Während die Getreideernte gut gelaufen ist, blicken die Landwirte mit Sorge auf Kartoffeln und Möhren.
Erich Gussen ist Vizepräsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes und bewirtschaftet einen 75 Hektar großen Ackerbaubetrieb in der Jülicher Börde. „Dieses Jahr“, sagt Gussen, „war die Getreideernte im Rheinland gut, aber alles andere leidet unter der Trockenheit.“ Alles andere, das sind vor allem Kartoffeln, Zuckerrüben, Mais, Möhren und Zwiebeln, deren Ernte erst in einigen Wochen beginnt. „Wir hatten einen Winter mit ausreichend Regen. Das hat den Pflanzen genutzt, die früh geerntet wurden. Die Gerste haben wir schon im Juni eingebracht, den Weizen im Juli. Da gab es noch genug Wasser im Boden und die Hitze war im Frühjahr nicht so groß.“ Anders sei das zum Beispiel bei den Kartoffeln oder Zuckerrüben: „Denen fehlte das Wasser und sie litten unter der Hitze der letzten Wochen.“
Jedes Jahr sei es so, dass das Wetter für die einen Pflanzen günstiger sei als für andere. „Das optimale Wetter für alle Pflanzen, tagsüber Sonne, Regen in der Nacht und keine Hitze, kommt in der Wirklichkeit leider nicht vor.“ Aber die vergangenen Jahre seien schon etwas besonders gewesen. Für den 56jährigen Landwirt ist klar, dass der Grund der Klimawandel ist: „2018 hatten wir eine richtige Dürre. 2019 und 2020 waren zu trocken und letztes Jahr gab es die schweren Regenfälle im Juli. Das war alles immer sehr extrem.“, sagt der Diplom-Agraringenieur.
Immerhin: Beim Weizen reichte es dieses Jahr sogar für eine Rekordernte. Das gaben die nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen und Karl Werring, der Präsident der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Düsseldorf bekannt: Die geernteten 2,15 Millionen Tonnen Weizen waren der höchste Ertrag seit 2016. Auch bei Roggen, Hafer und Triticale, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen, die als Futter angebaut wird, gab es zum Teil deutlich Zuwächse.
Kartoffeln, Mais und Zuckerrüben warten hingegen schon lange dringend auf Regen. Auf leichten, sandigen Böden sei der Mais teilweise schon vollständig verdorrt, sagte die Ministerin. Erste Bestände würden deshalb notreif geerntet: „Die anhaltende Hitze und Trockenheit trüben die Zukunftsaussichten. Kartoffeln, Mais und Zuckerrüben, die bald geerntet werden. Auch der Ukraine-Krieg bleibt eine Herausforderung. Energiekosten explodieren, Düngemittelpreise steigen rapide.“ Gorißen will, dass Wasserversorgung in der Landwirtschaft verbessert wird.
Was die Bewässerung betrifft, ist Erich Gussen skeptisch: Bei Getreide wie Weizen und Gerste sei eine Bewässerung nicht wirtschaftlich zu finanzieren. „Viele Kollegen, die Kartoffeln oder Gemüse anpflanzen, haben in den vergangenen Jahren in Bewässerungsanlagen investiert. Aber die stark gestiegenen Energiepreise machen den Betrieb der Pumpen, die ja in der Regel mit Diesel betrieben werden, sehr teuer.“
Auch von Ratschlägen mancher Ökologen, auf alte Getreidepflanzen umzusteigen, hält Gussen nichts: „Urgetreide hat gerade einmal 20 Prozent des Ertrags moderner Sorten.“ Die Landwirte wären ohnehin flexibel und würden ständig ihre Fruchtfolge an die Marktbedingungen anpassen : „Durch Trends wie Hafermilch ist der Bedarf an Hafer gestiegen, Erbsen werden mehr als früher nachgefragt, weil sie in Fleischersatzprodukten verwendet werden. Aber das sind alles noch Nischen.“ Natürlich könnten auch exotische Pflanzen auf die Äcker gebracht werden: „Aber was bringt das, wenn sie niemand essen und geschweige denn bezahlen will?“
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag