Der antisemitische, rechtsextremen Hetzer Attila Hildmann erhielt auf seinen Spendenkonten Überweisungen im Wert von mehr als 180.000 Euro. Das ergaben Recherchen des Magazins stern.
Seit Herbst 2021 wirbt Hildmann auf dem Messengerdienst Telegram fast täglich um Spenden in Bitcoin und anderen Kryptowährungen. Das Besondere an diesen Überweisungen ist, dass sie von jedem Internetnutzer auf der Welt mit einem sogenannten Blockchain-Explorer verfolgt werden können. So lässt sich nachvollziehen, dass Hildmann von September 2021 bis Oktober 2022 auf diversen Spendenkonten Überweisungen im Wert von mehr als 180 000 Euro bekommen hat.
Wer die Überweisungen veranlasst hat, lässt sich dagegen nicht sagen. Theoretisch wäre es möglich, dass Hildmann mit Scheinbuchungen sein Spendenvolumen in die Höhe treiben will. Einige Zahlungen könnten auch von seinen Geschäftspartnern in Deutschland kommen. Hildmann verkauft über einen Onlineshop in Berlin vegane Lebensmittelprodukte.
Nachdem Hildmann zu Beginn der Corona-Pandemie zu einem Wortführer antisemitischer Hetze wurde, listeten deutsche Supermarktketten Hildmanns Lebensmittelprodukte aus ihren Sortimenten aus. Doch Hildmann verkauft weiterhin Gummibärchen, Matcha-Tee, Nussnugatcreme und vegane Bolognese-Soße über den Onlineshop sicherheit-fuer-jedermann.de. Der Onlineshop wird von dem wegen Volksverhetzung vorbestrafte NPD-Mann Sebastian Schmidtke in Berlin betrieben.
Der stern bestellte dort ein paar Hildmann-Produkte. Auf den Gummibärchen und dem Matcha-Tee ist als Vertreiber die Attila Hildmann Empire GmbH eingetragen, die im Oktober 2021 Insolvenz beantragt hat. Offenbar handelt es sich bei diesen Produkten um Restbestände. Auf der Verpackung der Bolognese-Soße ist dagegen die LGN Vermarktungsgesellschaft GmbH als Verkäuferin vermerkt, eine im April 2021 gegründete Briefkastenfirma, die in einem Co-Working-Space in Prenzlauer Berg firmiert.
Als alleinige Gesellschafterin ist Lisa G. eingetragen. Sie leitete früher Hildmanns veganen Imbiss in Berlin. Auf eine Anfrage des stern antwortet sie nicht.
Zudem gelang der Zeitschrift stern , woran deutsche und internationale Sicherheitsbehörden seit Februar 2021 scheitern: Sie hat den antisemitischen, rechtsextremen Hetzer Attila Hildmann in der Türkei aufgespürt. Es war das Ende einer monatelangen Recherche. Der stern konfrontierte Hildmann in seinem Heimatort Kartepe, einer Stadt rund anderthalb Autostunden südöstlich von Istanbul. Laut Recherchen der Zeitschrift lebt der einst als veganer Kochbuchautor bekannt gewordene Hildmann dort seit dem Sommer dieses Jahres, allein mit zwei Huskys und drei Katzen. Zuvor wohnte er seit dem Herbst vergangenen Jahres in Gömec, einem Küstenort in der Provinz Balikesir.
Die Suche des stern begann als die Zeitschrift seit dem Mai 2022 eine Gruppe von Hobbydetektiven begleitete, die Hildmann schon länger auf der Spur war: 13 Privatpersonen, die sich die Hildbusters nennen, Hildmannjäger, nach dem Hollywoodfilm „Ghostbusters“. Nachdem Hildmann im Dezember 2020 in die Türkei geflohen war und ab Februar 2021 mit einem internationalen Haftbefehl gesucht wurde, setzte sich die Gruppe ein Ziel: Hildmann aufspüren und ihn ins Gefängnis bringen. Der stern verfolgte die Suche der Hildbusters, recherchierte aber parallel auch selbst. Er spürte Hildmanns Geschäften nach und analysierte seine Kryptokonten. Schlich sich in seine geheime Telegram-Gruppe ein, suchte nach seinem Standort – und fand am Ende den entscheidenden Hinweis, der zu Hildmanns Versteck führte.
Bei der Konfrontation von Hildmann Mitte Oktober waren neben stern-Reportern und dem Hildbuster-Mitglied Alexander Brehm auch ein Team von stern TV zugegegen. Sie dokumentierten die Begegnung mit Hildmann. Ihr Film wird am Mittwochabend, 26. Oktober 2022, bei stern TV auf dem Sender RTL gezeigt.
Der Hildbuster Brehm informierte nach der Konfrontation unverzüglich das deutsche Generalkonsulat in Istanbul. Vor Ort teilte er einem Beamten der Bundespolizei Hildmanns Adresse und das Nummernschild von dessen Fahrzeug mit.
Hildmann ist doch in West-Berlin geboren, wurde anschließend adoptiert. Wieso sollte Kartepe sein „Heimatort“ sein?