Neben Dortmund war Hamm in den vergangenen Jahren eine der nordrhein-westfälischen Städte mit der virulentesten rechten Szene. Um diese Szene genauer einschätzen und besser gegen sie vorgehen zu können hat die Stadt Hamm eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben. Eine der Autorinnen dieser Studie ist Claudia Luzar, ehemalige Mitarbeiterin der Dortmunder Opferberatungsstelle Backup. Nach Veröffentlichung der Studie wurde nun Kritik laut: Die Studie genüge keinen wissenschaftlichen Standards und verharmlose die Gefahr durch Neonazis.
„Hammer Verhältnisse“ ist die Studie übertitelt. Eigentlich sollte sie eine wissenschaftliche Einschätzung der rechten Szene in Hamm bieten. Herausgekommen ist etwas anderes: Zwar befassen sich Luzar und ihre Co-Autorin Nina Lohmann auf einem großen Teil der knapp 100 Seiten mit der lokalen Neonazi-Szene, einigen Raum nehmen allerdings auch die Bereiche türkischer Nationalismus, Salafismus und das Bashing von Antifa-Gruppen ein. Teile der Befunde über die rechte Szene stützen die Autorinnen auf Interviews mit aktiven oder ehemaligen Neonazis. „Durch diese Schwerpunktsetzung auf die Deutungen der beteiligen Neonazi-Akteure wird der Neonazismus in Hamm tendenziell verharmlost“ schreibt das antifaschistische Hammer Jugendbündnis „Häkelclub 590“ in einem ausführlichen Kommentar zur Studie.
Das Jugendbündniss wirft den Autorinnen der Studie außerdem eklatante Verstöße gegen wissenschaftliche Minimalstandards vor:
„Wissenschaftliche Arbeiten zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Methoden und Ergebnisse von anderen erkennbar und nachvollziehbar sind. Man spricht daher von dem Kriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit. So sollte für Dritte nachvollziehbar sein, wie Daten erhoben und interpretiert wurden, Begriffe und Fachtermini müssen definiert und in Bezug zum wissenschaftlichen Diskurs gesetzt werden. Diese Grundlage wissenschaftlichen Arbeitens erfüllt die vorliegende Arbeit nicht.“
Die Autorinnen, so der „Häkelclub 590“ würden nicht offenlegen, mit welchen Methoden sie gearbeitet hätten. Weite Teile der Studie stützten sich auf Interviews. Wen sie interviewt hätten, legten die Autorinnen allerdings nicht offen. Weiter wirft das Jugendbündnis Luzar und Lohmann vor, gegen „sämtliche Standards wissenschaftlicher Zitation“ zu verstoßen.
Die Antifa, so der „Häkelclub“ würde in der Studie „dämonisiert“:
„Durch das gesamte „Gutachten“ zieht sich die These, dass die Antifa in Hamm gewaltbereit sei und der deshalb entstehende „Links-Rechts-Konflikt“ ursächlich für die Gewalt der Neonazi-Szene sei. Hier wird der Antifa eine Mitschuld an der im „Gutachten“ nur unzureichend beleuchteten Gewalt der Neonazis zugeschrieben. Zudem sei der ebenfalls der Antifa zugeschrieben „radikal geführte Protest gegen Rechtsextremismus eine der Ursachen für die Passivität der restlichen Zivilgesellschaft“ (S.86). Stichhaltige Belege für diese Thesen werden nicht aufgeführt.“
Aussagen über angebliche Gewalttaten der Antifa würden in der Studie lediglich mit Verweisen auf Äußerungen von interviewten Neonazis belegt.
Die Studie verärgert den „Häkelclub“, wie auch die Hammer Linkspartei nicht nur aus inhaltlichen Gründen: Die Autorinnen empfehlen der Stadt, ein Aussteigerkonzept für „radikale Jugendliche“. Eine entsprechende Stelle hierfür einzurichten hat die Stadt Hamm unlängst beschlossen. Gegenüber dem Westfälischen Anzeiger sagte Linke-Ratsherr Alisan Sengül, er sehe das Neutralitätsgebot der Gutachterinnen verletzt. Eine von anderthalb neu geschaffenen Stellen wird nämlich Claudia Luzar übernehmen. Das Vorgehen der Stadt wird auch von der grünen Ratsfraktion scharf kritisiert. Die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses sollen zudem erst zu spät die Möglichkeit gehabt haben, die Studie überhaupt zu lesen. Die Grünen haben deshalb eine Sondersitzung des Stadtrates beantragt.
