Geht es inzwischen in Sachen Urlaub wirklich nicht mehr ohne Fernreisen?

Urlaub daheim kann auch Spaß machen. Foto: privat

Blickt man in diesen Tagen so durch die laufenden Debatten in den Sozialen Medien, könnte man vielfach leicht den Eindruck bekommen, dass bei vielen Menschen das Entfallen ihrer traditionellen Fernreise in diesem Sommer aktuell die größte Sorge ist.

Logisch, so eine Urlaubsreise ist immer eine tolle Sache und für viele der absolute Höhepunkt des Jahres. Das ist auch bei mir nicht anders. Trotzdem werde ich in diesem Jahr relativ leicht darauf verzichten können und wundere mich gerade, wie schwer sich Mitmenschen damit offenbar tun.

Als ich in den 1970er- und 1980er-Jahren aufwuchs, da war die Welt in Sachen Urlaub offenkundig noch eine völlig andere. Als eines von zwei Kindern meiner Eltern waren Familienurlaub für uns keine Selbstverständlichkeit. Nicht in jedem Jahr konnten wir uns das erlauben.

Mein Vater war Alleinverdiener, meine Mutter kümmerte sich in den ersten Jahren um uns Kinder usw.. In den 70ern haben wir trotz knapper Mittel ein paar schöne Urlaube gemeinsam verbracht. Ziele waren damals die Ostsee, die Eifel, das Allgäu, die Nordsee usw.. Drei oder vier Mal in diesem Jahrzehnt ging es für uns auch gar nicht weg, verbrachte ich die großen Ferien mit Freunden am Wohnort, war dann jeden Tag im dortigen Freibad etc.. Und es war rückblickend auch in diesen Jahren eine wirklich schöne Zeit.

Fernreisen waren damals noch gar kein Thema. Zumindest nicht bei uns. Im Alter von 13 reiste eine Schulfreundin von mir mit ihren Eltern nach Kenia. Für mich war das damals aus der Ferne betrachtet ein schier unglaubliches Abenteuer, das mir völlig unrealistisch für meine Familie erschien.

Mit 17 habe ich erstmalig Interrail gemacht. Vier Wochen quer durch Europa gereist, für insgesamt rund 1000 DM. Das war ein Traum! Ich erinnere mich heute noch gut daran und schwärmte erst kürzlich gemeinsam mit den Mitreisenden von damals von dem Trip, der uns damals dermaßen begeistert hatte und der als Highlight der Jugendzeit in unseren Erinnerungen bis heute vorhanden ist. Meine erste Flugreise habe ich übrigens erst in den 1990er-Jahren gemacht, als ich schon Mitte 20 war.

Noch exklusiver war das jeweilige Reisevergnügen in der Zeit meiner Großeltern. Als mein Opa vor rund fünf Jahren mit 95 Jahren starb, da resümierte er kurz vor seinem Ableben mir gegenüber noch stolz, dass er seiner Frau (meiner Oma) doch einige schöne Reisen ermöglicht habe.

Immerhin drei Mal sei sie in ihrem 75-jährigen Leben doch mit ihm gemeinsam in Berlin gewesen. Und zur Silberhochzeit gönnten sich beide einen echten Traumurlaub, eine Reise nach Mallorca. Für ein Arbeiterpaar aus dem Ruhrgebiet, damals noch der pure Luxus.

Regelmäßiger Sommerurlaub war bei den beiden zu ihren Lebzeiten nicht drin. Die paar Reisen, die sie unternahmen, waren im Regelfall innerdeutsch und aus heutiger Sicht unspektakulär.

Trotzdem waren sie damit vollauf zufrieden und sogar ein Stück weit stolz auf ihre Urlaubsreisen. Mein Opa starb in dem Bewusstsein seiner Frau ein tolles Leben ermöglicht zu haben, auch was die gemeinsamen Reisen und Unternehmungen betraf.

Natürlich sind die Erwartungen an das Leben in unserer Generation inzwischen höher. Das Flugzeug gehörte für Millionen in den vergangenen Jahren schlicht zum alltäglichen Leben.

Aber warum erscheinen einige von uns jetzt nicht mehr in der Lage zu sein mal für einen relativ kleinen Zeitraum in unser aller Leben, sagen wir einfach mal es seien zwei Jahre, darauf zu verzichten?

Vor noch gar nicht allzu langer Zeit, hätten die Leute unseren selbsterhobenen ‚Anspruch‘ auf Fernreisen noch geradezu als unverschämt empfunden.

Im Regelfall reicht eine kurze Erinnerung an die vergangenen Jahrzehnte, um wirklich leicht auf eine Fernreise in diesem Sommer verzichten zu können. Die Vergangenheit hat doch gezeigt, man kann auch ohne weltweite Reisen und exklusive Urlaubsvergnügen glücklich sein und einen schönen Sommer verbringen.

Ganz sicher geht das auch in diesem Jahr. Man muss sich nur darauf einlassen und die Ansprüche einmal wieder etwas runterfahren.

Keine Fernreise in diesem Jahr? Davon geht die Welt nicht unter! Garantiert nicht! 🙂

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Bochumer
Bochumer
4 Jahre zuvor

Guter Artikel. Dazu kommt: Viele fahren nur in Hotelburgen in verschiedenen mehr oder weniger armen Ländern und verlassen diese aus Angst auch nicht. Die Fernreisen führen eben nicht zu einem kulturellem Austausch.

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ke
ke
4 Jahre zuvor

Das Leben zu dieser Zeit mit seinem Luxus im Vergleich zur direkten Nachkriegsgeneration wirkt heute sicherlich extrem prekär und bildungsfern. Wie konnten die armen Kinder nur ein Abi schaffen. So ohne Nachhilfe und mit den schlechten sozialen Voraussetzungen? Dann die Wohnverhältnisse.

Meine Alleinverdienerfamilie war meistens an der Nordsee. Später auch im Sauerland.
Freunde waren oft in den Mittelgebirgen. Es gab imme etwas zu entdecken. Das Meer ist klasse. Die Schiffe erzeugen Fernweh.

Insgesamt haben wir in Deutschland sehr abwechslungsreiche Landschaften auf einem kleinen Gebiet. Mir haben auch Reisen in den Osten viel Spaß gemacht. Die Landschaften sind oft klasse. Selbst das Ruhrgebiet hat tolle Ausflugsziele, die hoffentlich mit Museen, Parks, Restaurants wieder etwas lebendiger wirken.

Ich vermisse die Reisen in andere Länder trotzdem. Sie sind zwar absolut asozial, wenn man die Klimabilanzen etc. betrachtet, aber ich möchte den Planeten, auf dem ich lebe, kennen lernen.
Die Welt geht nicht unter, aber es ist Sch…

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