Gelsenkirchen (k)ein Platz für Nazis

Die Akteure aus dem Musikvideo – Quelle: Screenshot youtube

Thomas Donner ist Mitglied der AfD und wurde Anfang des Jahres als Beisitzer in den Vorstand der Partei in Gelsenkirchen gewählt. Das war als Neuaufstellung des Kreisverbands im Hinblick auf die anstehenden Wahlen gedacht. Gleichzeitig übernahm die Landtagsabgeordnete Enxhi Seli-Zacharias das Amt der Kreissprecherin. Die 30jährige AfD-Chefin musste jetzt schon nach drei Monaten den vorzeitigen Rücktritt ihres Parteifreundes bekanntgeben. Der wurde in einem Musikvideo an der Seite von Hooligans, Rockern, rechten Kampfsportlern und Mitgliedern einer rechtsradikalen Bürgerwehr entdeckt.

Der Clip stammt aus dem zweiten Corona-Jahr 2021, die vierte Welle ging durch Deutschland und die Proteste erreichten ihren Höhepunkt. Xavier Naidoo und der Hooligan-Sänger Hannes Ostendorf produzierten den Song „Deutschland krempelt die Ärmel hoch“. Was wohl eine Anspielung auf die Impfkampagne der Bundesregierung sein sollte. In dem Video ist Thomas Donner an der Seite von Christian Willing zu sehen. Der gilt als Führungsperson der rechten Bürgerwehr „Steeler Jungs“ und war bis zum Verbot im Juli 2021 Präsident des Bottroper Bandidos-Chapters. Die „Steeler Jungs“ bestehen zum Großteil aus dem Umfeld der explizit rechten Hooligangruppierung “Alte Garde“ von Rot-Weiß Essen. Er steht als Person beispielhaft für die Überschneidung zwischen Rockern, Nazis und Hooligans. Hannes Ostendorf ist der Frontmann der rechtsextremen Hooligan-Band „Kategorie C“ und Mitglied der rechtsextremen Hooligan-Gruppe „Standarte Bremen“. Gedreht wurde das Video auf einem Gelände an der Alleestraße in Essen, dass von den „Steeler Jungs“ genutzt wird. Bei bundesweiten Razzien wegen Drogen- und Waffenhandel wurde die Polizei auch in Essen fündig. Die Ermittler fanden dort Drogen, etwa 50.000 Euro Bargeld, ein funktionsfähiges Sturmgewehr, ein Präzisionsgewehr und mehrere Handfeuerwaffen.

Im Juni 2020 sorgte eine Pressemitteilung von „Essen stellt sich quer“ und des Gelsenkirchener „Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung“ für Aufregung: „Durch unsere Internetrecherche ist uns bekannt geworden, dass Teile der rechtsradikalen Bürgerwehr “Steeler Jungs” aus Essen–Steele im Fitnessclub “Stahlwerk” in Gelsenkirchen Ückendorf trainieren. Christian Willing, einer der Köpfe der „Steeler Jungs“ sowie führendes Bandidos-Mitglied, gründete dort sogar einen Kampfsport Club namens Guerreros“. Die Betreiber des Fitnessclubs am Dördelmannshof erklärten damals gegenüber der WAZ, dass Ückendorf für Rocker ein neutrales Gebiet sei und auch Mitglieder des Freeway Rider’s MC hier Gewichte stemmen. Das ist kaum vorstellbar und wenig glaubwürdig, denn 2018 haben vier Bandidos in Rotthausen ein Mitglied der Freeway Riders auf offener Straße erstochen. Im Juni 2020 wurden die Täter zu langen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren verurteilt. “Gerade in die Kampfsportszene versuchen immer wieder Nazis einzusteigen und Strukturen aufzubauen”, erklärte Paul M. Erzkamp, Sprecher des Aktionsbündnisses. “Hier versuchen sie sowohl Leute zu rekrutieren als auch ihre Gewalt zu professionalisieren. Diese Gefahr ist nicht zu unterschätzen“.

Der Stadtteil Ückendorf schein für Neonazis ein beliebter Ort zu sein. Im Oktober letzten Jahres beendete die Polizei ein verbotenes Konzert der Neonazi-Band „Sturmwehr“ in der Kleingartenanlag „Luthenburg“ mit 80 Besuchern. Die in Gelsenkirchen gegründete Band gehört zu den ältesten und bekanntesten Bands im rechtsradikalen Spektrum. Gegründet wurde sie von Jens Brucherseifer und Rony Krämer. In den Beltower News der Amadeu Antonio Stiftung findet sich dazu die folgende Einschätzung:
„Sturmwehr ist eine Rechtsrock-Band aus Gelsenkirchen, welche zwischen 1993/94 gegründet wurde. Die Band ist eine der ältesten und bekanntesten Gruppen der Rechtsrock-Szene. Sturmwehr veröffentlichte bis heute etwa 19 Studioalben sowie diverse Best-Of-CDs. Außerdem ist sie auf der Werbe-CD der NPD „Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag! (2004)“ mit einem Lied vertreten. „Sturmwehr“ trat in der Vergangenheit immer wieder im Rahmen von Konzerten des „Blood & Honour“-Netzwerkes auf, vordergründig bei dessen Ablegern in Italien, Ungarn und Schweden. Dies dürfte u.a. an der Anbindung ihres ehemaligen Gitarristen Marco Eckert liegen. Dieser ist ebenfalls Gitarrist der Dortmunder Band „Oidoxie“, welche als musikalischen Aushängeschild des deutschen „Combat 18“-Ablegers (C18) gilt. „Combat 18“ ist der bewaffnete Arm des „Blood & Honour“-Netzwerkes“.

Die Kleingärtner des KGV Luthenburg zeigten sich nach der Polizeiaktion schockiert und betonten ihre Ahnungslosigkeit. Unmittelbar nach dem Einsatz hat der Vorstand des Vereins eine Mitteilung an alle Mitglieder versandt. In dieser Erklärung distanzierte sich der Verein eindeutig von den Neonazis. Dabei scheint Jens Brucherseifer gute Kontakte nach Ückendorf zu haben. 2009 berichtete die WAZ über seine Nähe zum Schalker Fan Club „Blue Power Ückendorf“ und sein Engagement beim Kleingartenverein KGV Gelsenkirchen Süd. Die Redakteure vermuteten eine rechtsradikale Gesinnung bei einigen Mitgliedern, die auf Fotos einer Weihnachtsfeier T-Shirts von „Combat 18“ trugen. Der militante Arm des Neonazi-Netzwerks „Blood and Honour“ ist in Deutschland seit 2020 verboten. Der Fan Club hat die Berichterstattung damals kritisiert und die Nazi-Vorwürfe von sich gewiesen.

Beim AfD Mitglied Thomas Donner ist die Sache dagegen eindeutig, denn er ist klar und deutlich auf dem Video zu erkennen. Für Parteisprecherin Enxhi Seli-Zacharias ist das allerdings kein Problem und gegenüber der WAZ kritisierte sie, dass der gegenwärtige Zeitgeist in Deutschland stark von „Kontaktschuld“ geprägt sei, und das Aufnahmeverfahren sei im Fall von Thomas Donner „einwandfrei“ ausgefallen.

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