Die Kosten für das beschlossene Luzar-Projekt sind bis 2019 mit 785 000€ veranschlagt. 157 000€ davon wird die Stadt Hamm übernehmen. Falls Dr. Claudia Luzar hier mit der selben wissenschaftlichen Sorgfalt arbeiten wird, wie in der jüngsten Hammer Studie, wird die Stadt Hamm dafür einen ganz schön hohen Preis zahlen.
Wie kann man dieser Frau bloß erneut so eine Stelle bieten? So weit kann der Weg von Dortmund nach Hamm nicht sein, um zu wissen, wie wissenschaftlich diese Frau ist!?
Okay, man kann wissenschaftliche Studien diskutieren, kritisieren, auch ablehnen. Aber wenn das von dieser Antifa-Gruppe kommt, die laut Webseite selbst zu den Autonomen, also definitiv zumindest gewaltbereit eingestellten Gruppen, gehört, ist das doch ersteinmal etwas abenteuerlich. Erfahrenen Wissenschaftlern „unwissenschaftliches“ Verhalten vorzuwerfen, sollte doch recht gut begründet werden – davon findet sich weder hier im Text noch in dem Originalbeitrag („Begleitschreiben“) etwas. Das alles erinnert mich an die „Lügenpresse“–Rufe von Pegida und Co.: Wenn’s einem nicht in den Kram passt, ist es „unwissenschaftlich“, „nicht neutral“ usw., wenn das eigene Weltbild dadurch bestätigt werden kann, ist es „neutral“, „wissenschaftlich“ und „endlich mal objektiv“…
Und: Achten Sie doch beim nächsten Artikel bitte auf Rechtschreibung und Interpunktion. Mehr als drei Fehler pro Absatz müssen auch bei Bloggern bzw. Hobbyjournalisten nicht sein. 😉
@ Benny K.:
Die Kritik kam vom Jugendbündnis „Häkelclub 590“, Teil davon ist auch die Hammer Antifa.
Die Begründung des Vorwurfes, dass die Studie keinen wissenschaftlichen Minimalstandards genüge, führt das Bündnis auf mehreren Seiten aus. Das PDF habe ich im Artikel verlinkt.
Ich würde es eher anders ausdrücken: Wenn ein Jugendbündnis es schafft, die eklatenten Fehler einer Studie zweier Wissenschaftlerinnen (davon mit Frau Luzar sogar einer promovierten) darzulegen – dann sollte das zu denken geben.
@Benny K.: Wenn in einer Auftragsstudie noch nicht mal Angaben über die angewandten empirischen Methoden und Modelle zur Datenerhebung bzw. Interviewten-Auswahl gemacht werden, erübrigt sich eine Diskussion über wissenschaftliches Verhalten von vornherein, weil dieses wissenschaftliche Verhalten dann schlicht nicht vorhanden ist. Frau Luzar wird/wurde wohl nicht bezahlt, um einen Zehntklässler-Aufsatz abzuliefern, der dann auch noch im kommunalen Stellenklüngel beheimatet ist.
Zudem ist es zumindest mir rätselhaft, warum Sie Personen aus dem Antifa-Umfeld kategorisch Fähigkeiten zur Beurteilung wissenschaftlicher Arbeit absprechen wollen, zumal dieses Umfeld traditionell starke Überschneidungen mit dem studentischen Umfeld hat.
Es ehrt Sie übrigens, dass Sie einen Rechtschreibkurs besucht haben. Ich hoffe, Sie wenden Ihre neuen Fähigkeiten dann auch auf die gesamte Presselandschaft an. Dort gibt es Einsatzmöglichkeiten und -bedarf im Überfluss;-)
„Die Aussagen des „Gutachtens“ stützen sich vor allem auf die Interviews. Andere Quellen
und Wissensbestände – vor allem bestehende Fachliteratur und Medienberichterstattungen –
werden nicht hinzu gezogen, obwohl sie zugänglich wären.“
Welche Fachliteratur gibt es zum Thema NeoNazis in Hamm? Kann man da Quellen nachreichen?
Dann verlinkt der Häkelclub auf Indymedia, sowas ist auch nicht wirklich seriös…
Kilbo so ist es
@Klibo: Einfach mal „Neonazi Szene Hamm“ googeln. Ist aber für die Leugner einer solchen Szene wohl zu „hart“. Und wenn Sie sich am Ausdruck „Fachliteratur“ stören – auch ein Fachartikel ist in diesem Sinne „Literatur“, hat aber formal nichts mit Studie oder Gutachten gemein.
@Klaus Lohmann:
Googlen nach “Neonazi Szene Hamm” bringt genau 6 Ergebnisse, 4 davon sind Links zu den Ruhrbaronen.
@Klibo, sie scheinen ein Problem mit Google zu haben. Mir zeigt Google auf Anhieb 170 Treffer zu den genannten Begriffen an.
