Das war ein aufregender 9. November 2013 in meinem sonst eher verschlafenen Stadtteil Neumühl. Von unsere Gastautor Helmut Junge.
Gleich vier Demonstrationen waren ursprünglich geplant, wobei die gerade erst gegründete Initiative. „Neumühler Erklärung“ ihren Plan einen Schweigemarsch anlässlich des Gedenkens der Opfer der Reichspogromnacht zu Gunsten einer Beteiligung einer am gleichen Ort gemeldeten Gedenkveranstaltung der Initiative Bündnis für Toleranz und Zivilcourage, aufgab. Das war auch gut so, denn dadurch kam es zu der vielleicht größten politischen Veranstaltung im Neumühl seit Jahrzehnten. Die Veranstaltung begann am Stolperstein zum Gedenken an den Neumühler Kaufmann Fritz Mühlstein, dessen Kleidergeschäft in der Pogromnacht vor 75Jahren in Brand gesteckt, und den die Nazis 1938 ins KZ Dachau verschleppt, 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1945 in Auschwitz ermordet haben. Von dort aus gingen die Teilnehmer über die Holtenerstraße zum zweiten Stolperstein auf der Fiskusstraße, wo Albert Cipek, ein Neumühler Bergmann lebte, und den die Nazis wegen seiner Mitgliedschaft bei der KPD auch verschleppt und ermordet haben. Von den 6 Rednern, einschließlich des Versammlungsleiters, möchte ich zwei besonders erwähnen. Das ist einmal Patrick Marx von der jüdischen Gemeinde Duisburgs, der von einer solchen unerwarteten Resonanz seitens der Neumühler Bevölkerung überrascht war, und Susanne Lohaus von der Initiative „Neumühler Erklärung“, weil die für den Teil der Neumühler Einwohner spricht, die sich zusammengeschlossen haben, um permanent im Ort ein moralisches Gegengewicht zu rechten, menschenverachtende Einflüsterungen zu bilden. Alle Redner waren darin eins, dass die mit rassistischen Parolen angereicherte ProNRW- Demo, die nach langem Hin-und Her doch noch vom Verfassungsgericht erlaubt wurde, angesichts des 75-jährigen Gedenktages zur Reichspogromnacht, besonders deutlich zeigt, welchen Grad der Menschenverachtung diese Partei inzwischen erreicht hat.
Über deren Veranstaltung, die räumlich einige Hundert Meter entfernt stattfand, sagte mir ein Polizeieinsatzleiter, dass dort etwa 100 Leute teilnehmen würden. Das wären dann immerhin bereits weniger, als am für Neumühl traurig-berüchtigtem 5.Oktober. Von der Demo der jungen schwarzgekleideten Leute, die den direkten Kontakt zu ProNRW gesucht hatten, um dort ihren Protest gegen sie zu verkünden, habe ich etwas mehr gesehen, aber die gingen sehr schnell und die armen, teils auch schon älteren, Einsatzkräfte mussten schon schnaufen, um da hinterherzukommen. Als ich den erwähnten Einsatzleiter darauf ansprach, dass dieser große Polizeiaufwand wohl kaum sinnvoll war, bejahte dieser das. Es war eben alles friedlich.
Ziemlich schwacher Artikel. Wenn man die beiden anderen Demos nicht zu Gesicht bekommen hat, soll man da auch nicht drüber schreiben. Man kann jedenfalls nicht einfach dahergelaufene Polizisten nach persönlichen Einschätzungen fragen und das ganze mit Wohlfühlsätzen glatt bügeln.
Es war eben nicht alles friedlich. Und wenn man die Erfüllung des Auftrags als Maßstab für die Sinnhaftigkeit des Polizeieinsatzes nimmt, war der auch sicher nicht zu groß, denn in Neumühl hatte die Polizei erhebliche Mühe die Gegendemonstranten in Schach zu halten und in Rheinhausen konnte Pro NRW nicht die geplante Route laufen.
Die putzigen und so auskunftsfreudigen „armen, teils auch schon älteren, Einsatzkräfte“ sind den ganzen Tag durch Duisburg gejoggt um die Demos abzuschirmen, haben engagiert gekämpft (vor allem die Führer der Hundestaffel waren sehr agressiv) und dabei mehrere Menschen verletzt. Das erwähnt die Polizei natürlich nicht in ihrer Pressemitteilung, die ja in der WAZ abgedruckt wurde, aber bei den Ruhrbaronen besteht scheinbar auch kein Interesse zu wissen, was gestern eigentlich alles los war. Sonst würde man sich ja nicht einfach auf die Aussagen von „Einsatzleitern“ verlassen, die beteuern, ihren Einsatz übertrieben zu finden.
@Egaloder, viele, vielleicht 100 oder mehr der schwarzgekleideten jungen Leute kamen uns entgegen, als wir auf dem Weg vom Stolperstein 1 zum Stolperstein 2 waren. Der Weg vom Hamborner Rathaus bis zum Barbarakrankenhaus ist weiter, als man vielleicht glauben mag. Und eine gute halbe Stunde später, als unsere Gedenkveranstaltung beendet war, kamen sie uns wieder an der Ecke Fiskusstraße und Werner-Heisenbergstraße entgegen. Dort war eine Polizeisperre. Sie sind eher freundlich grinsend, als aggressiv der Weisung der Polizei gefolgt. Sie sind dann Richtung Lidl abgezogen. Das habe ich gesehen. Dort, an dieser Ecke standen noch mindestens 200 Leute von der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht, die das ebenso gesehen haben. Und genau dort habe ich auch dem Einsatzleiter gesagt, dass ich den Polizeieinsatz euretwegen für viel zu aufwändig halte. Wenn es aggressiver zugegangen wäre, hätte ich das wohl nicht gesagt. Ich konnte ja nicht ahnen, dass so eine Bemerkung schlimm ist. Sorry, mach ich nie wieder. Aber ich hab sogar ein paar Fotos von dem Ereignis. Da sieht niemand verbiestert aus. Vielleicht bist du ja auch drauf mit freundlichem Gesicht? Nebenbei gesagt, könnt ihr nach meiner Zeitrechnung auch höchstens eine halbe Stunde bei ProNRW gewesen sein. Zumindest gilt das für diejenigen, die uns auf der Holtenerstraße entgegenkamen.
Das mußte ich zur Klarstellung schreiben. Aber @Egaloder, ich werde mich nicht in eure interne Analyse eurer Aktion einmischen, weil ich denke, dass wir gegen Rechts eigentlich an einem Strang ziehen, auch wenn du das nicht verstehen willst.
[…] Gegengewicht zu menschenverachtenden Einflüsterungen Das war ein aufregender 9. November 2013 in meinem sonst eher verschlafenen Stadtteil Neumühl. Bericht von Helmut Junge vom 10 November 2013 bei den Ruhrbaronen […]