionistenkiez Duisburg“…
Dissens: Im Allgemeinen in Duisburg ist, glaube ich eher, der Zustand, dass Antizionismus in allen Bevölkerungsschichten am Start ist. Die Unibesetzung ist ja auch so ein Thema. Da gab es auch kaum Protest gegen diese Unibesetzung auch von einschlägig bekannten Gruppen, unter anderem Palästina Solidarität dabei. Das steht ja auch in unserem Statement, dass wir dem antizionistischem Furor an den Universitäten etwas entgegen setzen wollen und dementsprechend auch außerhalb der klassisch-linken Bubble agieren möchten.
Ruhrbarone: Welche Resonanz folgte auf eure Gründung?
Dissens: Die Resonanz war gut. Positives Feedback bekommen auch von vielen Gruppen. Wir haben jetzt sogar aus Ostdeutschland irgendwie mal ein Like bekommen und so, von Menschen die auch ähnlich aufgestellt sind und auch in Gruppen aus NRW kam unser Schritt eigentlich ganz gut an. 80 % positiv, 20 % Beleidigung. Uns ist klar, dass jetzt nicht der Rückhalt von vor Ort ist, sondern dass das ähnlich denkenden Menschen sind von woanders her. Aber schon den einen oder anderen, der sagt „Boah gut, cool, dass es in Duisburg doch nochmal irgendwas gibt und dieser Hoffnungsschimmer gibt ja doch noch ein paar, die nicht verstrahlt sind.“ Das konnte man da auch rauslesen.
Ruhrbarone: Was wollt ihr langfristig vor Ort erreichen?
Dissens: Ich glaube, es ist erstmal die Feststellung, dass da immer eine Stimme fehlt in der emanzipatorischen Perspektive. Natürlich ist das Thema, was offensichtlich ganz oben auf der Liste steht, Antisemitismus. Das wollen wir erstmal zum Thema machen, ihn benennen und halt auch bekämpfen im Endeffekt.
Wir machen uns relativ wenig Illusionen darüber, was überhaupt vor Ort möglich ist, nämlich nicht viel. Also man wird weder diesen Kiez hier verändern, noch wird man die Linke, in beiden teilen irgendwie, ins Boot holen können.
Aber was man halt machen kann und muss, aus unserer Sicht, ist halt, es zumindest versuchen. Also einerseits durch durch Aufklärung da, wo es möglich ist und andererseits durch Intervention da, wo es nötig ist.
Und was dabei rauskommt und wie erfolgreich das wird, das können wir halt zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht sagen. Also weil wir also wirklich jetzt noch in der Gründungsphase sind und jetzt langsam erst damit beginnen, überhaupt konkrete Dinge zu planen und wie die dann laufen, da können wir dann beim nächsten mal drüber reden. Sobald was gelaufen ist.
Ruhrbarone: Die Anti-Terroraktion in Gaza läuft fast seit einem Jahr und geht weiter. Wie wirkt sich das aktuell vor Ort aus?
Dissens: Also global habe ich den Eindruck, dass das Momentum dieser ganz krassen Anti-Israel-Proteste so ein bisschen weg ist. Also nicht völlig weg, aber dadurch, dass es halt so vor sich hin plätschert, dadurch ist das Mobilisierungspotenzial so ein kleines bisschen gesunken. Weil die Leute vielleicht auch keinen Bock haben, zwei Jahre in einem Uni-Camp zu wohnen.
Was so die Perspektiven der Antizionisten sind, ich habe keine Ahnung, wie sie sich das vorstellen. Also ob sie wirklich meinen, dass das Ding für die Hamas zu gewinnen ist.
Ich glaube, das interessiert die auch alle gar nicht. Also die schreien halt um, wenn dies halt irgendwas macht und irgendwie. Aber von dieser Seite gibt es ja keine Lösungsvorschläge. Also das ist ja einfach komplett… …ich möchte jetzt nicht mit pathologischen Begriffen um mich werfen, aber es hat wenig Hand und Fuß in irgendeiner Hinsicht. Ob sie sich erhoffen, dass dann man irgendwie Israel rückgängig machen kann? Das scheint ja irgendwie so zu sein.
Gründungserklärung von Dissens auf Instagram
Ruhrbarone: Was ist, falls die Anti-Israel-Proteste in Duisburg wieder eskalieren, geplant?
Dissens: Also wir haben jetzt noch keinen Zehn-Punkte-Plan oder so. Mal schauen, wann wir mal eine Veranstaltung machen oder eine Analyse schreiben. Wir wollten schon in mehreren Fällen aktiv werden. Interessant ist ja auch so alles im Bereich siebter Oktober. Dann wissen wir aber auch noch nicht, was die Duisburger Zivilgesellschaft hier vor Ort so plant oder auch nicht plant. Das ist ja generell mal interessant, ob man sich irgendwo einbringt und wie.
Ruhrbarone: Wie werden ihr vor Ort wahrgenommen?
Dissens: Mein Eindruck ist, dass das die Resonanz einfach sehr positiv ist, weil es einfach mittlerweile erschreckend wenige israelsolidarische Menschen und Gruppen gibt und einfach alle froh sind über jedes Lebenszeichen aus der Richtung. Das ist mein persönlicher Eindruck.
Gerade zukünftig könnte es vor allem auch deswegen interessant werden, weil unabhängig vom siebten Oktober, der mit Sicherheit eine ganz wesentliche Zäsur dargestellt hat, sind die Punkte Antizionismus, Antisemitismus und wie der begriffen wird Themen. Gerade im Zuge dieser neuen Theorieströmungen, die ja an den Universitäten, aber auch bis in diverse linke Gruppen Einzug gehalten haben: Der Postkolonialismus, diese ganzen intersektionalen Ansätze, die nämlich ganz systematisch den Antisemitismus verkennen bzw. überhaupt nicht erkennen.
Weitere Infos: Dissens Duisburg auf Instagram