@Felix Huesmann: Es gibt wohl immer noch Google-User, die Gänsefüßchen wörtlich nehmen und mit in die Abfrage kopieren;-) Oder die gar nicht an Ergebnissen interessiert sind.
Ich hab die Studie gelesen. Die Teile zu türkischem Nationalismus und Salafismus sind einfach nur sinn- und hirnlos am Ende rangeklatscht. Die dazu verfassten kurzen Texte ohne weitere Kenntnis der Materie. Die „Empirischen Belege“, dass das Verbot der Kameradschaft Hamm nichts gebracht hat existieren in der Studie nicht – auch weil es gar keine empirische Studie ist. Wenn Luzar so weiter macht, wie in Dortmund oder bei der Arbeit an dieser Studie, könnte Hamm ihre letzte Station in ihrem gelernten Beruf sein. Taxischein wäre eine gute Idee – das Google-Auto braucht ja wohl noch ein paar Jahre.
@Stefan Laurin
Dann besorgt Euch doch die Langfassung der Studie bei Claudia Luzar. Interne Stimmen sagen, dass die viel ausführlicher ist, Methoden und Inhalte umfassender darstellt, aber auf Wunsch der Stadt Hamm nicht herausgegeben werden durfte? Warum? Weiß der Teufel. Und keine Ahnung, warum sich Luzar so durch den Sumpf ziehen läßt, und die Langfassung nicht längst selbst veröffentlicht hat.
@chrissi: Ich hab die Langfassung gelesen. Sie ist online: http://www.claudia-luzar.de/publikationen/
Die Langfassung ist oberflächlich und kann nicht als empirische Studie bezeichnet werden.
@Stefan Laurin
Das ist leider die „Kurzfassung“ (98 Seiten). Ich würde an Eurer Stelle mal bei der Stadt nachfragen.
Ich habe mich gefragt, was die Stadt mit einer Analyse erreichen wollte, und deshalb das genannte Dokument (#13) „überflogen“, da es sehr umfangreich ist.
Die Zusammenfassungen etc. wirken chronologisch, und die Einschätzungen etc. entsprechen meinem Eindruck, den ich durch Presse, Literatur, Erfahrungen gewonnen habe.
Was will die Stadt Hamm mit einer Analyse erreichen?
– Die Historie in der Stadt sollten die verantwortlichen Personen kennen.
– Grundmuster sind bekannt.
Es fehlen also Aktionen.
Welche wirksamen Aktionen können von anderen Städten übernommen werden und wie ist ihr Preis-/Leistungsverhältnis für den Bürger. Es muss auch nicht jede Stadt das Rad neu erfinden.
Offen ist, was hilft und warum. Hier muss eine Stadt auf bewährte Lösungen zurückgreifen. Die Probleme sind nicht neu. Es gab überall Ansätze.
Wir müssen uns an unserer Verfassung orientieren und diese Werte überall offensiv verteidigen. Wegschauen hilft nicht. Damit können wir uns auch das Herauspicken von Gruppen und das ewige „Wir gut – ihr böse“ sparen. Ebenso die Anti- Initiativen, die viel Geld kosten und deren Erfolg meistens nicht gemessen wird.
@chrissi: Auch eine Kurzfassung einer wissenschaftlichen Arbeit muss als solche klar gekennzeichnet sein. Es fehlen im downloadbaren PDF auch keine Seiten oder Kapitel, die man evt. zwecks „Verkleinerung“ herausgenommen hätte.
Und sollte an dieser Gaga-Verschwörungstheorie mit der Stadt Hamm trotzdem auch nur ein Fünkchen Wahres dran sein, setzt Luzar mit solchen „schlampigen“ Kennzeichnungen und Verkürzungen ihren akademischen Ruf aufs Spiel.
@Klaus Lohmann
Ja, da hast Du leider recht.
@ Chrissi # 14
Die Gesamtstudie ist eine Bringepflicht der Stadtverwaltung. Sie ist mit Sicherheit genauso digitalisiert wie die Kurzfassung. Ein Link auf der städtischen Website und die Sache ist im Handumdrehen erledigt.
@Arnold Voss
Das sehe ich genauso. Hoffentlich rührt sich die Stadt in der Hinsicht bald mal. Sonst müssen sich andere rühren.
@chrissi: Kritik an dem sog. Gutachten gibt es janicht erst seit gestern. Warum sollte die Stadt dann ein vorgebliches komplettes Gutachten, welches diese Kritik und damit die Kritik an der Vergabe- und Ausgabenpolitik des Rates ja entkräften könnte, unter Verschluss halten? Warum sagt dann Luzar selbst nichts dazu? Warum werden irgendwelche Ex-Nazis von EXIT mit seltsamen „Bekundungserklärungen“ und Anti-Antifa-Pamphleten vorgeschickt??
Wenn dieses Gutachten in der angeblichen 210-Seiten-Fassung nicht noch viel schrecklicher als diese ungekennzeichnete „Kurzfassung“ ist, so dass die Stadt sie den Bürgern gar nicht erst zumuten will, dann kapiere ich diese Gaga-Situation erst recht nicht.
Ja, warum? Ich glaube du stellst da Zusammenhänge her, die es so garnicht gibt. Vergiß einfach die 210 Seiten. Die Beteiligten werden hoffentlich schon wissen was sie tun und verantwortlich handeln, damit nicht noch mehr Porzellan zerschlagen wird. Und als Bürger kann man ja letztlich immernoch zur Sondersitzung des Rates gehen und mal nachfragen, oder?
@chrissi: Ich verlass mich da lieber auf Lokaljournalisten wie Michael Girkens vom WA, der ja schon logische Schlüsse über eine Verbindung zwischen Luzar und der Stadt bzw. dem OB gezogen hat (http://haekelclub590.de/?p=1223). Muss er nur noch dranbleiben…
Hier wird also eine Studie kritisiert, die garnicht vollständig vorliegt?
Seriös ist anders…
@Lothar: Hier wird die von Luzar veröffentlichte 98-Seiten Version der Studie kritisiert. Und ja, das ist seriös. Auf jeden Fall seriöser als die Studie.
@Felix Huesmann:
Mit Anführungszeichen kann man Suchergebnisse sinnvoll eingrenzen:
http://www.google.de/intl/de/help/basics.html
Dann klappt es auch mit den 6 Ergebnissen, die so von Klaus vorgeschlagen worden sind…
@Lothar: Woher wollen Sie eigentlich *wissen*, dass die vorliegende Studie unvollständig sein soll? Lieben Sie Verschwörungen und Gerüchte oder arbeiten Sie selbst bei der Stadt?
@ Klibo: Recht haben Sie: Man kann Suchergebnisse so sinnvoll eingrenzen. Das tun Sie in diesem Fall aber nicht. Sie suchen so zum Beispiel nicht nach „Neonazi-Szene in Hamm“ oder nach „Neonazis in Hamm“ und dergleichen mehr.
Probieren Sie das doch mal aus, das könnte ein richtiger Aha-Effekt sein. Auch in Bezug auf das gesuchte Thema, da lässt sich nämlich einiges finden.
@Klibo: Um Ihre kleine Rechthaberei mal weiter zu spinnen: Wie hätten Sie denn gegoogelt, wenn ich den Satz so: „Einfach mal Neonazi Szene Hamm googeln“ geschrieben hätte?
Nee, ist schon klar. Wenn Sie nix finden wollen, erfinden Sie halt solche Relativierungen. Oder Sie haben wirklich keine Ahnung, welche Suchbeschränkungen durch Gänsefüßchen erzeugt werden.
Es gibt also eine Studie von Frau Luzar, von der es eine Version auf ihrer Homepage mit 98 Seiten gibt und eine Komplettversion, die bei der Stadt Hamm (unter Verschluss?) liegt. mit ca. 200 Seiten, wenn ich die Kommentare hier richtig verstanden habe?
Interessant wäre jetzt, was denn so brisantes verheimlicht werden soll, dass nur eine „zensierte“ Version online steht? Könnte man da nicht mal nachhaken, anstatt sich hier über Google-Techniken zu streiten?
@Mitleser: ich glaube nicht, dass in der Langversion etwas steht, das verheimlicht werden soll. Alles was peinlich ist, findet sich in der Kurzversion.
@Mitleser: Sie können den Kommentaren hier nur entnommen haben, dass ein einzelner Kommentator *behauptet*, es gäbe eine Langfassung. Die bislang existente 98-Seiten-Fassung enthält keinerlei Hinweis darauf, dass sie nur eine Kurzfassung wäre. Der Rest ist pure Spekulation.
@#29 und #30
genau, alles was peinlich ist findet sich in der kurzversion. deshalb interessiert nicht mehr was eigentlich in der „zensierten“ studie steht, wenn es nur um das aufdecken von peinlichkeiten geht. eine komische interessenkungelei ist das. was hat das noch mit journalismus zu tun, hauptsache jeden tag ne neue sau durchs dorf treiben, und wenn si luzar hweisst umso besser.
@klaus: Auf den Tisch mit der angeblichen „Langfassung“ und man schreibt auch drüber. Das ist aber kein Problem von Journalisten, sondern von Denen, die sowas unter Verschluss halten und darüber schweigen. In erster Linie wohl Luzar selbst, nicht wahr?